Waldheimat. Peter Rosegger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Rosegger
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783990404829
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mir noch einmal gesund wird. – Nur“, setzte sie ganz leise bei, „das Spanlicht leckt alleweil so hin und her.“

      Wenn in einem Hause das Licht unruhig flackert, so deutet das der Glaube des Volkes: es werde in demselben Hause bald ein Lebenslicht auslöschen. Ich selbst glaubte daran, doch um die Häuslerin zu beruhigen, sagte ich: „Es streicht die Luft alles zuviel durch die Fensterfugen, ich verspür’s auch.“ Sie legte das schlummernde Kind auf das Stroh; auch das Mädchen, welches mich geholt, war schon zur Ruh’ gegangen. Wir verstopften hierauf die Fensterfugen mit Werg.

      Dann sagte das Weib: „Gelt, Peter, du bleibst mir da über die heutige Nacht; ich wüßt’ mir aus Zeitlang nicht zu helfen. Wenn er munter wird, so liest uns was vor. Gelt, du bist so gut?“

      Ich schlug das Buch auf und suchte nach einem geeigneten Lesestück. Allein, Pater Cochem hat nicht viel geschrieben, was armen weltlichen Menschen zum Troste sein könnte. Pater Cochem meint, Gott wäre gerecht und die Leute wären sündig, und die meisten Menschen liefen schnurgerade der Hölle zu.

      Es mag ja wohl sein, dachte ich mir, daß es so ist; aber dann darf man’s nicht sagen, die Leute täten sich nur grämen und des weiteren blieben sie so sündig wie früher. Wenn sie sich bessern hätten können, so hätten sie’s längst schon getan.

      Die schreckhaften Gedanken gingen durch das ganze Cochemsche Buch. Fürwitzigen Leuten gegenüber, die mich nur anhörten, der „lauten Predigerstimm“ wegen, donnerte ich die Greuel und Menschenverdammung recht mit Vergnügen heraus; wenn ich aber an Krankenbetten aus dem Buche las, da mußte ich meine Erfindungsgabe oft sehr anstrengen, daß ich während des Lesens die harten Ausdrücke milderte, die schaudererregende Darstellung der vier letzten Dinge mäßigte und den grellen Gedanken des eifernden Paters eine freundlichere Färbung geben konnte.

      So plante ich auch heute, wie ich, scheinbar aus dem Buche lesend, dem Meisensepp aus einem anderen Buche her Worte sagen wollte von der Armut, von der Geduld, von der Liebe zu den Seinen und wie darin die wahre Nachfolge Jesu bestehe, die uns – wenn die Stunde schlüge – durch ein sanftes Entschlummern hinüberführe in den Himmel.

      Endlich erwachte der Sepp. Er wendete den Kopf, sah sein Weib und seine ruhenden Kinder an; dann erblickte er mich und sagte mit lauter, ganz deutlicher Stimme: „Bist doch gekommen, Peter. So dank’ dir Gott, aber zum Vorlesen werden wir heut’ wohl keine Zeit haben. Anna, sei so gut und weck’ die Kinder auf.“

      Das Weib zuckte zusammen, fuhr mit der Hand zu ihrem Herzen, sagte aber dann in ruhigem Tone: „Bist wieder schlechter, Seppel? Hast ja recht gut geschlafen.“

      Er merkte es gleich, daß ihre Ruhe nicht echt war.

      „Tu dich nicht gar so grämen, Weib“, sprach er, „auf der Welt ist’s schon nicht anders. Weck’ mir schön die Kinder auf, aber friedsam, daß sie nicht erschrecken.“

      Die Häuslerin ging zum Strohlager, rüttelte mit bebender Hand am Schaub, und die Kleinen fuhren halb bewußtlos empor.

      „Ich bitt’ dich gar schön, Anna, reiß’ mir die Kinder nicht so herum“, verwies der Kranke mit schwächerer Stimme, „und die kleine Martha laß schlafen, die versteht noch nichts.“

      Ich blieb abseits am Tisch sitzen und mir war heiß in der Brust. Die Angehörigen versammelten sich um den Kranken und schluchzten.

      „Seid ihr nur ruhig“, sagte der Sepp zu seinen Kindern, „die Mutter wird euch schon morgen länger schlafen lassen. Josefa, tu’ dir das Hemd über die Brust zusammen, sonst wird dir kalt. Und jetzt – seid all weg schön brav und folgt der Mutter, und wenn ihr groß seid, so steht ihr bei und verlaßt sie nicht. – Ich hab’ gearbeitet meiner Tag’ mit Fleiß und Müh’; gleichwohl kann ich euch weiter nichts hinterlassen, als dieses Haus und den kleinen Garten, und den Reinacker und den Schachen dazu. Wollt’ euch’s teilen, so tut es brüderlich, aber besser ist’s, ihr haltet die Wirtschaft zusammen und tut hausen und bauen. Weiters mach’ ich kein Testament, ich hab’ euch alle gleich lieb. Tut nicht ganz vergessen auf mich und schickt mir dann und wann ein Vaterunser nach. – Und euch, die zwei Buben, bitt’ ich von Herzen: Hebt mir mit dem Wildern nicht an; das nimmt’ kein gutes End’. Gebt mir die Hand darauf. So. – Wenn halt einer von euch das Sägefeilen wollt’ lernen; ich hab’ mir damit viel Kreuzer dermacht; Werkzeug dazu ist da. Und sonst wißt ihr schon, wenn ihr am Reinacker die Erdäpfel anbaut, so setzt sie erst im Mai ein; ’s ist wohl wahr, was mein Vater fort gesagt hat, bei den Erdäpfeln heißt’s: baut mich an im April, komm’ ich, wann ich will; baut mich an im Mai, komm’ ich glei (gleich). – Tut euch so Sprüchlein nur merken. – So, und jetzt geht wieder schlafen, Kinder, daß euch nicht kalt wird, und gebt allzeit Obacht auf eure Gesundheit. Gesundheit und gutes Gewissen, das ist das beste. Geht nur schlafen, Kinder.“

