Harka. Liselotte Welskopf-Henrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические приключения
Год издания: 0
isbn: 9783957840004
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      Dabei spürte er den kritischen Blick des anderen und zitterte.

      »So, da liegst du, hilflos wie so’n abgehäuteter Büffel. Willst du mir endlich sagen, was du hier gesucht hast?«

      Dem Triefnassen kamen die Tränen der Angst und der Wut. »Gold – aber es ist nichts damit.«

      »Gold! – Wer hat dich denn geheißen, hier Gold zu suchen? He?«

      »Ach, ’s war so ein Gerücht – und das Geschäft ging nicht gut.«

      »Was für ein Geschäft?«

      »Mit Pelzen und Branntwein.«

      »Wärest du dabei geblieben, das ist was für solche Dummköpfe wie dich! Wo hast du denn alle deine Zähne gelassen? He?«

      »In Minnesota, Sir, bei den Dakota. Voriges Jahr.«

      »Bin kein Sir, du Hohlkopf.«

      Der Triefnasse fasste sich und setzte sich auf. Etwas ruhiger geworden, betrachtete er sein Gegenüber. Der andere war ein junger Bursche, sicher nicht älter als zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig Jahre, rötlichblond, mit einem wettergegerbten, hageren, starkknochigen Gesicht. Um den Mund lag ein böser Zug. Der Triefnasse beschloss, sich weiterhin sehr in Acht zu nehmen. Nach seinem missglückten Höhlenabenteuer wollte er nicht noch zu guter Letzt das Leben einbüßen.

      »’s war nur so ein Gerücht«, knüpfte er wieder an. »Unbestimmt wie so’n Wind, der nicht weiß, woher er kommt und wohin er geht, aber um die Black Hills herum sollte es sein, dass was gefunden worden wäre, aber gesehen habe ich wiederum keinen, der was hatte. Aber bei dem verdammten Dakota-Aufstand vergangenes Jahr haben sie mir in Minnesota meine Bude kaputt gemacht und meine guten Zähne ausgeschlagen ... und so wollte ich sehen ... na ja ...«

      »… ob die Dakota hier friedlicher sind? Kann dich warnen, mein Bester. Sie haben einen Vertrag gemacht, dass das Land hier für ewige Zeiten ihnen allein gehört, und wenn du dich als Weißer blicken lässt, werden sie dich ganz gemütlich martern und dich ohne Gewissensbisse zu Tode rösten. Und dein Skalp weht an der Stange.«

      »Habe nicht die Absicht, ihnen ins Garn zu laufen.«

      »Absicht oder nicht, du warst schon beinahe in ihren Fängen. Wo hast du denn deine Schaftstiefel gelassen, he?«

      »Schaftstiefel?«

      »Stell dich nicht dumm, das mag ich nicht leiden, das hält mich nur unnütz auf. Du bist da unten im Wald deutlich und breit auf Moospolster getrampelt.«

      Der Triefnasse erschrak. »Eine Spur hab ich gemacht?«

      »Eine wahre Elefantenspur, mein Bester. Und dann bist du in das Höhlenloch geklettert?«

      »Ja ...«

      »Und da ist dir keiner begegnet? Außer mir zum Schluss?«

      »Doch ...«

      »Ein Glück, dass du es zugibst. Wie war denn das?«

      »Weiß auch nicht genau – schauderhaft war’s. Ich wollte den Wasserarm hoch – riss mich das Wasser wieder runter. Ich wollte mich festhalten, kriegte in der Finsternis einen Menschen zu fassen – na ja –, aber der Kerl wollte nicht mit und gab mir einen Fußtritt, der nicht mehr feierlich war ... da sauste ich mit dem Wasserfall ab.«

      »Aha ... hmhm ... haha ... nicht übel ... und komisch. Jedenfalls geb ich dir den einen guten Rat, mein Lieber: Verschwinde aus der Gegend, aber mit der Geschwindigkeit eines Mustangs!«

      »Ich weiß nicht, ob ich noch ein Pferd habe.«

      »Aber ich weiß es, ich hab’s nämlich. Das besteigst du und gehst los, und wenn du dich noch ein einziges Mal in diesen Wäldern hier blicken lässt, bist du eine Leiche! Verstanden? Das hier ist mein Revier.«

      »Hab verstanden. Dein Revier.«

      »Ich bin schlauer als du, merkst du das?«

      »Ja.«

      »Also richte dich danach. Ich gebe dir dein Pferd zurück, ist ’ne Schindmähre, die ich nicht brauche, und du machst dich auf den Weg ... wie heißt du?«

