Eva langt zu. Liza Cody. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liza Cody
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Ужасы и Мистика
Год издания: 0
isbn: 9783867548885
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ich für sie noch einen Finger krumm machte, legte ich eher meinen Kopf unter die S-Bahn.

      Ich hätte ihr lieber in den Peugeot reihern sollen. Oder in den Nacken. Oder in ihre Handtasche.

      Das muss man sich mal vorstellen! Einer kranken Frau einen Fußtritt zu verpassen. Manche Menschen haben überhaupt kein Herz. Kein Herz. Und wenn sie mich angebettelt hätte, ich wäre nicht wieder angekrochen gekommen.

      Milo musste bei der Feindin bleiben. Schließlich war er ja auch nicht von selber mitgekommen. »Nutzlose Töle.«

      Wozu war er überhaupt gut? Zum Arbeiten war er noch zu jung und unerfahren, aber dafür konnte er fressen wie ein Pferd.

      »Sie kann dich behalten«, sagte ich. »Ich wollte dich sowieso nie haben.«

      Ich ging weiter. Mir war alles egal. ALLES EGAL. ALLES.

      Aber der Bürgersteig schwankte, und die Mauern blähten sich wie eine Fahne im Wind. Und plötzlich wusste ich den Weg nach Hause nicht mehr. Lachen Sie ruhig, aber so was kann vorkommen. Auch wenn man stocknüchtern ist. Man geht die Straße entlang, macht sich seine Gedanken oder auch nicht, biegt um eine Ecke zu viel oder zu wenig, und schon ist es passiert – man hat sich verlaufen.

      Ich hatte mich verirrt.

      Ich war auf einer Straße, die ich nicht kannte. Sie sah aus wie jede andere. Sie war gut beleuchtet, aber die Laternen waren verschwommen und schaukelten im Wind. Bloß war es nicht windig. Gerade als mir wieder schlecht werden wollte, entdeckte ich auf der anderen Straßenseite eine Tankstelle, die noch offen war. Vielleicht gab es da Bier für meinen armen Magen.

      Ich ging langsam rüber. Obwohl es vier Uhr morgens war, rasten mit einem Affenzahn irgendwelche Irren vorbei. Kein Aas hielt sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Es war eine ziemlich gefährliche Straße, wenn man ein paar Schluck getrunken hatte und sich nicht gut fühlte.

      Ein knallroter Carlton zischte an mir vorbei, als ob es mich gar nicht gäbe, und bog genau vor mir in die Tankstelle ein. Er rauschte so nah an mir vorbei, dass er mir fast die Jacke ausgezogen hätte.

      »Arschloch!«, schrie ich. Aber keiner hörte mich. Keiner kümmerte sich um mich. Ich hätte genauso gut einen Laternenmast anschreien können.

      »Arschloch«, sagte ich noch einmal und sprang auf den Bürgersteig.

      »Das zahle ich dir heim«, sagte ich und hüpfte über die Kette, die um das Tankstellengelände gezogen war.

      Ich wollte dem Carlton-Fahrer die Meinung geigen. Ich wollte ihn unter den Armen packen, hochheben und sagen: »He, du Eiterbacke, pass auf, wo du hinfährst.« Aber bis ich mich wieder hochgerappelt und der Kette, die mir ein Bein gestellt hatte, einen Tritt verpasst hatte, war der Fahrer längst ausgestiegen und ins Kassenhäuschen gegangen. Die Tür des Carlton stand offen, der Motor lief. Es war genauso gut wie eine Einladung: »Bitte sehr, Eva. Ein schönes rotes Auto, das nur darauf wartet, dich nach Hause zu bringen.«

      Also sagte ich: »Schönen Dank. Hiermit nehme ich die Eiterbacke zurück.« Ich sprang rein und legte den ersten Gang ein.

      In dem Moment steckte der Fahrer den Kopf aus der Tür und brüllte was. Ich konnte ihn nicht genau verstehen, weil ich gerade voll aufs Gas gestiegen war und mit aufheulendem Motor losdüste. Was als Nächstes passierte, war sehr merkwürdig. Als ich an dem Mann vorbeikam, klappte die Beifahrertür zu. Dabei hatte ich gar keinen Beifahrer bemerkt. Und dann kam ein anderer Typ, den ich vorher noch nicht gesehen hatte, aus dem Kassenhäuschen und zeigte mit einem Stock auf mich.

      Ich dachte mir noch: »Wieso zeigt der Schwanz mit einem Stock auf mich?« Ich hatte kaum zu Ende gedacht, da zersplitterten auch schon auf der Beifahrerseite sämtliche Scheiben. Schepper-klirr. Alles war voll Glas. Ich war so verdattert, dass ich um ein Haar eine Zapfsäule gerammt hätte.

