Empathie
Carl Rogers (2002) definierte Empathie als ein „genaues Verständnis der Welt [des Klienten], wie sie von innen aussieht. Um die Welt [des Klienten] so zu sehen, als wäre sie die eigene“. Sie besteht darin, dass man „eine emotionale Antwort hat, die der Antwort eines anderen Menschen ähnlich ist“ (Bohart & Greenberg, 1997, S. 23). Empathie geht über kognitive Einschätzung hinaus, denn zu ihr gehört ein Felt Sense (gefühlte Wahrnehmung) dessen, was der andere Mensch erlebt oder wahrnimmt (Feshbach, 1997; Lazarus, 1991). Empathie gilt in der Psychotherapie als allgemeiner Faktor, der „für ebenso viel oder möglicherweise noch mehr Varianz eines Ergebnisses verantwortlich ist wie spezifische Interventionen“ (Bohart, Elliott, Greenberg & Watson, 2002, S. 96).
Man kann mit praktisch jeder menschlichen Emotion Empathie empfinden – mit Freude, Kummer, Begeisterung, Langeweile. Mitgefühl aber ist eine spezielle Form von Empathie, insofern es Empathie mit Leiden ist (in Verbindung mit dem Wunsch, es zu mildern). Leiden ist eine Vorbedingung für Mitgefühl. Da der Sinn von Therapie darin besteht, emotionales Leiden zu mildern, scheint es so zu sein, dass Mitgefühl in der Geschichte der Psychotherapie wahrscheinlich von Empathie verdeckt war. Systematische Bemühungen, Empathie zu kultivieren, sind auf dem Gebiet der Psychotherapie immer noch relativ selten (Shapiro & Izett, 2008), aber das kann sich in dem Maß ändern, wie alte buddhistische Praktiken und Übungen von Mitgefühl in die moderne Psychotherapie integriert werden.
Sympathie
Sympathie ist „eine emotionale Reaktion, die auf der Wahrnehmung des emotionalen Zustandes eines anderen Menschen beruht und zu der Gefühle von Anteilnahme und Sorge für den anderen Menschen gehören“ (Eisenberg et al., 1994, S. 776). Zu Sympathie gehört ein reaktives, antwortendes Element, das auf früherer Erfahrung beruht, während Empathie ein Spiegel des inneren Zustandes eines anderen Menschen ist. Es scheint bei Empathie mehr achtsame Bewusstheit zu geben als bei Sympathie.
Liebe
Therapeuten tendieren dazu, den Begriff Liebe zu vermeiden, besonders bei ihren Patienten, denn er hat mehrere Bedeutungen – es gibt Elternliebe, universelle Liebe und romantische Liebe –, und das kann leicht zu Missverständnissen führen. Aber das Wort Liebe behält immer noch eine sinnliche Fülle, die helfen kann, die Bedeutung von Mitgefühl zu erhellen. Lynne Underwood (2009) zieht den Begriff mitfühlende Liebe dem einfachen Mitgefühl vor, weil er mehr emotionales Engagement enthält.
Mitgefühl im buddhistischen Kontext kann auf einen Beobachter von außen eher distanziert als lebendig erfüllt wirken (Götz, 2010). Diese Wahrnehmung liegt an der Qualität von Gleichmut – die Fähigkeit, die Höhen und Tiefen unseres emotionalen Lebens in offenherzigem Bewusstsein zu halten. Zum Beispiel kann es sein, dass eine Tochter im Teenageralter ihre Mutter vorübergehend ablehnen muss, um Unabhängigkeit zu entwickeln, bevor sie in die Welt hinaus geht. Wenn eine Mutter diesen Prozess wirklich versteht, wird sie ihren Schmerz, ihre Angst oder vielleicht auch ihren Ärger empfinden können, ohne zu stark zu reagieren. Gleichmut hindert uns nicht daran, vor Freude zu hüpfen oder uns in Tränen aufzulösen, aber er gibt uns die Freiheit, Emotionen in verschiedenen Situationen auf eine wirksame Weise auszudrücken, während wir dabei mit anderen emotional verbunden bleiben.
Liebende Güte (mettā) ist ein „innerer Zustand, in dem es darum geht, dass alle Lebewesen glücklich sein mögen“, und Mitgefühl (karunā) ist „der Wunsch, dass alle Lebewesen frei von Leiden sein mögen“ (Dalai Lama, 2006). In der buddhistischen Tradition werden Übungen Liebender Güte gewöhnlich vor Übungen von Mitgefühl gelehrt, weil Mitgefühl schwieriger ist. Es kann ziemlich schwierig sein, sein Herz angesichts von Leiden offen zu halten – nicht dem Opfer Schuld zu geben oder den leidenden Menschen wegzuwünschen, um nicht mehr belastet zu sein.
