Ulrich Wißmann
Wer die Geister stört
Mord am heiligen Berg der Apachen
Für meine Mutter
Die Toten sind nicht ohne Macht
(Häuptling Seattle)
Wer die Geister stört
Mord am heiligen Berg der Apachen
Ethno-Thriller
von
Ulrich Wißmann
Impressum
Wer die Geister stört, Ulrich Wißmann
TraumFänger Verlag Hohenthann, 2015
e-book ISBN 978-3-941485-34-1
Lektorat: Ilona Rehfeldt
Satz und Layout: Janis Sonnberger, merkMal Verlag
Datenkonvertierung: readbox, Dortmund
Titelbild: Astrid Gavini
Copyright by TraumFänger Verlag GmbH & Co. Buchhandels KG,
Hohenthann
Produced in Germany
INHALT
OSTEN/SCHWARZ
SÜDEN/BLAU
WESTEN/GELB
NORDEN/WEISS
Wir betten unsere Toten in die Erde
von dort sind sie unsere stummen Führer
(Jean Paul)
www.traumfaenger-verlag.de
Die Handlung ist frei erfunden und jegliche Ähnlichkeit mit tasächlichen Ereignissen und Personen wäre rein zufällig.
Vorwort
Wie auch in „Skalpjagd“, meinem ersten Roman um den Navaho-Ermittler Frank Begay, sind die handelnden Personen und die Geschichte des Buches frei erfunden. Die beschriebenen geschichtlichen, politischen und ethnologischen Umstände aber entsprechen der Wahrheit, die historischen Personen gab es wirklich. Das Konsortium des Mount Graham International Observatory, bestehend u.a. aus der Universität von Arizona, dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie, dem Arcetri Obversatorium und dem Vatikan, gibt es tatsächlich. Die beschriebenen Sachverhalte zur Geschichte und zur politischen Auseinandersetzung um die Teleskopanlagen entsprechen den Fakten. Führende Vertreter des Vatikans weigern sich tatsächlich bis heute, die religiöse Bedeutung des Berges für die Apachen (oder die traditionelle Religion der Apachen überhaupt) anzuerkennen. Der Widerstand der Apachen gegen das Projekt dauert an.
OSTEN/SCHWARZ
I
Der Vollmond stand bleich wie ein Totenschädel über einer weiten und kargen Wüstenlandschaft. Obwohl es Nacht war, war es so hell, dass man die Farben der Felsen unterscheiden konnte, roter, weißer und gelber Sandstein. Ein träger Nachtwind rauschte leise in den im Mondlicht glänzenden Nadeln der wenigen Pinien.
Die Gruppe ritt schweigend, fast ohne ein Geräusch zu verursachen. Sie mieden die offenen Flächen wo sie konnten und bewegten sich im Schatten der Felsen und Canyons. Sie waren Apachen, knapp zwanzig kampferprobte und wettergegerbte Krieger, dazu einige Frauen und Kinder. An ihrer Spitze ritt Goyathlay, „der Gähnende“, den die Weißen Geronimo nannten. Er war eine Legende, der gefürchtetste Mann im Südwesten der USA und im Norden Mexikos. Der letzte Apachenführer, der immer noch gegen die verhassten Weißen kämpfte. Er und seine Chiricahua waren die letzten Indianer, die sich im Krieg mit den Eindringlingen befanden. Ihrer kleinen Gruppe gegenüber standen auf jeder Seite der amerikanisch-mexikanischen Grenze mindestens zehntausend Mann, die sie fangen oder vernichten sollten, reguläre US-Truppen, die mexikanische Armee, Texas-Rangers, zahllose Bürgerwehren, Banden von Skalpjägern, Cowboys und Stadtbewohnern, die sich immer wieder formierten, um der „roten Gefahr“ Herr zu werden.
