Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte. Werner Rosenzweig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Rosenzweig
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Юмористическое фэнтези
Год издания: 0
isbn: 9783960085430
Скачать книгу
seine unrühmliche Vier-Minuten-Nummer abgenommen.

      Vor einem Jahr war die Roserl von Wolfratshausen nach Amberg umgezogen. Seinerzeit hatte sie in der oberbayerischen Gemeinde ihr Gewerbe in der Berggasse betrieben.

      Das Geschäft lief damals schon mau. Die erzkonservativen, tiefkatholischen Einheimischen rundherum gehörten nicht gerade zu ihren Kunden. Im Gegenteil, da gab es so einen schiachen Hirnbeißer in der Nachbarschaft, der aber auch alles, was in der Berggasse geschah, gleich ins Netz stellte. Er fotografierte heimlich die Freier, die zu ihr kamen, kommentierte die Dauer ihrer Aufenthalte bei ihr und erboste sich generell über das horizontale Gewerbe. Mobbing nennt man so etwas. Einem Ehepaar, sie Französin, er Deutsch-Spanier, erging es ähnlich. Nach langem Hin und Her mit den örtlichen Behörden und nach Befolgung vieler Auflagen, hatten sie endlich die Genehmigung erhalten, oben am Hang ein modernes Wohngebäude zu errichten. Ein wunderschönes, architektonisch gelungenes Haus, ein rechteckiger Glaskasten – mit Flachdach –, welches vom Baustil ebenso gut in die Gegend passte wie ein Vollrausch zu Papst Franziskus. Der schiache Hirnbeißer wusste auch darüber zu berichten und seinen Unmut kundzutun. Auch dass die Hannerl, die Lieblingskatze von dem Hirnthalers Loisl, schon wieder trächtig war, konnte der interessierte Besucher der Bergassen-Website nachlesen.

      Als sich die Roserl einmal im Internet verirrte und las, dass Amberg als der Puffstandort Nummer eins in der ganzen Oberpfalz gilt, beschloss sie, sich räumlich zu verändern. So kam sie hierher und lebt seitdem in der Seminargasse zur Miete. Ihr geräumiges Arbeitszimmer mit den roten, schweren Vorhängen dient ihr als Arbeitsplatz, zum Wohnen, Schlafen und als Büro. Eine kleine Küche mit einem großen Kühlschrank, in dem exquisite Getränke gut gekühlt dahinschlummern, sowie ein geräumiges Bad mit Badewanne ergänzen ihr Etablissement.

      Roserl Hinterwimmerl war bei dieser Hitze nur leicht bekleidet. Sie trug lediglich einen roten String-Tanga, der mit ihrer kaminroten Wuschelmähne gut harmonierte. Irgendwie sah sie aus wie der weibliche Pumuckl, mit schlanken, fast endlos langen Beinen, welche hinten in einen strammen Arsch übergingen. Das Holz vor der Hütte war auch nicht zu verachten (mindestens ein Ster auf jeder Seite), und dann waren da noch die frechen Sommersprossen rund um ihre Nase. Sie saß mit angezogenen Beinen auf ihrem Lotterbett, den Rücken an die Wand gelehnt. Ihre blasse Haut glänzte. Kleine Schweißbäche rannen ihr vom Halsansatz zwischen ihren schweren Brüsten hindurch und sammelten sich in ihrem Nabel, bevor sie sich von dort in die Winzigkeit ihres einzigen Kleidungsstückes verflüchtigten. Die Meisterin des horizontalen Gewerbes hielt ein beschriebenes Blatt Papier in der Hand, welches sie schon zum wiederholten Male las, aber daraus immer noch nicht ganz schlau wurde. Rolf? Wer verdammt ist oder war Rolf? Sie grübelte und durchwühlte in ihrem Langzeitgedächtnis eine Schublade nach der anderen. Zu Rolf fiel ihr dennoch nichts ein. Hätte der Depp ihr nicht ein paar zusätzliche Angaben machen können? Wieder nahm sie das Schreiben, das sie vor zwei Tagen lose in ihrem Briefkasten vorfand, zur Hand und begann zu lesen:

       Hallo Roserl,

       wie geht’s? Wir kennen uns. Ist schon einige Zeit her … damals in der Berggasse … in Wolfratshausen. Aber Du siehst, ich habe Dich nicht vergessen. Ganz im Gegenteil, ich muss immer noch an Dich denken. Eigentlich ständig. An Dich und an Deinen aufregenden Luxuskörper. Wie Du mich damals geritten hast. Sagenhaft. Durch puren Zufall habe ich Dich wiedergefunden. Im Internet. Da klicke ich auf www.roter-strapsamberg.com und wen sehe ich da? Roserl! Meine Roserl aus der Berggasse. Ich habe gedacht, mich laust der Affe. Wie Du mich auf dem Foto so anlachst, auf dem Foto mit dem knapp sitzenden BH … Du, ob Du es glaubst oder nicht … bei mir hat sich sofort etwas in der Hose geregt. Meine Anaconda. Erinnerst Du Dich an meine Anaconda?

