Chronik von Eden. D.J. Franzen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: D.J. Franzen
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783957771285
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eine noch das andere. Martin ballte die Fäuste und starrte zur Tür. Massives Holz, ein einfaches Schloss. Martin holte tief Luft und ging zur Tür. Mit beiden Fäusten und laut brüllend veranstaltete er einen Lärm, der Tote aufgeweckt hätte.

      Martin hätte später nicht mehr sagen können, wie lange dieser Anfall von Jähzorn gedauert hatte. In Schweiß gebadet und mit zitternden Muskeln rutschte er an der Tür herunter und setzte sich auf den kalten Boden.

      Raus! Ich muss hier raus!

      Ein alles beherrschender Gedanke, der wie ein monotones Mantra immer wieder durch sein Denken hallte. Er blickte zum Fenster.

      »Ihr habt mich eingesperrt?«, flüsterte er. »Okay, dann eben anders.«

      Mühsam richtete er sich auf und wankte zum Schrank. Erst mal anziehen und seine Vorräte an Nasenzucker checken. Ein kleiner Sniff konnte nicht schaden. Selbst wenn dies hier nur ein verrückter Albtraum war, musste er sich nicht unbedingt halb nackt und mit einem beginnenden Turkey am Fenster zeigen. Außerdem war es inzwischen empfindlich kalt geworden. Mühsam streifte er anschließend seine Kleidung über. Der intensive Geruch der Feuer zog durch das geöffnete Fenster ins Zimmer. Martin hörte nichts. Keine Autos, keine Vögel. Die Welt hüllte sich in Schweigen. Eine stumme Botschaft, die er nicht verstand. Aus dem Fenster neben seinem Zimmer wehte ein weißer Vorhang mit einem merkwürdigen, braunen Sprenkelmuster. Die Turnschuhe baumelten immer noch aus dem Rettungswagen. Knapp eine Beinlänge unter dem Fenster zog sich ein schmales Sims an der Wand entlang. Ob seine Füße darauf Platz finden würden? Zumindest die vorderen Fußballen, schätzte er. Die Entfernung zum Nachbarfenster erschien ihm nicht zu groß, und sein Zimmer lag im zweiten Stock. Verlockend breite Fugen zwischen den Platten der Außenwand gaben den Ausschlag. Ein letzter Blick ins Zimmer. Er würde nichts Wichtiges zurücklassen. Beherzt schwang er ein Bein aus dem Fenster und machte sich auf den Weg ins Nachbarzimmer.

      *

      Martin verfluchte sich, seinen Leichtsinn und das unsichtbare Personal dieses Irrenhauses. Verkrampft hing er zwischen den Fenstern. Seine Finger klammerten sich in die schmalen Fugen zwischen den Platten der Außenwand. Seine Beine zitterten, da sein ganzes Gewicht auf den vorderen Fußballen lastete. Seine Waden verkrampften sich schmerzhaft.

      Welcher Teufel hatte ihn da geritten? Er wusste nicht, wie lange er ohne feste Nahrung in seinem Zimmer gelegen hatte, als er zum ersten Mal erwacht war. Und da fiel ihm nichts Besseres ein, als an einer Häuserwand zwischen zwei Zimmern entlang zu klettern? Schweiß lief ihm in die Augen. Seine Beine summten unter der Anstrengung wie zwei Hochspannungsleitungen unter Volllast, und der Wind kühlte seine ohnehin geschwächten Muskeln noch weiter aus. Er hing zwischen den Fenstern. Von beiden Öffnungen etwa eine handbreit entfernt. Er sah zwei Möglichkeiten.

      Erstens: Zurück ins Zimmer.

      Nichts zu Essen, keine Informationen und eine verschlossene Tür.

      Keine gute Wahl.

      Zweitens: Er konnte versuchen, sich weiter in Richtung Nachbarzimmer zu hangeln und dabei riskieren abzustürzen.

      Karins spöttisch lächelndes Gesicht schob sich vor sein Denken.

      »Verschwinde. Du bist tot. Ich kann dich jetzt nicht brauchen«, murmelte er der rauen Fassade zu. Es half. Karin verschwand. Er biss die Zähne zusammen und schob seine Füße ein Stück weiter in Richtung Nachbarfenster. Noch ein Schritt, und er müsste die Finger der rechten Hand von der Wand lösen.

      Einen Moment noch, oh Gott bitte nur diesen einen Moment.

      Die Angst vor einem Sturz griff mit einer klammen Hand nach seinen Eingeweiden. Der Klammergriff der Rechten löste sich von der Wand, die Fingerkuppen schmirgelten über die raue Haut der Fassade. Martin schob seine Füße weiter nach links und zog gleichzeitig mit seiner linken Hand. Ihr Griff lockerte sich. Jetzt stand er bäuchlings an die Wand gepresst, die Füße eng beisammen auf dem schmalen Sims. Seine Rechte hing nutzlos an der Wand runter. Ein vorsichtiger und tiefer Atemzug und Martin löste den verzweifelten Griff seiner linken Hand, sein Arm schnellte nach links, seine Finger suchten verzweifelt nach dem Fensterrahmen. Ein Windstoß schob sich sanft zwischen Bauch und Wand und riss ein panisches Stöhnen mit sich. Krampfhaft versuchte Martin das Gleichgewicht zu behalten und seine Finger griffen nach einem Halt.

