2.7 Verhalten des Menschen
Das Verhalten ist die äußerlich beobachtbare und entsprechend beschreibbare Aktivität des Menschen211 und steht im Gegensatz zu dessen innerer Haltung, zu dessen innerem Antrieb oder zu dessen Gesinnung. Es ist außer dem Erleben ein Betrachtungsgegenstand der Verhaltensforschung bzw. der Psychologie. Nach Kurt Lewin ist das Verhalten eine Funktion von Anlage und Umwelt des Menschen.212 Es zeigt sich z. B. im Lachen, Weinen, Rennen, Schlagen, Sprechen, Bewegen und Berühren. Übrigens: „Wenn zwei das Gleiche tun, so ist das nicht dasselbe“ (Terenz). Und für die Menschenführung gilt: „Das beobachtbare Verhalten einer Führungskraft äußert sich in ihrem Führungs- bzw. Erziehungsstil.“*213 Das Verhalten ist auch durch Introspektion feststellbar (In-sich-selbst-Hineinsehen), das sich aus Neugier, Angst und Begierden ergibt und zu bestimmten Reaktionen führt, z. B. zu gestörtem, auffälligen Verhalten. Wir können in dialektischer Sicht positives und negatives Verhalten unterscheiden.
► Thesen: Als Grundsatz positiven Handelns kann man – ähnlich wie es der kategorische Imperativ von E. Kant aufzeigt – folgendes Anliegen sehen: „Man muss den Nächsten so behandeln, wie man von ihm behandelt sein will“ (A. Nobel). Oder frech gesagt: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg doch einfach andern zu“ (Graffito). Auch gilt: „Das menschlichste Verhalten ist immer noch, Mensch für einen anderen Menschen zu sein“ (G. Kropp).
Von Christen wird ein besonders positives Verhalten erwartet: „Die wahre Religiosität zeigt sich im gesamten Verhalten des Menschen“ (Kaiser Wilhelm I.). Vor allem für den Christen ist jeder Mensch zu respektieren. Aber: „Der Glaube allein ist kein Garant für heilsames Verhalten“ (Dalai Lama). Vor allem ist das keine Frage der Bildung: „Die Bildung eines Menschen zeigt sich am deutlichsten in seinem Verhalten gegenüber Ungebildeten“ (P. Sirius). Und: „Wenn du ein großer Mensch werden willst, verhalte dich wie einer“ (Sprichwort). Was zeigt am besten den Charakter eines Mannes? „Nichts zeigt besser den Charakter eines Mannes als die Art und Weise, wie er sich den Frauen gegenüber verhält“ (Voltaire). Auch: „Wer das Verhalten eines Menschen einschätzen möchte, sollte sein Auftreten gegenüber Kindern prüfen: „Es gibt kaum ein besseres Erkennungszeichen für Menschen, als ihr Verhalten zu Kindern“ (H. Lhotzky). Vor allen für Kinder gilt: „Nichts fällt so sehr auf, wie das, was man verbergen will“ (A. Jarosch). Wie wird man erwachsen? „Erwachsen wird man nicht dadurch, dass man wie ein Erwachsener aussieht, sondern dadurch, dass man sich wie einer verhält (J. Seifert). Und: „Erwachsen wird man, wenn man damit aufhört, sich für den Nabel der Welt zu halten (A. Rahn).“
► Antithesen: Bei dem Streben nach positivem Verhalten sollten wir aber nicht vergessen: „Gute Absichten entschuldigen nicht böses Verhalten“ (Sprichwort). „Leider gibt es in unserer Welt viel zu viel Böses.“* Das gilt nicht nur für den Morast in unserer Gesellschaft ganz unten: „In je höhere Kreise man kommt, umso affiger verhalten sich die Leute“ (S. Latzel). Dazu passt: „Ihre Einbildung beeinflusst das Verhalten viel stärker als ihre Ausbildung (Querulix). Und zum Schluss: „Die Argumente, mit denen wir unser Verhalten rechtfertigen, sind normalerweise dümmer als unser Verhalten selbst (N.G. Davila).
► Synthese: „Jeder hat seine Gründe für sein Verhalten“ (Voltaire). Auch gilt: „Unsere Aufgabe in dieser Welt ist es nicht, alle Dinge zu wissen, wohl aber diejenigen, die unser Verhalten betreffen“ (J. Locke). Und G. Uhlenbruck ergänzt: „Nicht jeder, der tut, was er kann, kann, was er tut.“ „Das Verhalten eines Menschen ist auch von seiner Bildung abhängig. Menschen, welche primär durch die Naturwissenschaften geprägt sind, verhalten sich anders als solche, die eine geisteswissenschaftliche Basis haben.“* „Nicht wenige Naturwissenschaftler haben Probleme mit der Menschenführung; viele primär geisteswissenschaftlich geprägte Menschen haben zu wenig Ahnung von Physik und Chemie.“* Aber: „Das Verhalten wird nicht von Bedingungen diktiert, die der Mensch antrifft, sondern von Entscheidungen, die er selber trifft“ (V.E. Frankl).
