Das Erwachen zum wahren Selbst. Zensho W. Kopp. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Zensho W. Kopp
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783937883847
Скачать книгу
zu erleben. Denn es ist die aus sich selbst seiende Urquelle allen Lebens, aus der alles Leben in nie endender Fülle hervorgeht. Wir leben und atmen aus ihr, ohne uns dessen bewusst zu sein.

      Die allumfassende Ganzheit des Seins

      In der Rückbesinnung und Bewusstwerdung dieser unserer in Vergessenheit geratenen göttlichen Natur liegt der Schlüssel zur Erkenntnis unseres wahren Seins und einem sinnerfüllten Leben. Diese Erkenntnis liegt jedoch vollkommen jenseits der Möglichkeit unseres verstandesmäßigen Erkennens. Denn sie kommt aus den Tiefen einer unmittelbaren mystischen Erfahrung.

      Hier gelangen wir zu einer höheren Sichtweise, und es offenbart sich uns die Wahrheit, dass wir die ganze Zeit von einem ungeteilten, absoluten Sein erfüllt, getragen und umgeben sind. Je mehr wir uns so unserem wahren Selbst wieder zuwenden, umso mehr schwinden alle Differenzierungen und Täuschungen und umso tiefer erleben wir die allem innewohnende göttliche Einheit.

      In dieser Befreiung von unserer begrenzten, konditionierten Sichtweise werden wir mehr und mehr erkennen, dass unser Bewusstsein kein kleines, für sich bestehendes Bewusstsein ist. Vielmehr ist es ein allumfassendes, geburt- und todloses, grenzenloses Sein, das alles in sich beschlossen hält.

      Wir sind Teil einer grenzenlosen, kosmischen Wirklichkeit und zugleich, im tiefsten Grunde unseres Seins, die allumfassende Ganzheit selbst.

      Die Frage nach dem Sinn unseres Lebens ist letztlich eine Frage nach unserem wahren Selbst. Es ist die Frage nach dem, wer und was wir im Grunde unseres Wesens wirklich sind. Sie lässt sich jedoch nur beantworten, wenn wir in der mystischen Versenkung in unserem allerinnersten Wesensgrund unser wahres Selbst als das allen Wesen gemeinsame göttliche Selbst erkennen.

      Wiesbaden, Sommer 2016 Zensho W. Kopp

      Kapitel 1

      Alles ist der Eine Geist

      Unsere ursprüngliche, göttliche Natur

      Die Allgegenwart des Einen Geistes durchdringt das ganze Universum. Aller Wechsel und Wandel ist die fortschreitende Selbstentfaltung und Selbstverwandlung dieses Allgeistes. Es ist die Bewusstwerdung des unaussagbaren göttlichen Urgrundes.

      Die ganze unendliche Vielfalt unserer erlebten äußeren Erscheinungswelt ist somit die Manifestation dieses einen, allumfassenden Geistes und das Universum seine Offenbarung.

      Die dynamische Natur des Universums erstreckt sich vom kleinsten Atom bis in die großen Dimensionen der Galaxien. Alles befindet sich in unaufhörlicher Bewegung, die aber letztlich nur im Geist stattfindet. Der Geist ist die Grundlage von allem, »aus ihm, durch ihn und in ihm sind alle Dinge«, und außerhalb des Geistes existiert überhaupt nichts.

      In dem Augenblick, wenn wir unsere geistige Blickrichtung vom Äußeren abkehren und in der meditativen Schau nach innen wenden, werden wir erkennen, dass dieser Eine Geist unser wahres, göttliches Selbst ist.

      Im Dunkel des Herzens, in unserem Allerinnersten, leuchtet er als ein strahlendes Licht, das gleich einer ewigen Flamme das ganze Universum erleuchtet.

      Dieses, unser wahres Wesen, ist die allen unseren Erfahrungen zugrunde liegende Wirklichkeit. Es ist das wahre Selbst, durch das wir leben, fühlen und bewusst sind und das uns befähigt, die Welt zu erfahren. Es ist weder kommend noch gehend, allgegenwärtig, still und rein und außerhalb von Raum und Zeit. Als die reine Urquelle allen Seins ist es ungeboren und unzerstörbar, denn es ist das absolute Sein, die endgültige, tiefste Bedeutung und der Sinn allen Lebens.

      Doch diese unsere ursprüngliche, göttliche Natur ist stets von einer Vielzahl von Leidenschaften und Vorstellungen überdeckt. Das ununterbrochene Fließen des unaufhörlich Begriffe fabrizierenden Verstandes und unsere tief verwurzelten Denkgewohnheiten legen einen dunklen Schatten auf unser wahres Selbst.

