Aus dieser rein materiellen Vorstellung vom Universum wird es völlig logisch zu schlussfolgern, die, die am intensivsten leben (wir Menschen) hätten das Recht, das, was tot ist (Materie und der Rest der Natur), für unsere eigenen Zwecke auszubeuten. Die Natur ist unser Warenhaus, angefüllt mit Ressourcen für unseren täglichen Bedarf. Welchen Bezug sollen wir zur Welt haben? Den der Ausbeutung dessen, was tot (Natur) ist, zugunsten der Lebenden (wir selbst). Die Tendenz zum Materialismus, Hedonismus und der Ausbeutung der Natur sind die vorhersehbaren Folgen einer Vorstellung, das Universum sei tot.
Trotz dieser trüben Aussichten bedeutet die Vorstellung vom toten Universum eine wichtige und notwendige Phase auf der langen Reise der Menschheit hin zum Erwachen. Indem wir uns von der Natur und voneinander zurückziehen, sind wir gleichzeitig als Individuen viel stärker und differenzierter geworden. Nach meinem Gefühl haben wir Menschen uns von der Einheit mit der Natur so weit entfernt, wie wir es je tun werden. Nun haben wir keine große Wahl: Wenn wir uns weiterhin entwickeln und unsere Potenziale als Spezies verwirklichen, müssen wir uns unserer Partnerschaft mit der Natur und untereinander bewusst werden.
Obwohl der Wechsel zur industriellen Gesellschaft und zum Hyperrationalismus eine starke Trennung zur Natur mit sich gebracht hat, glaube ich, dass wir für eine neue Stufe der Naturverbundenheit offen werden – vor allem in der Wissenschaft. Vom elektronischen Mikroskop über das Hubble-Teleskop bis hin zum menschlichen Genom sind wir dabei, die Art und Weise zu verändern, wie wir das Universum und uns selber sehen und verstehen. Je näher wir hinsehen, umso deutlicher erkennen wir das Universum als einen Ort von atemberaubend enormem Umfang, erstaunlicher Subtilität und undurchschaubarer Mystik.
Kosmophilie: Die Liebe zum Universum
Der Begriff Biophilie wurde von Erich Fromm entwickelt, um die emotionale Verbundenheit und das Gefühl der Zugehörigkeit unter uns Menschen und zu anderen Lebensformen auszudrücken. Der berühmte Biologe E. O. Wilson hat diesen Begriff ausgeweitet und beschreibt damit unseren angeborenen Drang, uns mit anderen Lebewesen zu verbinden. Wenn wir ein Gefühl der Verwandtschaft und Verbundenheit zu anderen Lebensformen empfinden, kommen wir in unserer Motivation, Gefühle für alle Lebewesen zu empfinden, einen Riesenschritt weiter.
Wir können dieses Gefühl der Verbundenheit mit dem Leben und Achtung vor dem Leben auf den gesamten Kosmos übertragen – ein Wort, das der griechische Philosoph Pythagoras als Erster verwendet hat, um unser Universum als lebendige Verkörperung der natürlichen Ordnung, Harmonie und Schönheit zu beschreiben. Wenn wir auf dem Konzept der Biophilie aufbauen, können wir den Begriff Kosmophilie kreieren. Kosmophilia beschreibt die Verwandtschaft und Verbundenheit, die wir mit der Gesamtheit der Natur empfinden, und unsere Erfahrung der gefühlten Verbundenheit mit der Harmonie und Schönheit unseres Universums. Unser Bezug zum Universum besteht aus Biophilie (der Liebe zu anderen Lebewesen) und aus Kosmophilie (der Liebe zum Universum in seiner Gesamtheit).
Naturforscher haben einen tiefen Blick in das Wesen des Universums geworfen und sind voller Staunen über seine Schönheit und Lebendigkeit zurückgekehrt:
Erklimme das Gebirge und spüre seine frohe Botschaft. Die Friedlichkeit der Natur wird in dich hineinfließen, so wie Sonnenschein in Bäume hineinfließt. Der Wind wird seine Frische in dich hineinblasen, und Gewitter ihre Energie, während die Sorgen wie Herbstlaub von dir abfallen werden.
John Muir, Forscher und Naturforscher
Ich glaube an Gott, aber ich schreibe Natur.
Frank Lloyd Wright, Architekt
Ein Gefühl tiefer und intimer Verbundenheit zur Natur und dem Universum ist ein Thema, das sich aus den Betrachtungen der Astronauten ergibt:
Als ich bei der Rückkehr zur Erde durch 240.000 Meilen Weltall auf die Sterne und den Planeten blickte, von dem ich gekommen war, erlebte ich das Universum plötzlich als wissend, liebevoll, harmonisch.
