Was früher als „Manager-Krankheit” bekannt wurde, ist mittlerweile eine häufig auftretende Erscheinung. Es ist nicht nur der Stress allein, es ist vor allem die Angst, nicht mehr alles zufriedenstellend zu erreichen. Es ist die Angst davor, nicht pünktlich fertig zu werden, mangelndes Selbstvertrauen und die Sorge, nicht gut genug zu sein, vor allem im Beruflichen. Daher könnte man auch von einer Angst-Krankheit sprechen. In Japan gibt es sogar ein eigenes Wort für den Tod durch Überarbeitung: Karoshi.
Überarbeitung bis hin zum Tode - das klingt schockierend. Die gute Nachricht ist: Nicht nur dir und mir geht es so. Vor allem höher Qualifizierte und Unternehmer sind Opfer dieser Angst-Krankheit. Johannes Siegrist ist Medizinsoziologe der Universität Düsseldorf und erforschte in mehreren Studien den Zusammenhang zwischen Stress in der Arbeitswelt und die dadurch auftretenden Krankheiten oder wie er die oftmals auftretende Situation nannte: Gratifikationskrise. Nach seinem Modell der sogenannten Gratifikationskrise erkrankt ein Mensch dann durch Stress, wenn er sich stark verausgabt, allerdings nicht in angemessenem Maße dafür entschädigt wird. Diese Entschädigung bezieht sich nicht rein auf das Gehalt, sondern ebenfalls auf Arbeitsplatzsicherheit, Einfluss, Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten.1 Wir lassen uns mittlerweile von und in der uns gegebenen Zeit tyrannisieren. Der Wirtschaftsjournalist und Autor Stefan Klein beschreibt es wie folgt: „Lieber reich und müde als gesund und wach”.2
Bereits im Jahr 2001 haben die Wirtschaftswissenschaftler Winfried Panse und Wolfgang Stegmann veröffentlicht, dass Angst nicht nur ein Karriereblocker ist, sondern in der deutschen Wirtschaft auch Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe pro Jahr verursacht. Denn dazu zählt nicht nur der Ausfall durch Krankheit oder Kündigung selbst, sondern beispielsweise auch Medikamenten- und Alkoholmissbrauch. All das muss die deutsche Wirtschaft jedes Jahr extra erwirtschaften, um den Kreislauf finanziell dennoch aufrecht zu erhalten. Seit dem Veröffentlichen dieser Zahlen sind fast 20 Jahre vergangen und die Zahlen steigen in beängstigendem Maße weiter an.
Die Krankenkasse AOK zählte 2018 im Durchschnitt rund sechs Burnout-Fälle je 1.000 Mitglieder, wohingegen es 2008 noch zweieinhalb waren und 2005 gerade mal einer.3 Tendenz steigend. Damit hat sich die Diagnose-Häufigkeit in den letzten 15 Jahren versechsfacht.
WIE MACHT ES SICH BEMERKBAR?
Das Burnout ist ein richtiger Halunke, denn bei jedem schlägt er anders zu. Daher ist es sehr schwierig, ein einheitliches Symptombild zu definieren. Burnout selbst eher als Symptom zu sehen. Die Ursache liegt im Betroffenen verankert, meist durch alte Muster und damit verbundene hohe Erwartungen an sich selbst. Mit kleinen aber sicheren Schritten kommt es immer näher: viele Betroffene schildern Anzeichen, die sich langsam eingeschlichen und die sie zu lange ignoriert haben. Anfangs denken diese Personen nach Feierabend noch an die Arbeit und grübeln viel. Es fällt immer schwerer richtig abzuschalten und Schlaf wird mehr und mehr überbewertet. Dadurch wird es schwieriger sich zu konzentrieren, was einen Leistungsabfall zur Folge hat. Dies wiederum gibt dem Betroffenen weiter Ansporn, viel zu denken und zu grübeln. Im schlimmsten Fall noch mehr zu arbeiten, um das Leistungsdefizit wieder auszugleichen. Obwohl das immer unwahrscheinlicher wird, leistet der Betroffene zusätzliche Arbeiten. So wird er immer müder, unzufriedener und die Qualität der Arbeit immer schlechter. Dies ist eine Abwärtsspirale aus der ein Entkommen mit jedem Tag schwieriger wird.
