DIRK BIERMANN
Lasst uns reden: über Depression
DIRK BIERMANN
Lasst uns reden: über Depression
Eine Volkskrankheit verstehen lernen
Die Ratschläge und Übungen in diesem Buch sind vom Autor sowie Verlag sorgfältig geprüft worden. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Bei Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall ärztlichen, psychotherapeutischen oder psychologischen Rat oder den Rat eines/einer Heilpraktikerin Ihres Vertrauens einholen. Eine Haftung des Autors oder des Verlags für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
© 2020 Arbor Verlag GmbH, Freiburg
1. Auflage 2020
Lektorat: Ralf Lay
hergestellt von: mediengenossen.de
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Alle Rechte vorbehalten
E-Book 2020
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-333-4
INHALT
VORWORT
Licht ins Dunkel der Depression
GEERBT, ERWORBEN ODER SELBST SCHULD?
Eine Annäherung an die Ursachen von Depression
UND DANN WURDE MIR DAS ALLES ZU VIEL
Mögliche Auslöser für Depressionen
DAS DARF EINFACH NICHT SEIN
Depression und die Angst vor der Trauer
DEPRESSION UND SUIZID
Die Sprachlosigkeit überwinden – auch wenn es schwerfällt
VIELFALT DER SYMPTOME
Wie sich depressives Erleben im Außen zeigt
EIN SYSTEM IM AUSNAHMEZUSTAND
Wie sich Depressionen auswirken: auf den Körper, die Gefühle, das Denken, das Verhalten und die Motivation
VON GESCHLECHTERROLLEN BIS ZU DEN HORMONEN
Was es sonst noch über depressives Erleben zu sagen gibt
RETTUNGSANKER UND LEBENSBÜRDE
Warum eine klare Diagnose so hilfreich ist und eine voreilige Diagnose so heikel sein kann
»FRAU DOKTOR, MACHEN SIE DAS WEG.«
Wie Depressionen behandelt werden, behandelt werden könnten – und was gar nicht hilft
EINE ALLERLETZTE FRAGE UND EINE ALLERLETZTE ANTWORT
Ein persönliches Fazit
Zum Autor
DAS WESEN VON DEPRESSION
In Zeiten von Depression dringen Verlangsamung, Stillstand und Enge in jeden Winkel des Daseins und vermittelt uns den Eindruck, wir seien allein auf der Welt und niemand könne uns helfen. Doch das ist eine Täuschung. Diese Illusion des Getrenntseins ist das elementare Wesen von Depression. Sie webt einen tristen, grauen Vorhang, der uns immer weniger Lebendigkeit spüren lässt. Und immer weniger Verbindung: zu uns selbst, unseren Mitmenschen, unseren Haustieren, unseren Tätigkeiten, zur Natur – und letztlich vielleicht sogar zum Sinn unserer Existenz. Wenn wir die Illusion des Getrenntseins erkennen und ihre Wirkung verstehen lernen, kann Heilung beginnen. Wir fühlen uns wieder verbunden mit uns selbst und dem Leben. Mögen wir uns der Möglichkeit öffnen, dass es gelingen kann.
VORWORT
Licht ins Dunkel der Depression
Ein gebrochenes Bein, eine entzündete Zahnwurzel oder eine schwere Bronchitis – all das können leidvolle und bisweilen quälende Zustände sein. Die Ursachen und die damit verbundenen Beschwerden sind jedoch greifbar und meist verständlich. Heilkundige können die Symptome erklären und eine hilfreiche Behandlung initiieren, und die Patienten haben eine konkrete Erklärung, warum es ihnen gerade schlecht geht, warum sie leiden. Eine Depression entzieht sich alldem. Die abhandengekommene Lebensfreude, der fehlende Antrieb, die innere Leere, die vielen körperlichen Symptome und all die Schwere im Leben sind zwar deutlich spürbar und auch nach außen hin sichtbar, die Ursachen und Hintergründe bleiben jedoch meist lange Zeit schleierhaft. Das lässt direkt Betroffene wie auch das soziale Umfeld rätseln, was hier eigentlich genau vor sich geht. Es macht den Zustand der Depression etwas unheimlich und bietet viel Potenzial für Spekulation, Unverständnis und Einsamkeit. Doch das müsste es nicht. Jedenfalls nicht so ausgeprägt, wie es heute verbreitet der Fall ist.