Edgar Mitchell
Als ich im Dezember 1972 der letzte Mensch war, der den Mond betrat, stand ich in der blauen Dunkelheit und schaute von der Oberfläche des Monds wie verzückt auf die Erde. Was ich sah, war beinahe zu schön, um es zu begreifen. Sie ergab zu viel Logik, zu viel Sinn – sie war einfach viel zu schön, um nur eine Laune der Natur zu sein.
Gene Cernan
Es gibt ein lebhaftes Gefühl der Verbindung und Verbundenheit, die wir auf jeder Ebene mit der Natur erleben können – von einer kleinen Blume bis hin zu einer Galaxie. Durch Kosmophilie spüren wir unser direktes Eintauchen in das subtile Feld aus Lebendigkeit und Energie, von dem das Universum durchdrungen ist.
Dass wir in einem lebendigen Feld der Existenz leben, ist eine uralte Erkenntnis. Erst in den letzten Jahrhunderten hat die Wissenschaft dem modernen Verstand diese Erkenntnis ausgeredet, indem sie behauptet, Materie sei leblos und das Weltall sei nur eine leere Bühne. Nun stellen ausgerechnet die Werkzeuge der Wissenschaft diese Ansicht von einem leblosen Universum in Frage. So wie wir anfangen zu erwägen, ob die Erde ein vereinter, lebendiger Organismus ist, beginnen wir auch zu fragen, ob das Universum eine einzige, integrierte Lebensform ist. Zwar ist die Bedeutung dieses Satzes komplex, doch eine sinnvolle Definition ist, dass ein lebendiges Universum ein vereintes und vollkommen voneinander abhängiges System ist, das ständig vom Fluss enormer Mengen an Lebensenergie regeneriert wird, zu deren Grundwesen das Bewusstsein oder die selbstreflexive Fähigkeit gehört, die Systemen auf jeder Existenzstufe ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit ermöglicht. In Kapitel 2 werden wir all diese Eigenschaften und noch mehr untersuchen.
Macht Lebendigkeit einen Unterschied?
Welchen Unterschied macht es, ob das Universum tot oder lebendig ist? Wenn Kinder Hunger leiden, das Klima destabilisiert wird, Ölquellen versiegen und die Weltbevölkerung wächst, warum ist es dann wichtig, sich mit dieser Frage zu befassen? Wen kümmert es, ob wir in einem lebendigen Universum leben – warum sollte das einen Unterschied machen? Im Folgenden finden Sie ein paar wesentliche Gründe, warum es einen großen Unterschied macht, ob wir das Universum als tot oder lebendig ansehen. Um die Gegensätze zu verdeutlichen, zeige ich die Polaritäten besonders krass auf.
Ist das Universum gleichgültig oder uns freundlich gesonnen?
Welche Einstellung wir zum Universum haben, das uns umgibt, hat eine enorme Wirkung auf unsere Lebenserfahrung. Wenn wir das Universum grundsätzlich für leblos halten, werden Gefühle der existenziellen Befremdung, Panikattacken, Ängste und Befürchtungen verständlich. Warum sollten wir die Verbundenheit mit der kalten Gleichgültigkeit lebloser Materie und leeren Raums suchen? Wenn wir uns dem Leben hingeben, werden wir nur in existenzieller Verzweiflung versinken. Doch wenn wir in einem lebendigen Universum leben, werden Gefühle einer subtilen Verbundenheit, der Neugier und Dankbarkeit selbstverständlich. Dann sehen wir uns als Teilhaber an einem kosmischen Garten des Lebens, den das Universum seit Milliarden von Jahren geduldig hegt und pflegt. Die Perspektive vom lebendigen Universum erlaubt es uns, von Gleichgültigkeit, Angst und Zynismus zu Neugier, Liebe und Bewunderung überzuwechseln.
Geraten wir in Vergessenheit oder bleiben wir in Erinnerung?
Ein lebloses Universum hat in seinem Fundament kein Bewusstsein; daher ist es der Menschheit und unseren Schöpfungen, die sich entwickeln, gegenüber gleichgültig. Nichts von dem, was wir tun, ist von dauerhafter Bedeutung. Alles wird in Vergessenheit geraten. Dasselbe Prinzip trifft zu, egal ob es sich um den Einzelnen oder eine ganze Weltzivilisation handelt: Ein totes Universum erzählt keine Geschichten. Ein lebendiges Universum ist von sich aus eine riesige Geschichte, die sich andauernd entfaltet und zahllose einzigartige Figuren enthält, die mitreißende Dramen des Erwachens spielen. Die Essenz dieser Geschichten und was daraus gelernt wird, bleibt in Erinnerung und erhalten. Dadurch hat ein Universum, das sich weiterentwickelt, Weisheit, die es an seine Nachkommen weitergeben kann.
Sollen wir uns abgrenzen oder zusammentun?
Wenn