Manchmal müssen wir unser Verhalten ändern: „Es ist äußere Wachsamkeit und Aufmerksamkeit, die es uns ermöglicht, unser Verhalten zu ändern“ (K. Rinpoche). Und: „Menschliches Verhalten ist in der Regel ein gutes Erkennungszeichen.“* Aber: „Man kann es nicht allen Leuten recht machen“ (J. de la Fontaine). Wer beispielsweise mit seinem Finger argwöhnisch auf einen anderen Menschen zeigt, sollte er folgendes nicht ignorieren: „Der Fingerzeig ist eine Stichwaffe“ (A.M. Meneghin). Auch: „Wer mit dem Zeigefinger auf andere Leute zeigt, der zeigt mit drei Fingern auf sich selbst“ (G. Heinemann). Abschließend: „Mit voreiligen Beschuldigungen sollten wir sowieso vorsichtig sein.“* „Achtsam müssen wird dann sein, wenn man uns hereinlegen will. Unser Verhalten sollte nicht aus dem Misstrauen heraus erfolgen, aber auch nicht aus Blauäugigkeit.“*
„Gegen Schurken ist Schurkerei keine unbrauchbare Waffe“
(Epicharmos)
„Jedes Verhalten wird allein durch die Absicht gut oder böse“ (G. Beck). Und wir sollten niemals vergessen: „Alles, was wir tun, hat eine Folge“ (J.P. Eckermann): „Das Böse bringt negatives Verhalten und das Gute positives Verhalten mit sich. Anstrebenswert ist, dass man nach dem Guten bzw. nach Zufriedenheit strebt, geradlinig handelt und auch im Erfolg immer auf dem Boden bleibt.“*
2.7.1 Aggression
Eine Aggression ist ein affektbedingtes Angriffsverhalten des Menschen gegen Mitmenschen, Tiere, Organismen oder Gegenstände. Sie geschieht in vielen Fällen in der Absicht, anderen Menschen zu schaden, z. B. als verbale Diffamierung, Ausgrenzung oder als tätlicher Angriff, z. B. in Form von Gewalt. Sie dient der Durchsetzung eigener Interessen, z. B. im Alltag, aber auch sehr häufig im Sport. Beispielsweise im heutigen Spitzenfußball werden Aggressionen zum Teil in nicht mehr vertretbarer Weise ausgelebt, wie die langen Verletztenlisten belegen. Dagegen tut aber niemand etwas, vor allem nicht die Schiedsrichter. Hauptmotivation für die Aggressionen manchen Spieler ist wohl das viele Geld, das im Spitzenfußball verdient wird.
Aggression hat viele Ursachen. Sie kann auch eine Reaktion auf die Bedrohung der eigenen Machtsphäre sein. Zum Teil ist sie auf Frustrationen oder auch auf milieubedingte Verhaltensprägungen zurückzuführen, z. B. auch auf Alkoholeinfluss. Bei Tieren ist die Angriffsbereitschaft gegen Rivalen weit verbreitet, z. B. im direkten Wettbewerb um Ressourcen, um Nahrungsaufnahme oder wenn es um die Fortpflanzung geht. Aggressionen können auch mit Angriffshandlungen eines Staates gegen einen andern Staat verbunden sein. Die Bewertung von Aggression ist heute sehr unterschiedlich, zum Teil sogar ärgerlich.
► Nach Meinung des dänischen Therapeuten Juul kann Aggression nach durchaus konstruktiv sein:214Aggressionen bei Kindern sind normal. Seine Meinung: „Kinder sind, Opfer’! Eltern als, Rabauken’!“ Die Wut des Kindes ist zu respektieren. Aggressionen bei Kindern dürfen nicht unterdrückt werden! Unterdrückte Wut macht krank!“ Und er geht noch weiter: „Die Gewalt der Freundlichkeit kann mehr Schaden anrichten als ein Wutausbruch“ (J. Juul).
Der deutsche Aphoristiker P. Rudi sagt es vorsichtiger: „Leidenschaft ist der besser Teil der Aggression und mitunter ihre „bessere Hälfte.“ Wir müssen uns manchmal nicht wundern: „Wo keine Gerechtigkeit herrscht, da entsteht mit der Zeit Aggression“ (O. Demir). Denn: „Wenn wir Angst haben, werden wir gewalttätig“ (J. Krishnamurti).
► Mit der obigen Argumentation von Juul bin ich zum großen Teil nicht einverstanden. Eltern als Rabauken zu bezeichnen ist eine Unverschämtheit. Viele Kinder werden aber