Verpasst? Kein Problem!
VORWORT
Wir trafen uns auf dem Flur des Medienzentrums. „Hast du Lust, an einem größeren Projekt mitzuarbeiten? Etwas ganz Neuem, Innovativem?“ Kein langes Zögern; die Neugier war geweckt. So begann unsere gemeinsame Reise.
Wir haben beraten, gebetet, Literatur durchforstet, versucht, uns erneut ein Bild von den Sehnsüchten und Sorgen der Menschen zu machen, die um uns herum leben. Und ein Bild von uns selbst. Wie denken und fühlen wir? Was hat sich in den letzten Jahren verändert? Wo stehen wir heute?
Wir haben uns mit Freunden in Deutschland und Amerika beraten, Freude und Enttäuschungen gemeinsam durchlebt. Am vorläufigen Ende der Reise standen ein Kinofilm, eine TV-Serie, drei Glaubenskurse, eine umfangreiche, interaktive Internetplattform – und dieses Buch.
Auf den folgenden Seiten haben wir unsere Erfahrungen, Beobachtungen und Gedanken niedergelegt, und zwar auf sehr persönliche Weise. Wir wollten nicht Lehrsätze präsentieren, sondern einfach und lebensnah von unseren Überzeugungen, unserem Glauben und unserer Sehnsucht sprechen. Auch von unseren Fragen und unserem Suchen.
Fragen und suchen Sie auch? Dann können wir uns treffen, wenn Sie weiterlesen. Wir hoffen, dass wir Ihnen weiterhelfen, indem wir formulieren, was Sie selbst schon lange im Sinn haben; indem wir Gefühle benennen, die Sie vielleicht schon lange bewegen, und Sehnsüchte berühren, die Sie schon fast vergessen hatten. Willkommen!
Matthias Müller und Klaus Popa
Die Sprecher und Moderatoren von glauben.einfach. Matthias Müller (links) und Klaus Popa
01 LEBEN IN DER KRISE
Rettungsschirme, Krisenstab – und wer hilft mir?
MATTHIAS MÜLLER
Manchmal ist das Maß eben voll, dann reicht’s. Dann läuft uns die Galle über und Andere bekommen es zu spüren. Irgendwann fällt der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Oft lassen wir uns ja gar nicht anmerken, wie voll das Fass bereits ist. Die kleinen und großen Verletzungen, die Sticheleien, Missachtungen, Geringschätzungen, das Sich-ausgenutzt-Fühlen – lange haben wir geschwiegen und alles heruntergeschluckt. Bis es dann nicht mehr ging.
Krisen – kennen Sie das überhaupt? Vielleicht schwimmen Sie gerade ganz oben. Alles bestens? Genießen Sie es!
Andy Andrews lässt in seinem Buch Die Begegnung die Zentralfigur des Romans sagen: „Wissen Sie, jeder von uns steckt entweder in einer Krise, kommt aus einer Krise oder steuert geradewegs darauf zu.“1 Hat er Recht? Wo sind Sie im Moment? Mittendrin, davor oder danach?
Anlass für eine Krise?
Es kann alle erwischen. Aldi-Mitbegründer Theo Albrecht (er verstarb Ende Juli 2010) war Zeitungsberichten zufolge als 88-Jähriger von Platz zwei der reichsten Deutschen auf Platz drei abgerutscht. Nur noch 16,7 Mrd. Dollar Vermögen, während sein zwei Jahre älterer Bruder Karl weiterhin die deutsche Nr. 1 mit 23,5 Mrd. Dollar ist (laut Forbes-Liste 2010).2 Das wäre doch fast Stoff für eine Familienkrise gewesen, oder?
Oder nehmen wir Victoria Beckham, ehemaliges Model und Pop-Sängerin, Frau des bekannten englischen Fußballstars David Beckham, einem der bestaussehenden Männer der Welt. Sie ist mehrfache Mutter und nicht immer glücklich über Fotos von sich. Sie sagte einmal: „Ich sehe mein unglückliches Gesicht und denke mir: Warum lächelst du bloß nicht? Naja, wenigstens sieht die Tasche super aus.“3
Solche Krisen hätte ich gerne, wird sicher mancher denken. Worunter leiden Sie zurzeit? Würden Sie es wagen, darüber zu sprechen? Geht der Aufschwung an Ihnen vorüber? Die Politiker reden von neuen Arbeitsplätzen – aber für Sie findet sich keiner? Eine Arbeitsvermittlerin erklärte, dass 80 Prozent ihrer Tätigkeit eigentlich in Sozialarbeit besteht und nur 20 Prozent in Arbeitsvermittlung. Viele haben sich selbst aufgegeben und verhalten sich völlig passiv. Sie nehmen einfach hin, was man ihnen vorgibt. „Mal sehen, wie lange ich hartze …“ Ist das vielleicht auch Ihr Leben? Sie kämpfen sich durch und haben den Eindruck, aus dem Strudel der Krise nicht mehr herauszukommen?