      »Ben.«

      »Soll ich dir ein gutes Geschäft sagen?«

      Ben atmete tief und schaute den anderen aus den Augenwinkeln dankbar an. »Sag’s.«

      »Reite zum Niobrara runter, mach dort ’ne Bude auf. Das ist ’ne Gegend, die Zukunft hat. Ich sorge dir für die erste Kundschaft, damit du wieder auf die Beine kommst. Pulver und Blei müssen immer da sein und Schnaps ... dann kommen die Jäger, die Indianer und die Felle ganz von selbst.«

      »Aber die Indianer ...«

      »Du bist ein Idiot, hab ich dir schon mal gesagt. Du kannst nicht hier in ihren Prärien und Wäldern rumschnüffeln, wenn sie selber hungern – du jedenfalls nicht –, aber wenn du ihnen Pulver und Blei verkaufst ...«

      »Jajajaja ... aber das geht alles etwas schnell ...«

      »Bei mir geht immer alles schnell, das Leben und das Sterben, merk dir das. Also bist du einverstanden?«

      »Ich will’s versuchen.«

      »Legst du Wert auf meine Freundschaft, du Hohlkopf?«

      »Großen.«

      »Das ist dein Glück. Komm!«

      Halb betäubt ließ sich Ben durch den Wald führen. Es war ein weiter und beschwerlicher Weg, den ihn der andere mitschleppte. Mehr als einmal stolperte Ben aus Erschöpfung, denn seine vierzig Sommer und Winter hatte er schon auf dem Buckel, und seine Kräfte reichten auch in normalem Zustand nicht mehr an diejenigen des jungen rothaarigen Burschen heran. Als die beiden endlich zu den Pferden kamen, machte Ben sofort die Satteltasche auf und griff gierig nach seiner eisernen Ration von Trockenfleisch.

      »Das hab ich dir gelassen«, sagte der andere spöttisch, »und jetzt mach dich davon!«

      »Ich hab keine Waffen ...«

      »Mir doch egal; warum hast du sie verloren? Ab mit dir und schau in deinem ganzen Leben die Black Hills nicht mehr an, kapiert?«

      »Kapiert.« Ben seufzte sehr tief. Dann bestieg er sein Pferd und lenkte es vorsichtig durch den Wald, um sich schließlich südostwärts durch die Prärie davonzumachen. Er fror jämmerlich in seinen nassen Kleidern, aber er kannte nur noch einen Gedanken: aus dem Machtbereich des anderen zu entkommen. Es hatte ihn jedoch eine derartige Furcht vor diesem Menschen gepackt, dass er im tiefsten Innern entschlossen war, die Handelsstation am Niobrara, die dem anderen nützlich schien, aufzumachen. Mit so einem Teufelskerl musste man sich gutstellen ... und vielleicht konnte er am Niobrara wirklich wieder etwas verdienen, mit weniger Risiko als in dieser Höhle, die mit ihren wirren Gängen und wilden Wassern eine einzige große Menschenfalle war.

      Der andere lachte vor sich hin, sobald er von einem Baum aus beobachtet hatte, dass Ben tatsächlich im Galopp das Weite suchte. »Der Hohlkopf«, sagte er noch einmal. »Einer allein wird das Gold finden ... und der eine bin ich.«

      Er lief zu seinem Pferd zurück, aß den Rest einer Jagdbeute vom Vortag, ohne Feuer zu machen, und legte sich dann bei seinem Tier für ein paar Stunden schlafen. So, wie er es sich vorgenommen hatte, wachte er wieder auf. Es war schon dunkel. Das störte ihn bei seinem Vorhaben nicht. Da er wusste, dass die Bärenbande mit ihren Zelten fortgezogen war, begab er sich ohne viel Vorsichtsmaßregeln zu dem Waldhang, an dem sich der Felsen mit jenem Höhleneingang befand, den Mattotaupa und Harka benutzt hatten. Auch der Fremde gelangte mit Hilfe des Lassos zu der Öffnung und stieg vorsichtig ein. Er tastete sich weiter und hörte das Wasser rauschen, das Ben zum Verhängnis geworden war. Als er den unterirdischen Bach erreicht hatte, setzte er sich auf den Höhlenboden und schlug Feuer, um sich die Umgebung genau zu betrachten. Immer wieder musterte er den Seitengang rechter Hand, aus dem das Wasser herauskam, um dann nach links hin in die Tiefe zu stürzen.

      »Verdammt noch mal«, sagte er zu