      Ich war in null Komma nichts von null auf hundert, schnitt einen Lastwagen und bog auf die Straße ein. Ich schwitzte und fluchte, aber es dauerte fast eine halbe Meile, bis mir langsam dämmerte, wieso die Scheiben zersprungen waren.

      Der Schwanz hatte gar nicht mit einem Stock auf mich gezeigt. Er hatte eine abgesägte Schrotflinte in der Hand gehabt. Die Fenster waren nicht einfach zersplittert. Der Schwanz hatte sie zerschossen.

      Ist das zu fassen? Der Mistfink hatte auf mich geschossen. Auf mich. Nur weil ich mir einen Carlton ausgeborgt hatte. Wer macht denn so was?

      Wenn er nicht wollte, dass sich einer seine Karre auslieh, warum hatte er dann nicht einfach den Schlüssel abgezogen, wie jeder andere vernünftige Mensch?

      Scheiße. Er hätte mich umbringen können. Stellen Sie sich das mal vor. Ehemalige Catcherin erschossen. Was für eine Schlagzeile.

      Plötzlich war ich so was von geschockt, dass ich nicht mehr weiterfahren konnte. Ich hielt an.

      Mit ein bisschen Pech hätte ich nur noch einen blutigen Stumpf gehabt, wo früher mein Kopf gesessen hatte. Denken Sie mal daran, wenn Sie das nächste Mal in der Nase bohren oder sich Sorgen machen, dass Ihnen die Haare ausgehen.

      Mir war zwar immer noch schlecht, aber dafür war ich schlagartig nüchtern geworden. Die kalte Luft, die durch die kaputten Fenster kam, pfiff mir durch das eine Ohr rein und durch das andere wieder raus. Das ließ sich nicht ändern, aber ich drehte die Heizung trotzdem bis zum Anschlag auf, damit ich wenigstens warme Zehen hatte.

      Ich fuhr weiter. Immer schön langsam. Ich musste die Kiste möglichst schnell loswerden. Die fehlenden Scheiben wären sogar einem gehirnamputierten Bullen aufgefallen, und er hätte mich angehalten. Ich sah in den Rückspiegel. Keine Polizei. Noch nicht. Es war eine hässliche Nacht, aber sie konnte schnell noch hässlicher werden. Dazu brauchte man bloß einen neugierigen Polypen. Ein neugieriger Polyp würde mich schneller einbuchten, als Sie ausspucken können. Alkohol im Blut, ein geklauter Carlton, keine Versicherung, kein Führerschein. Die Bullen hätten freie Wahl, wofür sie mich hochnehmen wollten.

      Ich musste unbedingt von der Hauptstraße runter und zusehen, dass ich nach Hause kam. Falls ich überhaupt hinfand.

      Ich bog in eine Nebenstraße ein.

      Und dann fing ich an zu grübeln. Was wollte der Scheißer morgens um vier mit einer Knarre in einem Kassenhäuschen? Für einen Tank voll Sprit und eine Tüte Chips braucht man schließlich keine abgesägte Schrotflinte. Beim Tanken lässt man auch nicht den Motor laufen. Oder die Türen offen.

      Man stellt einen Wagen nur dann mit laufendem Motor und offenen Türen ab, wenn man einen ziemlich flotten Abgang geplant hat.

      Ich stieg voll auf die Bremse. Es war schlimmer, als ich gedacht hatte. Der Carlton war heiß, und ich hatte zwei gelackmeierte Tankstellenräuber im Genick. Von denen mindestens einer bewaffnet war.

      Ich saß da wie angenagelt. In meinem Kopf drehte sich alles. Irgendwann kam ich auf die Idee, den Wagen ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen.

      Soll ich Ihnen sagen, was ich fand? O Mann! Das glauben Sie nie. Nie im Leben. So was hätte ich mir noch nicht mal nach einem Sechserpack Bier zusammenträumen können.

      Ich fand eine Sporttasche von Puma. O Mann! Die beiden Cowboys hatten wirklich eine erfolgreiche Nacht hinter sich. Das kann man wohl sagen.

      Die Pumatasche war bis zum Reißverschluss voll. Mit Geld. Nur Geld. Viel, viel Geld. Mehr als ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte. Tausende und Abertausende. Hunderttausende. Abertausende von Hunderttausenden. Squillionen von Zillionen.

      Ich starrte es an. Ich stierte es an.

      Ich steckte die Nase in die Tasche und schnüffelte daran. Es roch süßer als Schokoladeneis.

      Ich streichelte es. Es war weicher als das Bauchfell einer Katze.

      Ich säuselte ihm was vor, und es antwortete. Es sagte: »Nimm mich. Ich bin dein. Ich gehöre dir, Baby.«

      Was will der Mensch da machen? Was hätten Sie an meiner Stelle gemacht?