Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sie sich die Zeit nehmen, Schritt 4 auszuführen, auch wenn dies eine Konfrontation und eine Herausforderung darstellt. Es kann jedoch sein, dass Ihr Verstand versucht, diesen Prozess zu stören; möglicherweise erzählt er Ihnen ein paar sehr wenig hilfreiche Geschichten: Ist doch egal, wenn er leidet. Er verdient es. Er hat es sich selbst zuzuschreiben. Warum sollte es mir etwas ausmachen? Wenn Ihr Verstand so mit Ihnen spricht, haben Sie zwei Optionen. Die eine besteht darin, sich vollkommen in der Geschichte zu verfangen und es zuzulassen, dass sie Ihr Verhalten kontrolliert. Wenn Sie sich für diese Option entscheiden, haben Sie eine Garantie auf noch mehr Konflikt und Spannung.
Die andere Option besteht darin, die Geschichte wahrzunehmen, ohne sich in ihr zu verfangen – nehmen Sie sie wahr, als würden Sie auf der anderen Straßenseite einen alten Freund erblicken. Sagen Sie zu sich selbst:
„Aha! Ich kenne diese alte Geschichte. Die habe ich schon mal gehört.“ Überlegen Sie dann einen Moment: „Was passiert, wenn ich mich in diese Geschichte verbeiße, wenn ich es zulasse, dass sie mich verzehrt?“ Fragen Sie sich: „Wird es mir helfen, meine Beziehung neu aufzubauen oder zu vertiefen, wenn ich dieser Geschichte all meine Aufmerksamkeit schenke und es zulasse, dass sie mein Verhalten diktiert?“ Indem Sie dies tun, lernen Sie einen wichtigen Teil von Achtsamkeit: die Fähigkeit, zu bemerken, was Ihr Verstand sagt, und zu entscheiden, wie Sie darauf reagieren – ob Sie sich an diesen Gedanken festklammern oder ob Sie den Griff lösen und loslassen wollen.
Das Wahrnehmen Ihres gemeinsamen Schmerzes ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg vom Konflikt zur Lösung. Wenn Sie wahrhaft erkennen, dass Sie beide leiden, wird es Ihnen leichter fallen, sich Fürsorge und Mitgefühl zu widmen. Beide sind wesentliche Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der Lebendigkeit und Liebe in Ihrer Beziehung.
Falls Ihr Partner bereit ist
Diese Übung soll Ihnen und Ihrem Partner helfen, zu erkennen und anzuerkennen, auf welche Weise Sie beide leiden. Hoffentlich unterstützt Sie sie dabei, Mitgefühl füreinander zu entwickeln.
1. Arbeiten Sie sich beide durch alle vier oben beschriebenen Schritte durch. Wenn Sie fertig sind, lesen Sie sich gegenseitig Ihre Antworten zu den Schritten 1 und 2 vor. (Falls Sie nicht gerne schreiben, können Sie auch sprechen.)
2. Üben Sie sich im „Einlassen“, während Ihr Partner spricht. Seien Sie mit anderen Worten achtsam: Schenken Sie ihm mit einer neugierigen und offenen Haltung Ihre volle Aufmerksamkeit. Achten Sie auf seinen Tonfall, auf seine Gesichtsausdrücke, auf seine Körpersprache und auf seine Wortwahl. Seien Sie wirklich neugierig auf die Gedanken, Ideen oder Einstellungen, die er preisgibt. Lassen Sie Ihren Drang los, zu unterbrechen, sich zu verteidigen oder zu kontern. Hören Sie so zu, als lauschten Sie einer großartigen Rede eines Ihrer absoluten Helden. Sich vollkommen einzulassen, ist eines der größten Geschenke, das Sie Ihrem Partner machen können. Es ist eine wirksame Möglichkeit, folgende Botschaft zu senden: „Ich interessiere mich für dich. Du bist mir wichtig.“ Aber glauben Sie mir nicht einfach: Überprüfen Sie Ihre eigene Erfahrung. Wie fühlen Sie sich, wenn jemand Ihnen auf diese Weise Beachtung schenkt? Besonders? Wichtig? Respektiert?
3. Besprechen Sie schließlich Schritt 4 und schauen Sie, wie genau Sie die Gefühle Ihres Partners erraten haben. Möglicherweise sind Sie überrascht – entweder darüber, wie richtig Sie liegen, oder darüber, wie weit daneben Sie liegen.
Von Konflikt zu Mitgefühl
Wie fühlen Sie sich, wenn Ihr bester Freund, ein geliebter Verwandter, Ihr Kind oder Ihr Hund leidet? Sie sehen ihren Schmerz, und natürlich wollen Sie ihn lindern. Sie wollen etwas Gutes tun, um ihnen zu helfen, um sie zu unterstützen. Das muss Ihnen niemand beibringen; es geschieht instinktiv. Wir nennen dies „Mitgefühl“. Wenn wir unser Mitgefühl einschalten und es unsere Handlungen leiten lassen, reichen wir anderen die Hand und verhalten uns ihnen gegenüber freundlich und gütig.
Leider versäumen wir es nur allzu oft, zu erkennen, wann unser Partner Schmerzliches erlebt. Oder wir ignorieren es oder tun es ab. Oder, noch schlimmer, wir sind davon überzeugt, dass „er es verdient“. Derartige Reaktionen sind sehr verbreitet, aber sie sind auch sehr wenig hilfreich; sie vergiften eine Beziehung eher, als sie neu zu beleben. Mitgefühl ist das Gegenmittel zu diesem Gift. Mitgefühl kann das, was passiert ist, nicht ändern, aber es ist ein Balsam, das zur schnelleren Heilung der Wunden beiträgt.
Der erste Schritt beim Mitgefühl besteht einfach darin, zu erkennen, dass Ihr Partner Schmerzliches erlebt. Er ist kein gefühlloser Hai; er ist ein Mensch. Und genau wie Sie leidet er.
Der nächste Schritt besteht darin, mit Ihrer natürlichen Güte in Kontakt zu treten. Hierbei kann Ihnen die Technik helfen, sich Ihren Partner als einen kleinen Jungen oder ein kleines Mädchen vorzustellen: aufgewühlt, zitternd oder weinend. Ja, Ihr Partner hat den Körper eines Erwachsenen, aber tief im Inneren ist ein kleines Kind, das leidet. Stellen Sie sich also diesen kleinen Jungen oder dieses kleine Mädchen vor, wie er oder sie leidet – und schauen Sie, ob Sie einige gütige Gedanken oder Gefühle für dieses Kind übrig haben.
Vielleicht sind Sie jetzt noch nicht dazu in der Lage; vielleicht sind Sie zu verletzt oder zu wütend. Falls ja, kein Problem. Erkennen Sie einfach an, dass Sie sich gerade an diesem Punkt befinden, und seien Sie gut zu sich selbst.
Nehmen Sie sich im Laufe der nächsten Wochen jedes Mal, wenn Sie infolge eines Konflikts leiden, einen Moment Zeit, um über dieses Kapitel nachzudenken: um anzuerkennen, dass Ihnen etwas weh tut – und Ihrem Partner ebenfalls. Und schauen Sie, ob Sie Mitgefühl empfinden können.
Haben Sie gleichzeitig auch etwas Mitgefühl für sich selbst; Sie brauchen es ebenso sehr wie Ihr Partner. Mit der Zeit werden Sie dann einen Wandel bemerken: Sie werden spüren, dass Ihr Herz sich öffnet, statt sich zu verschließen. Genießen Sie es, wenn Sie es bemerken; dies ist eine der wenigen Freuden des Lebens, die es umsonst gibt.
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