Die Tränen der Rocky Mountain Eiche. Charles M. Shawin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles M. Shawin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783941485945
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Witterung aufgenommen hat. Es schien, als fiebere er, und ständig trieb er die anderen an, schneller zu werden.

      Nach zwei Stunden flotten Laufens stießen sie auf die Büffel. Und zwar so unvermutet, dass sie sich hart zu Boden werfen mussten. Eine unvorsichtige Bewegung konnte sie frühzeitig verraten. Vor ihnen dehnte sich eine Senke aus, die schwarz war von Büffeln. Tausende waren es. Mächtige Stiere waren unter ihnen, die dröhnendes Grunzen ausstießen, das wie fernes Donnern grollte. Zwischendrin sprangen munter Kälber umher. Sie waren erst wenige Tage alt.

      Dann knallte der erste Schuss. Eine zweijährige Kuh stürzte zu Boden. Die zweite Kugel streckte einen jungen Bullen nieder. Die Herde schien der Tod nicht zu erschrecken, auch der Knall der Büchsen versetzte sie nicht in Panik. Wie angewurzelt blieb sie stehen, stoisch nahm sie den nächsten Schuss hin.

      Jetzt wusste Dave, weshalb es ohne Pferde leichter war, Büffel zu jagen als Gabelböcke. Aus irgendeinem Grund rührten sich die Tiere nicht vom Fleck. Er konnte sich das nur damit erklären, dass sie die Schüsse zwar hörten, die Gefahr, die dahinter lauerte, aber nicht erkannten. Obendrein sahen sie keinen Feind, rochen ihn auch nicht, da der Wind für sie ungünstig stand.

      Dave machte es, wie er es von Reed gelernt hatte. Mit ruhiger Hand visierte er. Als er abdrückte, riss ihn die Wucht des Schusses zurück. Ein kurzer Schmerz durchzuckte seine rechte Schulter. Aber er hatte getroffen. Und niemand bemerkte, dass es sein allererster Schuss gewesen war. Seine Beute war eine stattliche Kuh. Er konnte zufrieden mit sich sein.

      Dave schoss kein zweites Mal, weil er sich ausrechnen konnte, dass vier Männer nicht so viel Fleisch zurück zu den Booten schaffen konnten. Aber die anderen, vor allem Booker, feuerten unentwegt weiter. Es war ein einziges sinnloses Abschlachten.

      Schließlich packte Dave die Wut, grob stieß er Booker gegen die Brust. „Hör auf, es ist genug!”, schrie er ihn an.

      Booker glotzte Dave mit starren Augen an. So, als erwache er aus

      einem Traum, einem Wahn. Er wollte Dave zuerst anschnauzen, doch langsam schien auch er zu begreifen, dass mehr als ausreichend Tiere getötet worden waren.

      Als sie sich erhoben, kam Bewegung in die Büffel. Ihre kurzsichtigen Augen erkannten schemenhafte Umrisse, die sie aber scheinbar eindeutig als Feinde identifizieren konnten. Augenblicklich stoben sie davon. Der Lärm der donnernden Hufe und das verängstigte Blöken der Kälber war noch lange zu hören, als die Herde längst hinter der nächsten Erdwelle verschwunden war.

      Sechzehn Tiere hatten sie getötet. Nicht einmal eine Viertelstunde war vergangen. Die Kadaver lagen in dicken Blutlachen, auf denen Schwärme von Mücken saßen. Zwei Kälber waren zurückgeblieben. In der Panik hatten sie ihre Mütter verloren und schrien mit kläglichem Röhren nach ihnen. Dave versuchte, sie wegzujagen, damit sie der Herde folgen sollten, doch sie blieben immer wieder hilflos

      stehen.

      Booker, Paul Jackly und Durak bearbeiteten die toten Büffel mit ihren Messern. Dave wurde zornig, als er sah, dass sie es nur auf die Zungen, die Knorpel um die Nasenlöcher, die Nieren, die Lebern und auf das feine Filet abgesehen hatten. Wozu waren dann sechzehn Tiere getötet worden, wenn man nur einen Bruchteil davon mitnehmen wollte? Er geriet mit Booker darüber in einen heftigen Streit, und beinahe hätten sie sich geprügelt, wäre nicht Paul Jackly eingeschritten.

      „Beruhige dich, Dave”, versuchte Jackly zu schlichten. „Es gibt Büffel wie Blätter an den Bäumen. Was scherst du dich um die paar?”

      „Mich kümmern die paar Büffel nicht”, entgegnete Dave verbissen. „Ich bin nur wütend, weil es sinnlos war, sie zu töten. Ein einziger von ihnen könnte uns lange ernähren.”

      Es war zwecklos, sie ließen sich nicht von ihrer Meinung abbringen. Je mehr Dave sich ihnen entgegenstellte, desto mehr machte er sich lächerlich. Schließlich gab er es auf. Und vielleicht täuschte er sich auch, wie er sich später eingestand. Bis jetzt hatte sich die Natur ja in einem überschwänglichen Angebot gezeigt. Aber wer wusste, was der nächste Tag brachte. War es dann falsch, nach Herzenslust darin zu schwelgen?

