Auch wenn es uns in der Praxis der Meditation immer wieder gelingt, uns des Denkens bewusst zu sein, werden wir uns weiterhin in Gedanken verlieren. Auch dies ist ein natürlicher Vorgang in unserem Geist und wir tun gut daran, uns damit anzufreunden. Die Praxis des Gegenwärtigseins ist kein Kampf gegen unsere Tendenz, uns von Gedanken vereinnahmen zu lassen. Es ist vielmehr ein Hin- und Herpendeln zwischen dem Pol des Denkens und dem Pol der Bewusstheit. Einmal sind wir mehr in Gedanken zu Hause und ein andermal mehr im Gewahrsein.
Wenn wir in der Meditation bemerken, dass wir gerade in einem Tagtraum verloren waren, sind wir uns in diesem Augenblick dessen bereits bewusst und brauchen nichts zu kontrollieren oder zu korrigieren. Wir sind bereits erwacht. Es gibt dann keinen Grund mehr, uns über den Tagtraum zu ärgern. Der Moment des Bemerkens ist auch der Moment des Aufwachens.
• Wie ist deine innere Haltung zum Denken? Was ist wertvoll am Denken?
• Wie ist dein Erleben, wenn du ganz in Gedanken bist, und wie, wenn du dir deines Denkens bewusst bist? Wie erfährst du den Raum in dir, der sich des Denkens bewusst sein kann?
• Wenn du in einer Phase sehr stark von Gedanken vereinnahmt bist, erforsche, welche Gefühle sich unter dem Denken verbergen und lasse sie zu.
17 | Meditation als Spiegel der Seele |
Manchmal setzen wir uns zur Meditation hin und es will sich keine Ruhe in uns einstellen. Die Sorgen, die uns gerade in unserem Leben beschäftigen, drehen sich weiter im Kopf oder wir können einfach nicht damit aufhören, den Tag und die Dinge, die vor uns liegen, zu planen. Alle Versuche, etwas mehr in den gegenwärtigen Moment zu kommen, scheitern. Die Gedanken kreisen weiter oder auch seelische Zustände vereinnahmen uns völlig.
Läuft da nicht etwas falsch? Können wir da die Meditation nicht lieber gleich sein lassen oder abkürzen? Was für einen Sinn hat Meditation, wenn wir es nicht schaffen, zumindest für einige Momente in die Stille oder wenigstens zur Ruhe zu kommen? Das sind typische Fragen und Zweifel, die uns oft noch während der Meditation befallen und nicht selten dazu führen, dass wir die Übung frühzeitig abbrechen oder vielleicht sogar die Praxis ganz aufgeben.
Aber gerade im Alltag bedeutet Praxis nicht so sehr die Verfeinerung unserer Achtsamkeit oder das Eintauchen in tiefe Zustände des Gewahrseins, vielmehr dient uns die Meditation als Raum des Innehaltens und als Spiegel unseres Geistes und unserer Seele. Innehalten und einen Raum für Aufmerksamkeit zu schaffen ist für die meisten Menschen im normalen Getriebe des Alltags eine Seltenheit und auch eine Kostbarkeit. Nur in Räumen des Innehaltens werden wir uns unseres Innenlebens bewusst.
Natürlich bedeutet das nicht, dass die jeweilige Färbung, die in unserem Geist gerade da ist, sich deswegen sofort ändert. Wenn wir uns überarbeitet zur Meditation hinsetzen, dann spüren wir unsere Erschöpfung. Wenn wir voller Sorgen sind, laufen die sorgenvollen Gedanken einfach weiter. Wenn wir gerade in einem Buch lesen, werden die Szenen des Buches in unserer Meditation lebendig. Was immer gerade uns bewegt, wird zunächst den Raum unserer Praxis ausfüllen. Wieso auch sollte unser Geist an der Tür zur Praxis plötzlich seine Stimmung oder sein Thema verändern oder zurücklassen?
Auch wenn es uns nicht gefällt, ist es eine sehr natürliche Funktion des Geistes, dass alles, was uns bewegt, „nachverdaut“ wird. Wir kennen das von Kindern. Was immer Kinder gerade beschäftigt, das werden sie versuchen, im Spiel seelisch zu verarbeiten. Wenn Kinder zum Beispiel einen aufregenden Film gesehen haben, spielen sie die Szenen des Filmes nach. Diese natürliche kindliche Verarbeitung von Erlebten findet auch in uns Erwachsenen statt, allerdings nicht mehr durch äußeres Spielen, sondern innerlich durch Gefühls- und Gedankenaktivität.
Wenn wir uns diese „Verdauungszeit“ in der Meditation erlauben und unsere Praxis auch als Spiegel für Geist und Seele betrachten, dann werden wir nicht mehr darüber enttäuscht sein, wenn wir keine tiefere Erfahrung von Gegenwart machen. Wir werden dabei entdecken, dass diese bewussten Räume des Innehaltens und der Verdauung guttun und uns letztlich zu mehr Klarheit und innerem Kontakt führen, auch wenn wir uns das im Laufe der Meditation nicht vorstellen können.
• Betrachte deinen Alltag: Wie viele Räume des Innehaltens und der „seelischen Verdauung“ gibt es? Wie sehen sie aus und wie oft nutzt du sie?
• Erforsche, wie du die Alltagsmeditation erfährst, wenn du sie als Spiegel der Seele betrachtest.
• Erinnere dich daran, dass Meditation nicht nur bedeutet, zur Ruhe zu kommen, sondern auch ein Raum des Innehaltens und der Bewusstheit ist. Wie immer dein Geist gerade beschaffen ist: Es darf so sein!
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