Die Zeiten, in denen sich die Apachen einer offenen Schlacht stellen konnten, waren schon lange vorbei. Sie waren zu wenige und die Feinde waren unvorstellbar viele. Selbst in ihren besten zeiten hätten alle Apachen-Stämme zusammen kaum mehr als eintausend Krieger stellen können. Aber mit diesen vergleichsweise wenigen Männern waren sie über Jahrhunderte ein bestimmender Faktor in der Machtpolitik des Südwestens gewesen. Sie hatten die Spanier gehindert, sich in ihrem Land niederzulassen. Zwar hatten diese teilweise auch nördlich von ihrem Stammland gesiedelt, aber die Apachen hatten ihnen dort mit ihren Raubund Kriegszügen immer stark zugesetzt und sie isoliert. Danach kamen die Österreicher und die Apachen waren es, die die Ausbreitung des Habsburgerreiches nach Norden verhinderten. Und auch der Expansionspolitik Mexikos setzten sie Grenzen. Die Mexikaner hatten zwar ihre Kolonie Nueva Mexico gegründet, aber die Apachen hatten immer wieder den Nachschub und die Anbindung an das Mutterland gestört, so dass das Gebiet schließlich 1848 an die USA fiel. Ebenso standen sie der Ausbreitung des Staates Texas im Wege. Und als schließlich die Anglo-Amerikaner von Norden kamen, waren wiederum die Apachengruppen das größte Hindernis bei deren Ausbreitung im Südwesten.
Doch die Nordamerikaner kamen in unerschöpflichen Mengen, hatten Waffen, denen die Apachen nichts entgegen zu setzen hatten und waren gut organisiert. Außerdem war das Volk nun von allen Seiten von Feinden umgeben, die in ihr Land drängten. Die Apachen reagierten auf diese Bedrohung mit einem verzweifelten, ständig andauernden Guerilla-Krieg. In dieser Form des Krieges waren sie die Meister. Nur selten fand sich eine mexikanische oder amerikanische Armeeeinheit in einer offenen Schlacht gegen die Apachen wieder. Dafür hatten sie zu wenige Krieger und jedes Menschenleben war für sie zu wertvoll.
Die Apachen griffen aus dem Hinterhalt an, lockten den Feind in Canyons, wo sie ihn, selbst ungesehen, unter Feuer nehmen oder unter heruntergerollten Felsen begraben konnten. Sie lagen im Sand vergraben, durch Pflanzenhalme atmend, bis sie unmittelbar neben ihren Gegnern aufspringen und diese töten konnten, ehe sie überhaupt wussten, was passierte. Sie lockten die Weißen in wasserlose Wüsten und vergifteten die wenigen Wasserstellen oder legten zur Nacht Schlangen oder Skorpione in ihre Decken. Ihr mächtiger Verbündeter war die harte Natur ihrer Heimat, mit der sie eins waren und die den Fremden panische Angst einjagte. Ein Apachenkrieger konnte wochenlang mit einer Hand voll Mais und einem Schluck Wasser am Tag auskommen und dabei auch bei größter Hitze täglich in unwegsamem Gelände 60 oder 70 Kilometer zu Fuß und weitaus mehr mit dem Pferd zurücklegen. Damit waren sie auch ihren härtesten Gegnern an Schnelligkeit und Ausdauer weit überlegen. Während sie jeden Winkel der Berge, Canyons und Wüsten kannten und ihre Ressourcen und ihren Schutz nutzen konnten, war diese Landschaft für die Weißen nur eine beängstigende und gefährliche Ödnis. Die Apachen liebten ihre Heimat. Zwar hatten sie früher eher in den höher gelegenen Bergregionen mit ihren weiten Kiefernwäldern, saftigen Wiesen und kristallklaren Bächen gelebt und waren erst unter dem Druck der zunehmenden Besiedelung in die tieferen und heißeren Gebiete ausgewichen, aber durch die Jahrhunderte der Flucht und des Kampfes waren sie die perfekten Wüstenkämpfer geworden.
Bisher hatten die Apachen die Feindschaft zwischen Mexiko und den USA immer ausnutzen können. Hatten sie auf der einen Seite der Grenze einen Überfall verübt, mussten sie nur in das Nachbarland wechseln, um ihren Verfolgern zu entgehen. Jetzt hatten die beiden Staaten ein Kooperationsabkommen geschlossen, dass gemeinsame Militäraktionen gegen die Apachen möglich machte und den Truppen beider Länder ausdrücklich das Recht gab, die Indianer auch auf dem Gebiet des jeweils anderen Staates zu bekämpfen.
Von dieser pausenlosen Verfolgung waren Goyathlays Männer müde, die Frauen und Kinder waren am Ende. Sie brauchten eine Ruhepause. Von amerikanischen Truppen bis nach Mexiko verfolgt, hatten sie sich in ihr altes Bergversteck in der Sierra Madre zurückgezogen.