Als ich verlor, was ich niemals war. Matthias Dhammavaro Jordan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Dhammavaro Jordan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783866164956
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       Wie ging mein Leben weiter?

      Danke

      Bild- und Quellennachweise

      Vorwort

      Liebe Leserin, lieber Leser,

      wir haben nur ein Leben, nämlich dieses – und es will gelebt werden – aber wie?

      Als ich mir selbst diese Frage stellte, war ich Ende zwanzig, lebte in Berlin und hatte eine kleine Gartenbaufirma. Eigentlich war alles mehr als gut – im Außen.

      Aber dann schlich sich auf einmal ein seltsames Gefühl der Ernüchterung in mein Leben, weil ich die immer wiederkehrende Veränderlichkeit aller Dinge erlebte. Damals wusste ich noch nicht, dass ich eine Grundwahrheit unserer Existenz entdeckt hatte, nämlich die, dass alles, was entsteht, auch wieder vergeht. Diese Erkenntnis ließ mich langsam, aber sicher an dem Wert der Dinge zweifeln, die ich bislang als erstrebenswert erachtet hatte.

      Dann stellten sich mir Fragen wie: Um was geht es hier in diesem Leben wirklich? Wer bin ich eigentlich? Und was ist der Sinn dieses Lebens? – und ich konnte für mich keine zufriedenstellenden Antworten finden.

      Aber eins wurde mir sehr schnell klar: Dass ich nicht so weitermachen konnte wie bisher, und ich machte mich auf den Weg …

      Ich möchte dich, liebe Leserin, lieber Leser, an einem Teil dieses Weges teilhaben lassen, wohin er mich brachte, was ich erlebt habe, welche Erkenntnisse sich einstellten.

      Vielleicht ermutigt es auch dich, deinen Weg zu gehen, dich nicht von Ängsten, Sorgen oder Zweifeln leiten zu lassen, sondern mit deiner eigenen Kraft, Freude und Weisheit in Berührung zu kommen, um am Ende deines Lebens sagen zu können: Ich habe mein Leben gut gelebt. Ich wünsche dir beim Lesen viel Freude und erkenntnisreiche Momente.

      Mit guten Gedanken

       Matthias Dhammavaro Jordan

      „Hey, Anna, was meinst du, was ist der Sinn des Lebens?“

      „Du stellst Fragen!“, antwortete sie und blickte kurz zu mir herüber, während sie die letzten Gabeln voll Reis in ihren Mund schob. „Nein, jetzt mal ehrlich. Hast du dich das noch nie gefragt? Um was geht’s hier eigentlich wirklich? Jetzt sind wir schon zirka sechs Wochen in Asien unterwegs und ich frage mich, was wir hier eigentlich machen? Das war doch alles ganz schön anstrengend, oder?“ „Naja, klar war es anstrengend, aber es war doch auch schön – oder etwa nicht?“

      Wenn ich jetzt nein gesagt oder es angezweifelt hätte, würde sie mir ihren leicht vorwurfsvollen Blick zuwerfen, und das wollte ich vermeiden. Darüber hinaus wollte ich ihr auch nicht das Gefühl geben, dass mir das alles keinen Spaß gemacht hätte. Natürlich machte es auch Spaß, herumzureisen. Aber irgendwie war ich so satt von alledem und hatte keine Lust mehr, irgendwohin zu reisen. Aber es schien so, dass sie keine weitere Antwort von mir erwartete, und sie machte sich jetzt über den süßen Nachtisch her.

      Wir hatten eine sehr schöne Zeit am Lake Toba in Sumatra verbracht, reisten durch Indonesien, waren in Malaysia, aber zuvor waren wir in Thailand auf Koh Samui gewesen, wohin wir auch gerade wieder zurück wollten, um dort die letzten Wochen unserer gemeinsamen Reise am Strand zu verbringen, bevor Anna nach Japan fliegen wollte.

      Wir hatten nämlich nach einer Dschungeltour in einem Gästehaus auf Sumatra einige junge Europäerinnen getroffen, die gerade von einem Arbeitsaufenthalt aus Japan zurückgekommen waren, und sie erzählten, wie viel Geld man dort mit verschiedensten Jobs verdienen könne.

      Da Anna und ich noch keine genauen Pläne hatten, was als Nächstes anstehen würde, entschied sie sich, es mal in Japan zu probieren. Wir hatten Zeit, wir hatten Geld, aber das wurde jeden Tag weniger.

      Wir besprachen ihr Vorhaben, besprachen alles, was daran hing, auch unsere Beziehung, und waren uns schließlich einig, dass sieben Monate ja keine Ewigkeit sind.

