Ich habe deshalb die oben angeführten Ereignisse als Leitmotiv für diesen Kriminalroman aufgegriffen und derart dargestellt, wie ich sie mir bei ähnlich motivierten Untaten von unseren Staatsanwälten, Polizeikräften und Gerichten gewünscht hätte. Das geschilderte Geschehen sowie sämtliche darin vorkommende Namen und Positionen sind fiktiv und von mir frei erfunden. Etwaige Übereinstimmung mit real existierenden Personen oder Begebenheiten sind rein zufällig.
Als positiv denkender Mensch bemerke ich gleichwohl mit Genugtuung, dass inzwischen beim größten Teil unserer Bevölkerung sowie in den meisten Mitgliederländern unserer Europäischen Union erfreulicherweise wachsende Ablehnung des neo-rechtsgerichteten Populismus wiedererwacht und dieser widerlichen Strömung die gehörige Absage an den Wahlurnen erteilt wird. Es keimt daher in mir die große Hoffnung, dass man zukünftig diesen dunklen Kräften mit der gebotenen Entschiedenheit entgegentritt und sie nicht tatenlos gewähren lässt! Demokratie und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit und auch nicht zum Nulltarif zu haben! Sie müssen allzeitig von uns allen entschieden verteidigt und, wo immer erforderlich, wiedererobert werden!
Manfred Eisner, im Sommer 2017
1. Ein ungelöster Fall
»Moin, Kollegen!« Fröhlich begrüßt die Teamleiterin der neu geschaffenen Task-Force Sonderermittlungen im Kieler LKA, Kriminalhauptkommissarin Nili Masal, beim Betreten des ihnen zugewiesenen Arbeitsraumes ihren Partner Kriminalkommissar Robert Zander sowie die neu aus Hamburg hinzugekommene Kollegin, Kriminalkommissarin Margit Förster, die hier erst vor wenigen Tagen ihren Dienst angetreten hat. Auf ihren Schreibtischen türmen sich Aktenordner älterer, noch ungelöster Fälle von sämtlichen LKA-Dezernaten. Sie wurden ihnen in der vorigen Woche vom Hausboten Herrn Siewert auf Veranlassung ihres direkten Vorgesetzten, dem Ersten Kriminalhauptkommissar Walter Mohr, zur Bearbeitung gebracht.
»Moin, Nili! Das sind ja leidige olle Kamellen, die uns unser werter Chef Herr Waldi da verabreicht hat!«, lamentiert Robert witzelnd.
»Ach nö«, widerspricht ihm die ›Neue‹, »das kann ich nicht unbedingt unterschreiben, Kollege Zander! Ich habe hier einen immer noch unaufgeklärten Fall vorliegen, der es meines Erachtens durchaus wert erscheint, dass wir uns mit ihm befassen!«
»Sie machen mich wirklich neugierig, Frau Kollegin.« Nili lächelt. »Aber lassen Sie uns erst einmal meine neue Errungenschaft ans Stromnetz anschließen, denn ohne einen Becher Kaffee funktioniert meine Denkmaschine nicht. Also, Robert, helfen Sie mir, bitte?«
Gemeinsam packen sie das kürzlich erstandene Wundergerät aus, das die jeweils exakte Menge Kaffeebohnen für jeden Becher abmisst und frisch gemahlen dem Dampfstrahl zuführt, der das aromatische Gebräu extrahiert. Auch Margrit Förster beteiligt sich an der Endmontage des Gerätes und füllt den Wasserbehälter.
Nili schaltet die Heizung für das Wasser ein. »Ich hoffe, auch Ihnen schmeckt meine Lieblingskaffeemarke«, meint sie, während sie eine Tüte Darbovens Idee Classic öffnet und die duftenden gebrannten Bohnen in den Trichter rieseln lässt. Durch ein patentiertes Behandlungsverfahren vor der Röstung sind die Bohnen sehr magenfreundlich, büßen allerdings weder ihren anregenden Koffeingehalt noch das Aroma ein. Übrigens: Um die Milch für den Kaffee gekühlt zu halten, habe ich bereits einen kleinen Kühlschrank beantragt.« Nili holt ihren Becher mit dem geschwungenen roten Aufdruck ›Mi querido Tinto‹ und stellt ihn unter die Auslauftülle des Gerätes. Schließlich drückt sie die Taste mit dem Becherlogo. Es dauert einige Sekunden, dann portioniert und mahlt der Apparat den Kaffee und presst die gemahlenen Bohnen zusammen. Wenig später zischt es, und kurz darauf fließt das braune Getränk dampfend in Nilis Becher.
»Was bedeutet die Aufschrift? Spanisch?«, fragt Robert und deutet auf ihren Becher.