Mitleid
Mitleid ist ein Gefühl der Betroffenheit von der Not anderer, das ein leichtes Gefühl der Überlegenheit enthält (Fiske et al., 2002), während Mitgefühl eine Emotion zwischen Gleichen ist. Da alle Menschen leiden, ist Leiden etwas, was uns miteinander verbindet. Wenn wir für Leiden auf eine mitfühlende Weise offen sind, fühlen wir uns weniger allein. Wenn man selbst Leiden ausblendet, kann es sein, dass man sich von anderen ein wenig entfernt fühlt, die Leiden zu bewältigen versuchen – d. h., man empfindet Mitleid. Man kann Mitleid als einen Vorläufer von Mitgefühl betrachten – als eine erste Öffnung –, aber es kann auch die ganz verbundene Erfahrung von Mitgefühl behindern, wenn Mitgefühl nicht anerkannt wird.
Altruismus
Mitgefühl bedeutet nicht nur, dass man mit jemandem mitfühlt, sondern auch, dass man versucht, die Situation zu verändern. Häufig meint man, Mitgefühl und Liebe seien nur Gefühle. Nein! Sie sind sehr anspruchsvoll und verlangen etwas. Wenn Sie Mitgefühl haben möchten, stellen Sie sich darauf ein, dass sie handeln müssen!
DESMOND TUTU (BARASCH, 2005)
Altruismus ist eine Qualität von Mitgefühl und unterscheidet sich sowohl von Empathie als auch von Sympathie. Altruismus kann man entweder als eine Motivation betrachten (Batson, 2002) oder als eine Aktivität (Monroe, 2002), zu der „gehört, dass man einander ohne Rücksicht auf persönlichen Gewinn hilft“ (Kristeller & Johnson, 2005, S. 394). Empathie und Sympathie können zu Altruismus führen, aber das geschieht nicht notwendigerweise. Mitgefühl schließt immer Altruismus mit ein.
Selbstmitgefühl
Obwohl Mitgefühl allgemein als eine Emotion oder als eine innere Haltung gegenüber anderen betrachtet wird, schließt die buddhistische Definition von Mitgefühl alle Lebewesen ein, auch einen selbst (siehe Kapitel 6 und 7). Der Dalai Lama (2000) sagt:
… Damit man echtes Mitgefühl gegenüber anderen entwickeln kann, muss man zuerst eine Grundlage haben, auf der Mitgefühl kultiviert werden kann. Diese Grundlage besteht in der Fähigkeit, Kontakt mit den eigenen Gefühlen zu haben und am eigenen Wohlsein Anteil zu nehmen … Bedingung für Sorgen für andere ist, dass man für sich selbst sorgen kann.
Viele Menschen finden es leichter, Mitgefühl mit bestimmten Wesen – mit Haustieren, Kindern, Menschen, die ihnen nahestehen – zu empfinden als mit sich selbst. Deshalb sieht die gegenwärtige Forschung keine klare, lineare Beziehung zwischen Selbstmitgefühl und Mitgefühl für andere (Neff, Yarnell & Pommier, 2011). Es macht aber Sinn, dass wir die vielen verschiedenen Teile von uns selbst, auch die weniger wünschenswerten Qualitäten, akzeptieren und annehmen müssen, um Mitgefühl mit allen Menschen haben zu können (siehe Kapitel 13). Sonst werden wir dazu neigen, in anderen abzulehnen, was wir in uns selbst nicht mögen oder ablehnen.
Mitgefühl ist eine innere Angelegenheit. Mitgefühl kann zu Ärger werden, wenn man meint, dass das leidende Individuum keine Hilfe verdient. Es kann zu Leiden werden, wenn man nicht die entsprechenden Ressourcen hat, um helfen zu können, und es kann zu Schadenfreude (Lust am Leiden anderer) werden, wenn der Mensch, der leidet, als ein Hindernis zum eigenen Glück gesehen wird. Und manchmal kann es sogar zu Wut oder Scham werden, wenn man selbst derjenige ist, der leidet (Goetz et al., 2010). Daher braucht man ein ausgewogenes (achtsames) Bewusstsein von der eigenen inneren Welt und eine innere Haltung der Freundlichkeit gegenüber sich selbst, um Mitgefühl mit anderen zu entwickeln.
Eine kurze Geschichte des Mitgefühls
Mitgefühl gehört zum Kern aller Religionen dieser Welt. Zum Beispiel war Konfuzius der erste wichtige Lehrer, der die goldene Regel formuliert hat: „Füge niemals anderen etwas zu, wovon du nicht willst, dass man es dir zufügt“ (Armstrong, 2010, S. 9). Der hinduistische Avatār Krishna sagte: „Aus reinem Mitgefühl für sie bleibe ich in ihrem Selbst, zerstöre die Dunkelheit, die aus Unwissenheit geboren wurde“ (Shankarācārya, 2004, S. 264). Jesus hat gelehrt: „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Markus