      Ich würde wieder nach Berlin gehen, Garten- und Landschaftsbau machen, und dann würden wir uns im kommenden Winter wieder in Bangkok treffen. Uns verblieben jetzt noch gut drei gemeinsame Wochen in Asien.

      Es war eine lange Zugfahrt zurück nach Thailand. In Surat Thani angekommen, erwischten wir noch die Nachtfähre nach Koh Samui, landeten dort morgens um sieben Uhr, nahmen ein Taxi und waren wieder am Chaweng Beach angekommen. Darüber waren wir sehr froh. Endlich ausspannen, keine überfüllten Busse mehr, keine billigen Hotels mit übergelaufenen Klos, kein frühes Aufstehen mehr, um irgendeinen Bus nach irgendwohin zu erwischen.

      Anna und ich freuten uns auf ruhige Tage mit Sonne, Strand und Meer.

      Aber es war wirklich so, dass ich mir viele Fragen über den Sinn und Zweck unserer Reisen stellte. Und diese Fragen weiteten sich auf alles Mögliche aus, bis ich schlussendlich zu der Frage kam: Was ist eigentlich der Sinn dieses Lebens, um was geht es hier wirklich?

      Wir hatten auf unserer Reise auch viel Leid und Elend gesehen: kleine Kinder, die verwahrlost bettelten, alte und kranke Menschen, die auf der Straße lebten, gestresste, überarbeitete Rikscha-Fahrer, aggressive Jugendliche, die sich mit Messern bedrohten, und vieles mehr.

      Anna schien an diesen Fragen kein gesteigertes Interesse zu haben, sondern genoss in ihrer Leichtigkeit unsere gemeinsame Reise.

      Am Abend desselben Tages saß ich am Strand im warmen Sand, die Sonne war am Untergehen, der blaue Himmel von leichten Wolken betupft, ein wundervolles Farbenspiel, ganz leichte Wellen bewegten sich auf dem großen, weiten Meer und ich ließ meinen Blick am Horizont ruhen.

      Ich fühlte eine Sattheit in mir, keine Sehnsucht nach neuen Ländern, keine Sehnsucht nach noch mehr Erfahrungen und Erlebnissen. Ich war irgendwie müde von dem ganzen Umherreisen der letzten Wochen, doch es war keine körperliche Müdigkeit.

      Ja, ich weiß, unsere Freunde in Berlin beneideten uns dafür, dass wir die Zeit hatten, zu reisen und tolle Erlebnisse zu haben, ja, das mag alles sein. Aber da waren nur diese ständigen Erfahrungen, und ich hatte nichts gefunden, was mich wirklich begeistert oder gar erfüllt hätte.

      Menschen sind überall ziemlich gleich, dachte ich mir, nur die Kulturen sind anders. Alle suchen sie ihr Glück auf den verschiedensten Wegen, alle wollen Unwohlsein vermeiden und ihr Wohlsein mehren – um es mal auf diese einfache Formel zu bringen.

      Hatte nicht Laotse einmal gesagt: Der Weise verlässt nie sein Haus und kennt trotzdem die ganze Welt?!

      Irgendwie beschlich mich schon länger dieses eigenartige Gefühl, dass es nirgends etwas zu finden gebe, was mir als ewiger Wert erhalten bleibt. Falls es so etwas tatsächlich gibt, dann hatte ich es noch nicht gefunden oder irgendwie übersehen. Auch die großen Wellen des Meeres kommen und bleiben nicht, und die kleinen schon gar nicht. Ja, irgendwie kommt und geht alles wieder. Und jetzt geht Anna auch noch nach Japan.

      Ich erschrak bei dem Gedanken, oder besser bei dem Gefühl, dass ich da sogar eine seltsame Erleichterung spürte und ich mich auf eine Zeit mit mir alleine freute. Was war das denn? Sollte ich nicht traurig sein? Abschiedsschmerz fühlen? Nein, nichts davon war spürbar.

      Ich mochte Anna sehr. Ob ich sie liebte? Was heißt das schon?

      Das Wort Liebe habe ich noch nie gerne benutzt. Auch das Wort Glück hatte ich nicht in meinem Wortschatz. Diese beiden Worte hatten für mich immer etwas Verdächtiges. Vielleicht, weil ich hinter deren Bedeutung eine Art ewiges Verweilen erhoffte, was ich allerdings noch nicht erlebt hatte.

      Ich glaube, ich habe noch nie gesagt: „Ich bin glücklich.“ Zu diesem Wort hatte ich schon immer ein gespaltenes Verhältnis; denn Glück ist für mich ein Gefühl, das