(Tagebücher)
Wir alle – und das ist kein Gleichnis, sondern fast die Beschreibung der Wirklichkeit – wachsen auf und werden erzogen in einem Räubernest. Und erst, wenn wir erwachsen sind und uns umblicken, begreifen wir, wo wir sind und was wir treiben. Dann gilt es für jeden Einzelnen, sich zu entscheiden: die einen schließen sich den Räubern an und plündern, die andern meinen, daß sie nicht schuldig sind, wenn sie am Raube bloß teilhaben, ohne ihn gutzuheißen, besonders wenn sie sich bemühen, ihn zu verhindern; wieder andere lehnen sich auf und möchten das Räubernest am liebsten zerstören, aber sie sind schwach und ihrer sind zu wenige. Was soll man tun?
(Tagebücher)
Von den ärmsten an bis zu den begütertsten Klassen der Gesellschaft auf ist meines Erachtens die Gefräßigkeit das verbreitetste Laster unseres Lebens.
(Die erste Sprosse)
Entsetzlich sind weniger die Leiden und der Tod der Tiere als der Umstand, daß der Mensch ohne Not die edelste Regung seiner Seele, das Mitleid für die Mitgeschöpfe, in sich unterdrückt, mit Gewalt sein Herz dagegen verhärtend. Und wie tief ist es eingegraben in das Menschenherz, das Verbot, die Tiere zu töten!
(Die erste Sprosse)
Das Fleisch soll der gehorsame Hund des Geistes sein, eilends seine Gebote zu erfüllen; aber wir – wie leben wir? Das Fleisch rast und praßt, und der Geist folgt ihm hilflos und elend.
(Erinnerungen an Lew Nikolajewitsch Tolstoi)
Der Profit des einen Räubers ruft stets den Neid anderer hervor, und die gemachte Beute wird zum Gegenstande des Streites und die Ursache des Verderbens für diejenigen, die sie gemacht. Dasselbe geht bei den Hunden vor sich, und genau so ist es bei den Menschen, die zu Tieren herabgesunken sind.
(Briefe)
Erwerb auf unehrlichem Wege, durch Anwendung von List, ebenso wie der Erwerb von Bankbureaus, sind von Übel (…)
(Anna Karenina)
Land darf man, meiner Meinung nach, weder verkaufen noch kaufen, weil, wenn man es verkaufen darf, diejenigen, die Geld haben, das ganze Land aufkaufen, und dann werden sie von demjenigen, der kein Land hat, für das Recht, es zu benutzen, so viel nehmen, wie sie wollen; sie werden Geld dafür nehmen, daß man auf der Erde stehen dürfe.
(Auferstehung)
Wissen, daß irgendwo, weit von hier, die einen Menschen die anderen quälen, indem sie sie auf allerlei Weise moralisch verderben, allen möglichen unmenschlichen Erniedrigungen und Leiden unterwerfen, oder während dreier Monate fortwährend dieses Verderben und diese Quälerei der einen Menschen seitens der andern mit ansehen, – das ist etwas ganz anderes.
(Auferstehung)
Wir meinen, wirkliche Arbeit müsse etwas äußerliches sein: ein Erzeugen, Vermehren, Vermögen, Haus, Vieh, Frucht, die Arbeit an der eigenen Seele aber sei bloß eine Phantasie. Indes ist aber jede andere Arbeit außer der an der eigenen Seele, durch die die Gewohnheit des Guten vermehrt wird, nichtig.
(Tagebücher)
Mein Erwachen bestand darin, daß ich an der Realität der materiellen Welt zu zweifeln begann. Sie verlor für mich alle Bedeutung.
(Tagebücher)
Die großen Vermögen entstehen immer entweder durch Gewalt – das ist das gewöhnlichste – oder durch Geiz, oder durch einen großartigen Spitzbubenstreich, oder durch kleinere aber chronische Betrügereien.
(Aufruf an die Menschheit)
Je moralischer ein Mensch ist, um so sicherer geht er des Vermögens, das er besitzt, verlustig, und je unsittlicher er ist, um so sicherer erhält und vermehrt er sein Vermögen. Die Volksweisheit sagt: »Ist gerecht die Arbeit dein, baut sie dir kein Haus aus Stein« und »Arbeit macht nicht reich, sondern bucklig«.
(Aufruf an die Menschheit)
Es kommt die Zeit, und sie ist schon da, wo die Täuschung, welche die – mündliche – Verneinung dieses Lebens zum Zweck der Schaffung eines zukünftigen und die Anerkennung der bloßen, tierischen, persönlichen Existenz für das Leben und der sogenannten Pflicht für das Werk des Lebens ausgibt, – wo diese Täuschung der Mehrzahl der Menschen klar wird und wo nur noch durch die Not verdummte und durch ein wüstes Leben abgestumpfte Menschen existieren können, ohne die Sinnlosigkeit und Armseligkeit ihres Daseins zu empfinden.
(Das Leben)
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