Die Neuausrichtung des Verlags macht sich also bezahlt, die Göths verdienen gut: Der durchschnittliche Jahresumsatz bewegt sich bei beachtlichen 1,5 Millionen Reichsmark und kann bis 1944 in dieser Höhe gehalten werden. Bereits 1941 steht man daher vor der Frage, wie die Gewinne aus dem Verlagsgeschäft sinnvoll investiert werden könnten, und da verfällt Amon Franz Göth, wohl auch von Mony dazu gedrängt, auf die Idee, sich an einer Druckerei zu beteiligen – ein nahe liegender Gedanke, kann man so doch die Produktionskosten der Bücher entsprechend regulieren; gleichzeitig soll die Druckerei von den Aufträgen des Verlags profitieren.
Glückliche Tage: Hochzeit mit Anny Geiger im Oktober 1938
Amon Franz Göth entscheidet sich schließlich für eine Teilübernahme der Hermes Druck- und Verlagsanstalt AG. Dieses Unternehmen ist 1921 als Druck- und Verlagsanstalt Melantrich AG gegündet worden, der Firmensitz befindet sich im neunten Bezirk in der Pramergasse 6; leitendes Vorstandsmitglied ist ein gewisser Franz Opatril. Man ist sich schnell handelseinig: Vater und Sohn Göth übernehmen nicht nur ein beträchtliches Aktienpaket, sondern kaufen auch gleich die Druckmaschinen, das Setzmaterial und die Lagerbestände der Hermes AG. Der SS-Offizier Amon Göth ist damit, wenn man so will, auch zum Druckereibesitzer avanciert.
Die Geschäftspraxis der Göth-Vertreter, das aggressive „Hineinverkaufen“, ruft allerdings bald auch Kritik und Beschwerden hervor; die Wellen schlagen hoch in der Branche. Gutachten werden eingeholt, die Betriebsräume in der Mariahilfer Straße 105 einer Prüfung unterzogen. Von einem „Geschwür“ ist in einem Schreiben der Reichsschrifttumskammer an die Wiener Landesleitung der RSK die Rede, das „mit Stumpf und Stiel, ohne Rücksicht auf Firma oder Namen des Betreffenden, ausgebrannt werden muss“. Hugo Heineke, der Leiter der Fachgruppe Reise- und Versandbuchhandel in der Reichsschrifttumskammer, zitiert Vater Göth am 26. Oktober 1942 zu sich nach München. In dem mehrstündigen Gespräch mit Heineke muss er eingestehen, dass ihm „die Dinge über den Kopf gewachsen sind“, nicht zuletzt, wie er betont, durch den „Druck“, den sein Sohn auf ihn ausübe, um eine „Erweiterung der Firma nach jeder Richtung durchzuführen“. Amon Franz Göth gelobt eine entsprechende Besserung, vor allem eine genaue Kontrolle seiner Vertreter. Wie diese arbeiten, schildert anschaulich ein Beitrag vom September 1942 im SS-Organ Das schwarze Korps. Unter dem Titel „Gangstermethoden“ heißt es da über den Vertrieb des Feldzuges gegen Polen, eines Buches, das immerhin 24 Reichsmark kostet: „Die Kolonne überfällt also beispielsweise die Gemeindesiedlung Wienerfeld und sucht dort die Wohnungen heim. Ist der Mann zu Hause, so räumt sie mit einigen leeren Redewendungen das Feld. Ist der Mann aber als Soldat an der Front – und das sind dort die meisten –, so wird die alleinstehende Soldatenfrau einer zünftigen Seelenmassage unterzogen. Die, Herren‘ legen sich eine amtliche Miene zu, mimen militärische Haltung, lassen den, Vorgesetzten‘ durchschimmern und legen also los: Das Buch müsse gekauft werden, erklärt der Inquisitor Karl Kaiser, es sei ein, aufklärendes Militärbuch‘. Die Soldatenfrau erwidert etwas zaghaft, sie könne die 24 RM nicht aufwenden, sie lebe von der Familienunterstützung. Darauf wird Kaiser, Karl, spitzig: Wie, Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass die Unterstützung zu gering sei? Der Führer gibt Ihnen genug Unterstützung, dass Sie das Buch kaufen können! Worauf die Soldatenfrau einen Ratenzahlungsvertrag unterschreibt, denn wenn ihr, der Führer‘ die Unterstützung gibt, damit sie aufklärende Militärbücher kaufen könne, muss sie wohl in den sauren Apfel beißen. Der Mann erfährt es dann aus dem nächsten Feldpostbrief und macht sich seine Gedanken über, die Heimat‘, die mit der einen Hand nimmt, was sie mit der anderen gegeben hat.“
Der Gewerbeschein vom 21. April 1941 schreibt es fest: Amon Göth ist Geschäftsführer im Verlag des Vaters.