      Eines jedenfalls hoffte Dave aus ganzem Herzen: dass nicht alle Männer, die in und von der Wildnis lebten, so waren wie diese. Denn wenn sich jeder nur die Rosinen herauspickte und den Rest achtlos liegen ließ, was blieb dann auf Dauer gesehen von dieser üppigen Natur? Und waren dieses Land, die Blumen, die Bäume und die Vielzahl der schönsten Tiere, die Dave auf seiner Reise bisher kennen gelernt hatte, nicht ein Geschenk Gottes? Reverend Gardner hatte es so in der Kirche gepredigt. Schon deshalb war es ein Frevel, den wundervollen Garten Gottes aus einer Laune heraus zu plündern.

      All das fiel Dave ein, als sie, zwei Leinensäcke über den Schultern, zu den Booten zurückliefen. All diese Gedanken drängten sich ihm auf, und doch traten sie nur schwach in Erscheinung und verschwanden rasch und widerstandslos. Es war wie ein stilles Aufbegehren seiner Erziehung und seiner Herkunft. Mehr nicht. Nachdem er aufgebraust war, war seine Wut schnell abgeflaut. Und je mehr er darüber nachdachte, suchte er diese und jene Entschuldigung, um das Handeln der Jäger zu rechtfertigen. Sie waren zu einem Teil der Wildnis geworden, sagte er sich. Hier herrschte der Instinkt über den bloßen Verstand. Ihm leuchtete ein, dass in der Prärie das Wissen eines

      stubenhockenden Gelehrten wenig taugte, aber der über Jahre geschärfte Instinkt eines Trappers das Leben entscheiden konnte.

      Die Zeit mit den Trappern hatte ihn verändert. Ohne es zu merken, hatte er sich ihnen nun fast angeglichen. Er schmatzte beim Essen, furzte, wenn ihm danach war, und hatte die Pfeife am Abend schätzen gelernt. Und nun konnte er auch noch schießen. Nicht mehr lange, und er würde so denken, so fühlen und so handeln wie sie. Vielleicht würde er selbst schon bald Büffel abknallen, nur um in den Genuss von deren Zungen zu kommen.

      Die restlichen dreizehn Männer, die bei den Booten geblieben waren, kümmerten sich jedenfalls wenig darum, unter welchen Umständen das Essen beschafft worden war. Noch am selben Abend wurden die Delikatessen verspeist. Als Dave von den gekochten Knorpeln und den Lebern probierte, musste er zugeben, noch nie etwas Köstlicheres gegessen zu haben.

      Natürlich musste er Long Reed von der Jagd erzählen. Dave tat es mit Stolz. Haargenau schilderte er, wie er das Gewehr angelegt, gezielt und geschossen hatte. Und wie der Büffel, dem die Kugel mitten ins Herz gedrungen war, im Todeskampf den mächtigen Schädel hochgerissen, dann aber leblos in sich zusammengebrochen war.

      Der Lange klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Jetzt bist du einer von uns!”

      Dave war schon vor Sonnenaufgang wach. Er legte Holz nach und kochte Kaffee. Das Klappern des Geschirrs weckte die anderen. Nacheinander erhoben sie sich von ihren Lagern. Ein Tag begann, wie ihn Dave nun schon siebenunddreißig Mal seit ihrem Aufbruch erlebt hatte. Die Arbeit war Routine geworden.

      Aus Blechbechern schlürften die Männer den heißen Kaffee. Dann rollten sie ihre Decken zusammen und brachten sie auf die Boote. Und noch bevor die Sonne aufging, banden sie die Taue los und ruderten stromaufwärts.

      Gegen Mittag führte sie der Yellowstone durch eine reich bewaldete Gegend. So weit sie sehen konnten, säumten Eschenahorn und einzelne Birken den Fluss. Aus diesem Gestrüpp traten plötzlich die Blackfeet hervor. Vierzig Krieger waren es. Sie kamen zu Fuß, ihre Pferde hatten sie irgendwo im Wald zurückgelassen. Wäre diesem Stamm nicht der Ruf der besonderen Gefährlichkeit vorausgeeilt, hätte Dave sie wohl als die herrlichsten aller Indianer gesehen. Sie waren von großer, aufragender Gestalt und trugen Leggins und Mokassins aus dunklem Rehleder, die mit gefärbten Stachelschweinborsten verziert waren. Die meisten von ihnen waren am Ober-

      körper nackt, einige aber trugen Hemden aus hellem Leder und wieder andere hatten eine Büffelrobe oder einen Umhang aus dem Fell des Waschbären umgebunden. Alle Krieger waren mit Pfeil und

      Bogen, mit Lanze, Tomahawk und Messer bewaffnet. Obendrein besaßen sie erstaunlich viele Gewehre. Ihre Haare waren lang und glänzten fettig in der Sonne. Bei zweien reichte es bis zum Boden. Es war sechs Fuß lang oder länger. Fast alle trugen prächtige Hauben aus Adlerfedern. Ihre Gesichter waren kaum zu erkennen. Sie waren mit grellen Farben bemalt, teilweise sogar vollkommen