»›Mein geliebter Tinto‹, sinngemäß der Kaffee, wie ihn die Kolumbianer liebevoll nennen und in Unmengen genießen. Ich bekam ihn als Andenken von Sandra, eine liebe Kollegin, mit der ich dort im vorigen Jahr zusammen mit Oberstaatsanwalt Harmsens Tochter Kitt auf Banditenjagd war, um geheime Kokaplantagen und Kokainhersteller aufzuspüren. Aber das ist eine längere Geschichte, vielleicht ein anderes Mal. Sobald jeder seinen Becher Kaffee hat, wollen wir uns jetzt lieber den Fall näher ansehen, der Kollegin Försters besonderes Interesse geweckt hat.«
Während sie genüsslich am frisch gebrühten Kaffee nippen, trägt Margrit aus der Akte vor. Es ist schon fast ein Jahr her, seit die achtzehnjährige Gymnasialschülerin Heide Mertens spurlos verschwunden ist. Ein eigentlich hübsches, blondes Mädchen, das mit blauen Augen vom herumgereichten Bild strahlt, wären da nicht die vielen kleinen Ringe und anderes Gedöns an Nase, Lippen und Ohren, mit dem sie ihr Gesicht piercen ließ.
»Warum sich die jungen Leute von heute so etwas antun, ist mir schleierhaft«, wundert sich Robert.
Margrit berichtet weiter, dass Heide von ihrer alleinerziehenden Mutter und ihren Lehrern als eine nette und fröhliche junge Deern beurteilt wurde, deren baldigem Abi dank eines passablen Notendurchschnitts nichts mehr im Wege gestanden habe. Die vom Vater kurz nach Heides Geburt geschiedene Mutter Anna Mertens ist Frisörin in einem Salon in der Innenstadt. Im dritten Stock eines Wohnhauses wohnt sie in einer eigenen kleinen Zweieinhalbzimmerwohnung, die sie nach dem Tod ihres Vaters, ein eingefleischter Gewerkschaftler und SPD-Mitglied, mit der kleinen ihr hinterlassenen Erbschaft gerade noch finanzieren kann. Vom Gatten Eike Mertens, ein arbeitslos gewordener Arbeiter des ehemaligen Alsen Zementwerks, trennte sie sich, nachdem dieser in die üble Gesellschaft von krawalligen Kumpanen aus dem rechten Spektrum geraten, zunehmend dem Alkoholgenuss verfallen und wenig später an Leberzirrhose verstorben war. Sportlich betätigte sich Heide seit der frühen Jugend beim Fechtverein im Steinburger Sportklub und konnte dort einige Erfolge feiern und Trophäen gewinnen. Ihre Fechtausrüstung hatte sie sich von den zusammengesparten Trinkgeldern gekauft, die sie in den Ferien und an den Wochenenden in einem Eiscafé in der Innenstadt bekam. Mit ihrer schönen Altstimme bereicherte sie einen Gospelchor, mit dem sie gelegentlich auf Konzerttourneen in der Umgebung auftrat. Laut Aussage ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler war sie eine stets hilfsbereite und sportlich begeisterte Schulkameradin, gut gelaunt und allseits beliebt, immer gefällig, wenn man sie um Unterstützung bat.
»So weit zum Hintergrund der vermissten Person«, resümiert die Kriminalkommissarin. »Über ihr unerklärliches Verschwinden nur noch Folgendes: Seit jenem frühlingshaften ersten Schultag nach den Osterferien war Heide nicht mehr am Kaiser-Karl-Gymnasium zum Unterricht erschienen. Laut ihrer Mutter, die daraufhin eine Vermisstenanzeige erstattete, war sie mit einer Freundin namens Marianne, der Mutter allerdings nicht bekannt, über die Ferien nach Sylt gefahren, wo die beiden Mädels angeblich eine Stelle als Serviererinnen in einem Strandimbisslokal angenommen hatten. Die Mutter berichtete, sie hätte am Tag nach der Abreise eine SMS von Heide bekommen, in der sie schrieb, sie sei gut angekommen und alles wäre okay. Die polizeilichen Ermittlungen verliefen im Sande, da man weder Spuren von besagter Marianne oder Heide noch von einer Bahnfahrt der beiden oder des von ihr genannten Lokals auf der Insel ausmachen konnte.«
»Wahrlich seltsam, da haben Sie recht, Frau Kollegin. Sonst nichts Brauchbares in der Akte?« Nili schaut ihre Kollegin fragend an.
»Nicht wirklich. Nach mehr als sechs Monaten der ergebnislosen Suche ordnete Staatsanwalt Dr. Uwe Pepperkorn im Einklang mit der Oberstaatsanwaltschaft an, die Soko Mertens aufzulösen und die Akte bis auf Weiteres ruhen zu lassen.«
»Wer