      Endlich.

      Seine Finger klammerten sich fest an das kalte Metall. Langsam schob er sich weiter in Richtung Nachbarzimmer.

      Einen Moment ausruhen.

      Seine Stirn lag an der Wand. Der intensive Geruch der Feuer wehte um sein Gesicht. Aber ein anderes Aroma, viel stärker und ekelhaft süßlich, lag nun deutlich in der Luft. Darum würde er sich später kümmern. Jetzt hieß es weitermachen, bevor er kurz vor dem Ziel seiner Träume doch noch auf den Asphalt stürzte. Martin drehte den Kopf vorsichtig nach links. Der Vorhang mit seinem seltsamen Sprenkelmuster wehte wie ein Segel nach draußen.

      Auf den musste er aufpassen. Wenn der ihm im falschen Moment die Sicht nahm und er sein Gleichgewicht verlieren würde ...

      Martin wollte diesen speziellen Gedankengang nicht weiterverfolgen. Er schob seinen Körper noch dichter an das offene Fenster. Dann war er so nah, dass er es riskieren konnte, sein linkes Bein zaghaft über die Brüstung zu heben und sich rittlings auf den Rahmen zu setzen. Schließlich plumpste Martin auf den Boden des Nachbarzimmers und blieb mit vor Erschöpfung zitternden Gliedern auf dem Rücken liegen. Die Fenster der Zimmer gingen alle nach innen auf. Darüber hatte er nicht nachgedacht! Ein falscher Luftzug, und das zufallende Fenster hätte ihm die Finger abgehackt. Egal, er war drinnen und alles andere zählte jetzt nicht mehr.

      Martin betrachtete das Muster des Vorhangs genauer. Etwas an diesem Bild alarmierte ihn. Er erkannte dieses Muster, und der merkwürdige Geruch, draußen schwach und vom Rauchgeruch überlagert, lag hier schwer und deutlich in der Luft. Immer noch auf dem Rücken liegend drehte er den Kopf nach rechts ... und starrte in den Schädel einer Krankenschwester.

      *

      Saures Wasser kam in harten Stößen aus seinem Magen. Martin keuchte zwischen den Krämpfen nach Luft. Sein Bauch schmerzte und seine Knie schrien. Als das Würgen endlich nachließ, besah er sich das Zimmer und die Tote genauer.

      Martin glaubte, in den getrockneten Resten ihrer offenen Schädeldecke blonde Haare zu erkennen. Ihre Augen waren im Tod weit aufgerissen. Das Zimmer hier sah genauso aus wie seines nebenan. Blassgrüne Wände, jede Menge medizinische Apparate. Er hob den Blick, sah auf das Bett und entdeckte eine weitere Leiche. Diesmal ein Mann. Zahllose Kabel führten von medizinischen Geräten zu seinem Körper. Die behaarten Unterarme lagen in einer Schutzgeste auf dem Gesicht des Toten. Hemd und Bettdecke waren voller Blut und zerfetzt. Vielleicht hatte er aufspringen und sich in Sicherheit bringen wollen, als sein Mörder in das Zimmer gestürmt war. Der Monitor neben dem Bett war ein Trümmerhaufen.

      Was für ein Massaker! Aber warum das Ganze?

      Martin versuchte, alles in einen erklärbaren Zusammenhang zu bringen. Kopfschüttelnd rappelte er sich auf. Wie lange, und vor allem wie tief, mochte er weg gewesen sein, dass er nichts hiervon mitbekommen hatte? Wieso war niemand bei ihm vorbeigekommen, um ihn ebenfalls zu erschießen? Was um Himmels Willen war hier passiert? Er stand auf und ging an das Bett. Irgendetwas an dem Toten kam ihm bekannt vor. Als Martin am Kopfende des Bettes ankam, wusste er warum.

      Declan Smith.

      Freier Handelsvertreter für Gentronics Pharmaka.

      Martin schluckte trocken und wandte sich ab. Sein Blick fiel auf die Hand der toten Krankenschwester. Sie hielt im Tod etwas krampfhaft fest. Mit knackenden Knien ging Martin in die Hocke, öffnete ihre steifen Finger und sah, was ihre Hand im Tod beschützte. Er schluckte das heiße Brennen in seinem Hals herunter. Das ging. Nur die Tränen konnte er nicht zurückhalten.

      In ihrer Hand lag ein großer Schlüsselbund.

      Martin erwachte aus der Erstarrung und schloss der Toten die Augen. Den Schlüsselbund nahm er an sich. Die Tür zum Zimmer hing halb aus den Angeln. Martin kannte diese Spuren. Einer seiner Pflegeväter war geübt