Ich bin nicht mehr der Jüngste. Also ließ ich die üblichen Vorsorgeuntersuchungen machen und erlebte mich, wie ich dasaß und mit gemischten Gefühlen versuchte, im Gesicht des Arztes zu lesen. Was würde er mir sagen?
Nun, ich konnte diesmal erleichtert nach Hause gehen. Leider kann ich das nicht von allen Personen in meiner erweiterten Familie sagen. Ich leide mit.
Wenn wir unser Leben mit olympischen Wettläufen vergleichen, dann sind manche Lebenskrisen wie Kurzstreckenläufe – Sprints. Sie erfordern für kurze Zeit ein Maximum an emotionaler Konzentration; dann sind sie vorbei und das Leben schwingt in die Normalität zurück. Aber andere Krisen sind wie Langstreckenläufe; sie erfordern lange unsere Kraft und Aufmerksamkeit. Das kann sehr viel schwerer sein. Ich bewundere manche Leute, die ich kenne, wie sie mit den enormen Belastungen zurechtkommen.
Kennen Sie das geflügelte Wort: „Ich krieg‘ die Krise“? Nun – unsere Welt hat sie schon. Und zwar immer wieder und in immer kürzeren Abständen. Oder täusche ich mich da, weil ich älter werde und mir die Abläufe schneller vorkommen? Was sagt Ihnen Ihr Gefühl?
Große Krisen?
Ölkrise, Golfkrise, Ozonkrise, Klimakrise, Terrorkrise, Immobilienkrise, Weltwirtschaftskrise, Finanzkrise, Eurokrise. Man kann es doch schon gar nicht mehr hören – oder? Da wird einem schwindelig und vor allem haben viele Menschen das Gefühl, dass sie diese Welt immer weniger verstehen. Auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin antwortete einer der Reiseveranstalter auf die Frage nach der Geschäftslage: „Irgendwo auf der Welt ist immer Krise.“ Stimmt. Aber manchmal können uns die Krisen der Welt völlig egal sein, weil unsere persönlichen Krisen sich wie Berge vor uns aufbauen, hinter denen sich die Sorgen der Welt wie kleine Schatten zusammenkauern.
„Ob sich die durchschnittliche Jahrestemperatur um ein halbes Grad erhöht – juckt mich das, wenn mein Freund sich von mir trennen will?“, sagt die junge Frau. „Ich habe alles getan, um ihn zu halten. Vielleicht mehr, als gut war. Aber dass er mich jetzt fallenlassen will, diese Kränkung sitzt einfach zu tief.“
Da kann auch ein gesetzter Mann die Haltung verlieren, weil er die Zukunft seiner Familie bedroht sieht. Da kann eine junge Frau ihre Zweifel und Anklagen an Gott herausschreien, weil schon wieder ein Traum platzt, kaum dass ihr Lebensschiff etwas Fahrt aufgenommen hat. „Gott, wo bist du? Ich dachte, du bist da und hilfst mir!“
Was ist mit unserer Gesellschaft los?
Haben Sie schon fassungslos vor dem Fernseher gesessen beim Betrachten der Gewalttaten von Kindern und Jugendlichen? Natürlich haben wir Erklärungen. Die brauchen wir auch. Ein Heranwachsender aus einer Problemfamilie sagt sich: Wenn mich schon keiner liebt, dann will ich wenigstens gehasst werden. Andere mögen denken: Wenn ich schon nichts habe, wofür ich kämpfen kann, dann suche ich eben jemanden, gegen den ich kämpfe.
Inzwischen hört man ja auch von Rentnern, die außer sich geraten und Gerechtigkeit nach ihrer Fasson schaffen wollen – Menschen, die in ihrer Not zu untauglichen Mitteln greifen. Oft bricht sich die Gewalt als letztes Mittel Bahn. Bei manchen Nachrichten stockt einem der Atem und man fragt