Dadurch gerät die Work-Life-Balance ins Schwanken und der erhöhte Arbeitseinsatz nimmt die Freude an der Arbeit. Dadurch verschlechtert sich die Laune und Betroffene werden ihren Mitmenschen, Kollegen und sogar Chefs zynisch gegenüber und wirken unzufrieden. Kritik wird immer häufiger persönlich genommen, einfache Gespräche eskalieren schnell, die Lautstärke ist nicht mehr der Diskussion angemessen.
WER IST GEFÄHRDET?
Perfektionisten, die ihre Aufgaben zu 110% erledigen möchten
Idealisten, die sich unerreichbare Ziele setzen
Personen, die sich stark mit der Arbeit identifizieren
Personen, die sich für unersetzbar halten
Unternehmer, die rund um die Uhr erreichbar sind und sich keine Pause gönnen
Empathische Menschen, die sich zu sehr in ihre Umwelt hineinversetzen (zu ausgeprägtes „Helfer-Syndrom”)
In der Regel sind es Menschen, die ihren persönlichen Wert durch den Beruf definieren. Das können soziale Berufe wie Lehrer, Altenpflege- oder Krankenhauspersonal sein, die sich nicht angemessen entschädigt oder gewertschätzt fühlen. Ebenfalls aber höher Qualifizierte, die sich selbst hohen Druck aussetzen bzw. diesen sich selbst machen. Auch immer mehr junge Unternehmer sind betroffen. Sie haben meist ein starkes Interesse an sich zu arbeiten und sind sehr empfänglich für sogenannte Motivations-Tschakka-alles-ist-möglich-Hypes, welche durch die sozialen Medien und Events weitaus leichter zugänglich sind als noch vor wenigen Jahren. Kaum eine Postkarte kommt heutzutage noch ohne Motivationsspruch aus. Fast jeder arbeitet an seiner eigenen Motivation oder die der anderen, bis man top motiviert ist. Oder tot motiviert.
Per se ist Motivation nichts Schlechtes, doch auch hier macht die Dosis das Gift. Genau wie bei Stress ist die Balance ausschlaggebend. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn der Betroffene hohe Ansprüche an sich selbst stellt und zudem sein Partner oder Vorgesetzter psychopathisch oder gar narzisstisch veranlagt ist. Narzissmus beschreibt eine ausgeprägte Form von Selbstverliebtheit oder -bewunderung mit Geltungsdrang. Ein Narzisst zeichnet sich durch übersteigertes Selbstbewusstsein aus, was allerdings immer wieder durch Aufmerksamkeit bestätigt werden muss. Er ist ungeduldig und hat einen mangelnden Willen, andere in die eigenen Entscheidungsfindung einzubinden. In erster Linie sucht er Fans, die ihn bewundern – keine Kollegen. Ein Narzisst ist ein König des ersten Eindrucks und weiß, wie er charmant und charismatisch wirkt. Zuletzt fehlt ihm die Empathie für seine Mitmenschen, auch wenn er sie sich zu einem gewissen Teil antrainieren kann. Er weiß sie zu benutzen, fühlt sie aber nicht, was ihn so gefährlich macht. Stefan Röpke von der Charité in Berlin untersuchte in einer Studie das Gehirn von Narzissten und konnte dabei feststellen, dass ihre Großhirnrinde deutlich dünner ist. Und genau in jener sitzen die Nervenzellen, welche für unser Mitgefühl verantwortlich sind.
Narzissten sind keine Seltenheit in der Geschäftswelt. Wenn diese beiden Extreme der Perfektion und des Narzissmus' aufeinandertreffen, ist ein Burnout vorprogrammiert. Während der eine sich immer mehr verausgabt und beispielsweise aufgrund alter Muster regelmäßig über seine Grenzen geht, muss der andere gar nicht darum bitten und erhält genau das, was er möchte: vollen Einsatz und Bewunderung. Im Falle eines Narzissten weiß jener sogar genau, welche Knöpfe er bei seinem Mitarbeiter oder Partner drücken muss, damit er immer weiterläuft. Man kann sich das bildhaft vorstellen wie der Esel mit der Karotte vor den Augen. Je schneller das Tier läuft, desto mehr hofft es auf die Belohnung, doch in Wahrheit verringert sich der Abstand unter keinen Umständen. Sollte der Fleißige also irgendwann keine Kraft mehr haben der Karotte nachzueifern, so wird er kurzerhand ersetzt und die von