      An dieser Stelle hielt Roserl mit dem Lesen inne. Anaconda? Sagte ihr nichts. Sie erinnerte sich an einen Schwarzen aus der US-Armee. Der hatte vielleicht ein Ding. Schwarz wie eine Kreuzotter. Aber Anaconda? Außerdem hieß der Ami Bob, nicht Rolf. Die Prostituierte starrte an die Zimmerdecke und ließ gedanklich so manche außergewöhnliche Dinge, die sie bisher erlebt hatte, Revue passieren. Nein, eine Anaconda war nicht darunter. Aber sicher war sie sich immer noch nicht. Sie stand auf und holte ihre Aufzeichnungen aus der Kommode. Wozu führte sie denn ein Beurteilungssystem über alle ihre Freier? Amberg 2014 stand auf dem Kalender. Das muss so ziemlich vor einem Jahr gewesen sein. Sie blätterte auf Juli. Dann fand sie ihn. Am 12. Juli 2014. Bob aus Grafenwöhr. Ein Mordsdrum Instrument lautete ihr Eintrag. Ausdauernd und schwarz wie die Nacht finster. Sie hatte Bob eine Eins plus gegeben. Schade, dass sie ihre Aufzeichnungen aus Wolfrathshausen damals beim Umzug weggeworfen hatte. Dann setzte sie sich wieder auf ihr Bett und las weiter.

       Es war so aufregend, als Du mich damals bestiegen hast und ich mich an deinen Arschbacken festgehalten habe. Die Roserl, ja die Roserl, mit der musst du es nochmals treiben, habe ich mir vorgenommen. Koste es, was es wolle. In einer ganz besonderen Atmosphäre, habe ich mir gedacht. Dann bin ich auf das Eh’häusl gestoßen. Kennst Du bestimmt. Ganz schön frequentiert und fast immer ausgebucht, dieses Kleinod. Der einzige Termin, den ich noch kurzfristig bekommen konnte, ist der 3. Juli, aber auch nur deswegen, weil ein Gast kurzfristig absagen musste. Ich hoffe, der 3. Juli passt auch bei Dir. Wirst nicht gerade verreist sein. Jedenfalls habe ich das Eh’häusl eine Nacht für uns beide gebucht. Auf Deinen Namen. Bezahlt ist auch schon. Ich habe das Geld einfach in einen Briefumschlag gesteckt und an die Hotelverwaltung geschickt. Um vier Uhr am Nachmittag kannst Du den Schlüssel abholen. Brauchst nur Rosi Hinterwimmer zu sagen. Ich komm später, so gegen zehn Uhr Abend. Geht bei mir leider nicht früher. Aber wir beiden Hübschen haben ja die ganze Nacht für uns … Musst wissen, bin gerade auf einer Geschäftsreise in Prag, und Amberg liegt ja quasi fast auf meinem Heimweg. Also, ich hoffe ganz einfach, das klappt bei Dir auch. Ich meine ein Tausender für Dich klingt doch überzeugend, nicht wahr? Irgendwie verlockend. Aber das ist mir meine Roserl wert, habe ich mir gesagt. Also, bis zum Freitag dann. Mach Dich hübsch für mich. Sexy und aufregend bist Du ja sowieso.

       Kann es kaum mehr erwarten.

       Rolf

       PS: Besorg doch noch ein paar Flaschen Schampus. Die zahle ich natürlich extra! Zur Feier des Tages.

      Ein Tausender, eine Anaconda und das Eh’häusl. Die drei wichtigsten Botschaften, welche in Roserls Hirn haften blieben wie ein Löffel Honig auf einem Butterbrot. Das Eh’Häusl. Da brauchte sie ja nur schräg über die Straße zu gehen. Keine zwanzig Meter. Sie war gespannt. Vieles hatte sie schon gehört von dem kleinen Hotel schräg vis-à-vis. Nur Gutes. Nicht ganz billig, aber dafür soll es auch einen entsprechenden Luxus bieten. Sie musste Rolf wirklich beeindruckt haben, damals in der Berggasse. Schade, dass sie sich nicht mehr an ihn erinnern konnte. Und an seine Anaconda. Roserl sah auf ihre Armbanduhr. Sie hatte noch etwas Zeit. Pünktlich zur Schlüsselübergabe würde sie über die Straße huschen und anschließend, so hatte sie sich vorgenommen, den Schampus besorgen, am besten gleich vorgekühlt. Ob drei große Flaschen reichen? Rolf? Anaconda? Ihr wollte dazu einfach nichts einfallen. Schade.

      *

      Pünktlich um sechzehn Uhr stand Roserl Hinterwimmer vor dem Hoteleingang und wollte gerade den Klingelknopf drücken, als sich die Tür wie von Geisterhand öffnete.

      Eine freundliche Frau, Mitte vierzig, ordentlich – businessmäßig – gekleidet, lächelte ihr entgegen. »Frau Hinterwimmer? Frau Rosi Hinterwimmer?«, strahlte die Fremde sie an. Trotz der Hitze trug sie ein schickes, schwarzes Kostüm. Ihr blonder Pagenschnitt passte zu ihrem schmalen Gesicht mit den dunkelbraunen Augen. Schlanke Figur, Größe 36 vielleicht, aber Holz hatte sie nicht viel vor der Hütte.

      »Ja, schon«, antwortete die Roserl.

      »Bitteschön, treten Sie ein«, meinte die ordentlich Gekleidete. »Mein Name ist Gerta Brahms. Herzlich willkommen in unserem Eh’häusl.«

      Rosi Hinterwimmer trat ein. Eine Symphonie in Licht und Farben erstrahlte im ganzen Haus und aus unsichtbaren Lautsprechern ertönte Verdis »La Traviata«. Eine Gästebegrüßung zum Träumen schön.

      »Darf ich Ihnen unser Haus zeigen?«, flötete Gerta Brahms.

      »Gerne.«

      »Also