Selbst das SS-Magazin „Das Schwarze Korps“ widmet den Vertriebsmethoden des Göth-Verlages einen kritischen Beitrag.
Vater Göth, der für Mony den Kopf hinhalten muss, zieht die Konsequenzen: Er verzichtet auf die bereits bei der Reichsschrifttumskammer beantragte Aufstockung seiner Vertretermannschaft auf 300 Mann und sorgt in der Folge für eine rigorose Überprüfung seiner Vertreter – der schlechte Ruf bleibt dem Göth’schen Unternehmen allerdings erhalten.
IM INNEREN KREIS DER MÖRDER
Im Juli 1939 wird dem Ehepaar Göth Sohn Peter geboren, das Glück der jungen Familie scheint vollkommen. Dann folgt am Abend des 9. Februars 1940 der tiefe Fall: Anny und Mony sind an diesem verhängnisvollen Tag für einige Stunden weg, als sie zurückkommen, ist Peter bereits tot – hilflos erstickt an den Folgen einer Diphtherie-Infektion.
Am 5. März 1940, knapp einen Monat nach dem tragischen Tod seines Sohnes, meldet sich Göth, der seit 1938 der in Wien stationierten 11. SS-Standarte „Planetta“ angehört, bei der Wiener Ergänzungsstelle der Waffen-SS zum Dienst; wenige Tage später, am 9. März 1940, verlässt Göth seine Familie und geht ins oberschlesische Industriegebiet, das die Nazis nach der Eroberung Polens dem „Reich“ eingegliedert haben. Er rückt ein zu einem Sonderkommando des Reichsführer-SS, und zwar wird er Verwaltungsführer in Kattowitz bei der „Einsatzführung Ost Oberschlesien“; in der Friedrichstraße 20 bezieht er privat ein Zimmer. Sein erster Dienstort ist jedoch Teschen (Ciezsyń) an der polnisch-tschechischen Grenze, eine Stadt, in der 22 Jahre nach dem Untergang der Habsburgermonarchie die Welt des Doppeladlers noch immer gegenwärtig ist. Sein Vorgesetzter in Teschen ist SS-Obersturmbannführer Franz Weilguny; die Aufgaben sind vorerst wenig spektakulär – so stellt es Göth zumindest in seiner Aussage vor dem Krakauer Untersuchungsrichter dar: Er sei mit der „Registrierung“ von Pferden und anderen Tieren beschäftigt gewesen.
Amon Leopold Göth ist nunmehr ein Auserkorener in der schwarzen Uniform mit dem Totenkopf, ein Gefolgsmann des Rassenmystikers Heinrich Himmler, in dessen Auftrag er an der Errichtung der „Neuen Ordnung“ Europas mitwirkt. „Volkstumsarbeit“ nennen die Nazis ihren wahnwitzigen Bestrebungen, Menschen kreuz und quer durch Europa zu verschieben, und die Umsiedlung der „Volksdeutschen“ ist sein erstes Arbeitsgebiet, seine Anlaufstelle das Büro der „Volksdeutschen Mittelstelle“ in Kattowitz. Diese Parteidienststelle der NSDAP, gegründet 1935, wird von Himmlers SS systematisch unterwandert; der Reichsführer-SS will seine Hände im Spiel haben, wenn es um das Schicksal der so genannten „Volksdeutschen“ geht. Geleitet wird die kurz „Vomi“ genannte Institution seit 1937 von SS-Obergruppenführer Werner Lorenz, dem Sohn eines pommerschen Gutsbesitzers, der dafür Sorge trägt, dass auch Wiener SS-Männer in den „Sonderkommandos“ arbeiten.
Mony bringt die besten Voraussetzungen für eine steile, erfolgreiche Karriere in der SS mit: Er verkörpert den Typus des jungen, intelligenten, sportlichen „Machers“, er ist ehrgeizig bis zur Selbstaufgabe, aggressiv und skrupellos, wenn es um die Erreichung eines Ziels geht. Er ist ein hervorragender Organisator, bereit, die alte Welt zu zerstören, um eine neue zu erschaffen. Er fühlt sich als „Revolutionär“ und Auserwählter vor der Geschichte, dem es beschieden ist, mitzuwirken an der Errichtung dieser neuen Ordnung. Und er ist bereit die alten Werte seiner katholischen Kindheit dafür hinzuwerfen. Er ist bereit zu töten. Nicht, weil er die Juden, Polen oder „Zigeuner“ so abgrundtief hasst, sondern weil das Töten in der Welt der SS-Männerelite an sich zu einem neuen Wert geworden ist: Wer nicht „hart“ genug ist, um zu töten, kann im Kreis der Kameraden keine Führungsaufgaben übernehmen. Mony zeigt es allen: Auch ein Wiener Gentleman hat diese Härte, ja, er übertrumpft alle!
Am 10.