      Fasziniert von diesem Schauspiel auf der Oberfläche unseres Bewusstseins sind wir unfähig, uns davon zu lösen. So befinden wir uns im Zustand der Verdunkelung und Verwirrung des Geistes und sind in unseren eigenen Projektionen gefangen. Durch diese Fehlwahrnehmung geblendet, können wir die Wirklichkeit unseres wahren Seins nicht mehr wahrnehmen. So wandern wir von Inkarnation zu Inkarnation, verloren im Leidensmeer des Samsara, dem Kreislauf von Geburt und Tod.

      Solcherart gefangen im Traum einer vermeintlichen, vielheitlichen Welt, haben wir uns selbst verloren und wissen nicht mehr, wer wir im Grunde unseres Wesens wirklich sind.

      Da diese Traumwanderung jedoch nur eine »Vision« ist, können wir von einem wirklichen Geschehen, als einem tatsächlichen Ereignis, nicht sprechen. Wir glauben zwar, uns in einer dreidimensionalen, vielheitlichen Welt von Raum und Zeit zu bewegen, die getrennt von uns existiert – doch in Wirklichkeit findet alles nur im Geist statt. Im Shraddhotpada-Shastra, einer buddhistischen Schrift aus dem 2. Jahrhundert, heißt es:

      Alle Dinge in der Welt sind unwirklich und trügerisch; es sind nur Projektionen des Geistes. Gleich den Bildern, die in einem Spiegel erscheinen, entbehren auch alle Dinge in Wirklichkeit jeder wahren Substantialität; sie sind unwahr, illusionär und »Nur-Geist«.

      Die Nur-Geist-Lehre des Zen

      Das, was wir im Allgemeinen als die Realität unserer erlebten Außenwelt bezeichnen, hat in Wahrheit nicht mehr Substanz als ein Traumgebilde.

      Mit den Worten des chinesischen Zen-Meisters Hanshan aus dem 17. Jahrhundert:

      Die Dinge dieser Welt sind nur Erscheinungen eines Traumes. Wenn man erwacht, verschwinden der Träumer und die Erscheinungen.

      Was in einem Traum lebt, muss mit dem Traum sterben; aber hinter dem Traum steht ein wahrhaftiges Sein, das nicht mit dem Traum vergeht.

      Alles, was wir in der Welt wahrnehmen, auch die scheinbare Festigkeit der Substanz, ist demnach nichts anderes als die illusorische Vorstellung des Geistes. Unsere früheren Gedanken und Handlungen haben bestimmte karmische Tendenzen in uns erzeugt, die Ursache dafür sind, dass unser Geist diese Welt projiziert, die wir jetzt erleben. Was wir als solide, konkrete äußere Welt wahrnehmen, ist in Wirklichkeit nichts weiter als eine Summe von Ereignissen und Objekten der Wahrnehmung, die sich gegenseitig bedingen und voneinander abhängig sind. Alles beruht auf einer gegenseitigen Wechselwirkung.

      Das heißt: Es gibt keine unabhängige Existenz. Die Welt, die wir erleben, existiert nicht wirklich, sie ist nichts weiter als eine Täuschung – eine aus unseren eigenen Geistesregungen hervorgegangene Manifestation.

      Wenn wir aber meinen, durch die sinnliche Wahrnehmung einer äußeren Welt auch auf ihr tatsächliches Vorhandensein schließen zu können, unterliegen wir einem gewaltigen Irrtum.

      Den einzigen Beweis, den wir hier erbringen können, ist der der Funktionsfähigkeit unserer Sinne. Doch da unser Körper und somit auch unsere Sinne nur Vorstellungen des Geistes sind, beweist das nur, dass unser Bewusstsein die Sinneseindrücke erfährt.

      Da wir die äußere Welt, die wir erleben, nur mittels unserer sechs Sinne und des Bewusstseins wahrnehmen, müssen wir uns demzufolge eingestehen, dass die einzige Welt, von der wir überhaupt sprechen können, die Welt unserer subjektiven Erfahrung ist.

      Dies bedeutet in letzter Konsequenz: Die Welt ist nichts anderes als »unsere Vorstellung«.

      Ein sehr gutes Beispiel für die Nur-Geist-Lehre ist die folgende Begebenheit aus dem 8. Jahrhundert in China:

      Die Tempelfahne über dem großen Tor des Zen-Klosters des sechsten Patriarchen Hui-neng flattert im Wind hin und her. Zwei Mönche stehen unter der Fahne und streiten sich darüber. Der eine sagt: »Schau, wie die Fahne sich bewegt«, der andere meint: »Nein, es ist der Wind, der sich bewegt.« So diskutieren sie hin und her und können sich nicht einigen.

      Plötzlich steht der sechste Patriarch hinter den beiden laut sich ereifernden Streithähnen und sagt: »Weder der Wind noch die Fahne bewegen sich. Einzig und allein der Geist bewegt