Endlich meldet sich mein Gesprächspartner zurück: »Ich habe die Adresse gefunden: Im Krugfeld 12.« Ich kann mich nicht mehr für die Auskunft bedanken: Unmittelbar nachdem ich die richtige Adresse bekommen habe, schaltet sich mein Mobiltelefon ab.
Damit erklärt sich alles: Im Straßenverzeichnis kann man die Straße nur unter »I« wie »Im« finden. Da mir aber die unscheinbare Präposition vorenthalten worden ist, konnte ich unmöglich auf das »Krugfeld« stoßen.
Nun müssen wir im Dunkeln in den Stadtteil Himmelsthür zurückfahren, den wir schon vor über einer Stunde durchquert haben. Die Stimme meines Nachbarn wird energischer und mit dem Wippen seines Oberkörpers macht er kaum noch eine Pause. Kurz vor »Im Krugfeld« kommen wir an einen kleinen Bahnübergang, bei dem sich just in dem Moment die Schranken schließen, als wir die Gleise überqueren wollen. Erneut übernimmt die zäh fließende Zeit das Kommando. Ich bemerke, wie mein Beifahrer versucht, Blickkontakt mit mir herzustellen. Das hat er bisher gründlich vermieden. »Ich muss jetzt essen!«. Gleich wird er handgreiflich werden, male ich mir schon aus. »Nur noch einen Moment, gleich haben wir es geschafft!«, versuche ich ihn zum wiederholten Male zu beschwichtigen. Nach einer kleinen Ewigkeit können wir die Fahrt fortsetzen. Ich kann den richtigen Straßennamen auf einem Straßenschild entziffern. Wir sind so gut wie am Ziel, nur noch die Hausnummer suchen – denke ich. Doch plötzlich ist ein Sackgassenschild aufgestellt, wir können nur noch bis zur Baustelle weiterfahren. Die Straße ist durch die Baustelle in zwei Teile getrennt und wir sind auf der falschen Seite. Wie soll ich auf die andere kommen? Es ist keine Umleitung ausgeschildert und so muss ich wieder zurück über den – diesmal zum Glück freien – Bahndamm, einen riesigen Bogen fahren und versuchen, über irgendwelche kleinen Nebenstraßen auf das »Krugfeld« zu kommen.
Ein Stadtplan auf dem Schoß, ein Hungriger neben mir, unbekannte Straßen vor mir, Verzweiflung in mir: ein Gedicht.
Die ersten Versuche scheitern kläglich an neuen Sackgassen. Aber das Ende meiner Odyssee steht kurz bevor. Ich gelange bald auf den richtigen Straßenteil und finde auch die Hausnummer. Wider Erwarten befinden wir uns vor einem freistehenden Einfamilienhaus. Wir werden schon sehnsüchtig erwartet. Vier geistig Behinderte hüpfen vor Freude wild herum und rufen: »Da ist er! Da ist er endlich!« Der nette Betreuer der kleinen Wohngemeinschaft bittet mich herein und zahlt – nach kurzer Zusammenfassung meiner Odyssee – anstandslos die hohe Rechnung von 68 Euro, bei direktem Weg wären es nur ungefähr 45 Euro gewesen.
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