Ob Depression, Burnout, Angst oder Panik: Fehlendes Wissen zu diesen Ausnahmezuständen des menschlichen Erlebens und Empfindens verzögert den Behandlungsbeginn. Aus Unwissenheit entsteht Unsicherheit, und so werden die belastenden Veränderungen des Gefühlslebens und die vielfältigen körperlichen Beeinträchtigungen oft verschleiert und verheimlicht. Auch dies verzögert den Genesungsprozess.
Manchmal werden depressive Symptome sogar mit Charaktereigenschaften gleichgesetzt. Das macht das zwischenmenschliche Miteinander so kompliziert. »Du bist immer so negativ, ich komme gar nicht mehr an dich ran«, monieren Angehörige und wenden sich ab – getrieben vom Eindruck, der andere habe kein Interesse mehr an der Partnerschaft oder gar eine Affäre. Dabei sind es die typischen Symptome der Depression, die diesen irreführenden Eindruck bewirken. Aufseiten der direkt betroffenen Menschen kann dieses Nichtwissen zu einer jahrelangen Odyssee durch Allgemein- und Facharztpraxen führen. Irgendwie müssen die körperlichen Symptome doch zu erklären sein!
Dieses Buch möchte Licht ins Dunkel der Depression bringen. Es zeigt auf, was depressive Symptome entstehen lassen kann und was sie aufrechthält und verstärkt. Welche Vorgänge verankern das depressive Erleben im Körper? Was hat Dauerstress mit Depression zu tun? Was verbinden Burnout und Depression – und was nicht? Wie wichtig sind die Eigenschaften Akzeptanz und Loslassenkönnen von Ereignissen, Situationen und Menschen? Und warum fällt uns dieses Loslassen oft so schwer? Gleichzeitig werden die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten skizziert. Was bewirken Psychopharmaka? Warum dürfen Beruhigungsmittel allenfalls sehr kurzfristig eingenommen werden? Und was passiert eigentlich genau bei einer Psychotherapie?
Das Wissen um diese Zusammenhänge kann für die Bewältigung zahlreicher Alltagssituationen hilfreich sein. Doch handelt es sich dabei naturgemäß um derbe Kost, und für Laien sind die Informationen zum Wesen der Depression in der Komplexität meist schwer verständlich. Deshalb habe ich als Stilmittel die Form des lebendigen Gesprächs gewählt. Der Autor spricht mit sich selbst. Diese sprachliche Darstellung folgt bewusst einer zwischenmenschlichen und alltagspraktischen Herangehensweise und weniger einer ärztlich-klinischen Perspektive. Dazu gibt es bereits viele Abhandlungen.
Dieses Buch beleuchtet zahlreiche Aspekte der Depression – und wie sich der Zustand depressiven Erlebens auf das Leben von Betroffenen und Angehörige auswirken kann. Diese Informationen sollten Angehörige jedoch keineswegs dazu verführen, die Persönlichkeit ihres Partners, Freundes oder Familienangehörigen zu durchleuchten oder ihn auf dieser Basis gar therapieren zu wollen. Aber sie können viel zum Verständnis füreinander beitragen, weil sie verdeutlichen, dass ein depressiv leidender Mensch oft nicht anders kann, als auf jene, für Depression so typische Art zu denken, zu fühlen und sich zu verhalten – und dass auch Angehörige oft gar nicht anders können, als auf die Not des anderen sowie die eigene Hilf- und Ratlosigkeit mit Stress zu reagieren.
Das alles macht aus einer Depression kein gebrochenes Bein, keine Zahnwurzelentzündung und keine Bronchitis, dennoch kann dieses Wissen helfen, den herausfordernden Alltag in Zeiten einer Depression besser zu meistern und das Verständnis füreinander, so gut es geht, zu wahren und vielleicht sogar zu fördern.