»Wollen Sie nicht nach unten kommen? Es sind auch nicht viele Leute da.«
Er sah sie an. Sie stand da, kippelte nervös mit dem rechten Fuß, rieb die Hände aneinander. War sie eine wie Trixi, die sich auf diese Art etwas dazu verdiente? Sie war hübsch. Blaue Augen, eine kleine Nase. Die Zöpfe waren vermutlich Vorschrift.
Vermutlich mangelte es auch nicht an Gelegenheit. Zwar waren die meisten Gäste graumelierte Paare in den Sechzigern, aber hin und wieder stieg bestimmt auch ein pensionierter Zahnarzt oder ein geschiedener Rechtsanwalt hier ab.
»Danke«, sagte er. »Ich möchte gerne allein sein.«
»Sie sind anders als die anderen.«
»Müssen Sie nicht wieder runter«, fragte er. »Nicht, dass ich Sie vertreiben möchte!«
»Ich werde angepiepst.«
Sie biss sich auf die Lippe. Er sah, wie sie mit etwas kämpfte. Dann setzte sie sich in den zweiten Liegestuhl. Es war ja alles doppelt vorhanden. Jetzt bemerkte er, dass zwei Gläser auf dem Tablett standen. Nur eines war gefüllt. Er schenkte das zweite ein, nur einen Strich hoch, und reichte es ihr.
»Eigentlich bin ich ja im Dienst«, kicherte sie. Dann goß sie den Schluck mit einer raschen Bewegung aus dem Handgelenk hinunter, wie man es beim Digestif zu tun pflegt.
»Ich werde Sie nicht verraten«, sagte er.
Sie seufzte aufgesetzt. »So eine schöne Nacht.«
Inzwischen war es dunkel geworden. Der letzte blaue Widerschein im Westen war erloschen. Die ersten Sterne leuchteten auf. Einer davon zog die Aufmerksamkeit auf sich.
»Was ist das?«, fragte das Mädchen. »Der scheint es ja mächtig eilig zu haben.«
Laertes aktivierte kurz das Display und glich die Daten ab.
»Das ist kein Stern«, sagte er dann.
»Sondern?«
»Das ist die MARQUIS DE LAPLACE!«
Der silbrige Lichtpunkt strebte glitzernd und flimmernd nach Nordwesten und verschwand am Horizont.
»Davon habe ich gehört«, sagte das Mädchen. »Die bauen da ein Raumschiff.«
»Das kann man so sagen.«
»Wow!« Sie starrte noch eine Weile in den Himmel, aber der fliegende Bauplatz auf seiner niedrigen Umlaufbahn war längst wieder aus dem Blickfeld verschwunden.
Er spürte, wie sie ihn in der Dunkelheit ansah.
»Sie kennen sich aber gut aus!«
»Es gibt eine App«, sagte er ausweichend. »Man wird laufend über alles informiert. Die Baufortschritte, die Anwerbung der Mannschaften, den Flugplan.«
»Und? Sind Sie dabei?!«
Er wusste nicht, wie sie das wissen konnte. Frauen und ihr sechster Sinn!
»Ja.« Er zwang sich, ganz ruhig und gefasst zu klingen.
»Sie fliegen zu den Sternen!« Sie griff ungeniert zur Flasche und füllte sich ihr Glas.
»Nur ein Stern«, sagte er. »Tau Ceti.«
»Wahnsinn.« Sie trank und sah ihn mit leuchtenden Augen an.
In diesem Moment hätte er sie haben können. Sogar kostenlos!
Das alles gefiel ihm nicht. Seine Nerven, der Wein, die Zutraulichkeit dieses einfachen Geschöpfs.
»Da werden Sie aber eine Weile unterwegs sein«, stellte sie fest.
»Kann man so sagen.« Er wiederholte sich formelhaft wie die primitivste aller Protokoll-KIs. »Das ist eine ordentliche Strecke!«
Ihr war noch etwas eingefallen.
»Was sagt denn Ihre Frau dazu?«
»Ich habe keine Frau.«
»Oh.«
Er sog die wunderbare klare Nachtluft ein und sah sie fest und durchdringend an. »Ich möchte Sie bitten, jetzt zu gehen.«
»Verstehe.« Sie stand auf. »Sie wissen ja: Kellerbar!«
Sie hüpfte, einen Schlager vor sich hinsummend, zur Tür, die sie betont laut und umständlich hinter sich schloss.
Er schenkte sein Glas wieder voll und trank es in einem langen, langsamen Zug aus.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.