      Der Kranke schwieg und zerrte an der Decke.

      „Frei zuviel reden tut er mir“, flüsterte das Weib gegen mich gewendet. Eine bei Schwerkranken plötzlich ausbrechende Redseligkeit ist ja auch kein gutes Zeichen.

      Nun lag er, wie zusammengebrochen, auf dem Bette. Das Weib zündete die Sterbekerze an.

      „Das nicht, Anna, das nicht“, murmelte er, „ein wenig später. Aber einen Schluck Wasser gibst mir, gelt?“

      Nach dem Trinken sagte er: „So, das frisch’ Wasser ist halt doch wohl gut. Gebt mir recht auf den Brunnen Obacht. Ja, und daß ich nicht vergess’, die schwarz’ Hosen legst mir an, und das blau’ Jöppel, weißt, und draußen hinter der Tür, wo die Sägen hängen, lehnt das Hobelbrett, das leg’ über den Schleifstock und die Drehbank; für drei Tag’ wird’s wohl halten. Morgen früh, wenn der Holzjodel kommt, der hilft mich schon hinauslegen. Schau aber fein gut, daß die Katz’ nicht dazu kommt; die Katzen gehen los und schmecken’s gleich, wenn wo eine Leich’ ist. Was unten bei der Pfarrkirche mit mir geschehen soll, das weißt schon selber. Nicht zu lang’ bimmeln (läuten); kostet Geld und hilft nicht viel. Meinen braunen Lodenrock und den breiten Hut schenk’ den Armen. Dem Peter magst auch was geben, daß er heraufgegangen ist. Vielleicht ist er so gut, und liest morgen beim Leichwachen was vor. Es wird ein schöner Tag sein morgen, aber geh’ nicht zu weit fort von heim, es möcht’ ein Unglück geschehen, wenn draußen in der Lauben das Licht brennt – Nachher, Anna, such’ da im Bettstroh nach; wirst einen Strumpf finden, sind etlich’ Zwanziger drin.“

      „Seppel, streng’ dich nicht so an im Reden“, schluchzte das Weib.

      „Wohl, wohl, Anna – aber aussagen muß ich’s doch. Jetzt werden wir wohl nicht mehr lang’ beisammen sein. Wir haben uns zwanzig Jahre gehabt, Anna. Mußt nicht weinen, Anna, mußt nicht weinen, du bist mein alles gewesen; kein Mensch kann dir’s vergelten, was du mir bist gewesen. Das vergess’ ich dir nicht im Tod und nicht im Himmel. Mich gefreut’s nur, daß ich in der letzten Stund’ noch was mit dir reden kann, und daß ich gleichwohl soviel bei Verstand bin.“

      „– Stirb doch nicht gar hart, Seppel“, hauchte das Weib und beugte sich über sein Antlitz.

      „Nein“, antwortete er ruhig, „bei mir ist’s so, wie bei meinem Vater: leicht gelebt und leicht gestorben. Sei nur auch du so und leg’ dir’s nicht schwer. Wenn wir nun auch wieder jedes allein ankommen, zusammen gehören wir gleichwohl noch und ich heb’ dir schon ein Platzel auf im Himmel, gleim (nahe) an meiner Seit’, Anna, gleim an meiner Seit’. Nur das tu’ um Gottes willen, die Kinder zieh’ gut auf.“

      Die Kinder ruhten. Es ward still und mir war, als hörte ich irgendwo in der Stube ein leises Schnurren und Spinnen. –

      Plötzlich rief der Sepp: „Anna, jetzt zünd’ die Kerzen an!“

      Das Weib rannte in der Stube herum und suchte nach Feuerzeug; und es brannte ja doch der Span. – „Jetzt hebt er an zu sterben!“ wimmerte sie. Als aber die rote Wachskerze brannte, als sie ihm dieselbe in die Hand gab, als er den Wachsstock mit beiden Händen umfaßte und als sie das Weihwassergefäß vom Gesimse nahm, da wurde sie scheinbar ganz ruhig und betete laut: „Jesus, Maria, steht ihm bei! Ihr Heiligen Gottes, steht ihm bei in der höchsten Not, laßt seine Seele nicht verloren