Froststurm. Jan-Tobias Kitzel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan-Tobias Kitzel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957770615
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das Konzernabkommen von Rom als Totgeburt, als Lippenbekenntnis, dem in der Realität keiner folgen würde. Mit diesem Schritt hat Multichem nun aber Ernst gemacht und sich als Pionier der Umwelt gezeigt.« Die Sprecherin leitete auf ihren Kollegen der Sportabteilung über. Der Prinz war zurück bei den Bayern, nach seiner Bankdrückerzeit in Köln.

      »Jetzt kriegen die dafür sogar noch gute Publicity«, spöttelte Ben und knuffte sie in die Seite.

      Regina lachte mit gespielter Empörung auf. »Hey, mach's doch besser.«

      Dann küsste sie ihn.

      »Kann uns doch völlig egal sein. Eine solche Ankündigung können die niemals wieder zurücknehmen, das wäre ein PR-Gau ohnegleichen. Und wenn sie dank uns jetzt ein paar Lorbeeren dafür bekommen, sollen sie doch. Der Umwelt hilft es!«

      Regen prasselte auf das Vordach des Cafés und ging als kleiner Wasserfall über die überlaufende Regenrinne hinunter. Es gab schönere Ausblicke, wenn man aus einem Café auf eine Innenstadt blickte, aber keinen in Bens Gruppe schien es im Moment zu stören. Sie waren siegestrunken, wie sie in ihrer Runde saßen, tranken und lachten. Regina kuschelte sich an Bens Seite und ließ die ewigen Heldengeschichten mehr über sich ergehen, als dass sie sie genießen konnte. Sie hatte sie in den letzten Wochen zu oft gehört. Weihnachten war wie im Flug vorbei gegangen und auch die Silvesterfeier kam ihr im Nachhinein fast unwirklich vor. Sie hatten wahrlich auf den Um-Welt-Frieden angestoßen, was für ein Nonsens. Aber es war Bens Idee gewesen und damit natürlich in Ordnung. Er und seine Kumpane, eine merkwürdige Truppe, die nun erneut beieinander saß, wenige Tage nachdem das neue Jahr gemeinsam begangen worden war. Schar, der dicke Deutsch-Türke, kaute wie üblich möglichst laut Kaugummi. Kevin bemühte sich nach Kräften, sich keinen achten Kaffee innerhalb einer Stunde zu bestellen. Dem Zittern seines spindeldürren Körpers, um den die Kleidung geradezu schlotterte, nach zu urteilen, verlor er diesen Kampf. Und ihr direkt gegenüber saß das letzte Mitglied von Bens Weltenretter-Truppe: Mike, der »echteste« Öko der Truppe, samt Biolatschen, grobem Leinenpulli über dem Durchschnittskörper und ständig schlauen Sprüchen über Mutter Natur. Kein Wunder, als Langzeit-SoWi-Student hatte er ja genug Zeit, sich diese auszudenken.

      Wie passte sie überhaupt in diese Runde? Sie wusste es immer noch nicht so recht, aber es war nur wichtig, bei Ben zu sein. Nach der Multichem-Geschichte hatte sie in seinen Augen deutlich an Respekt gewonnen, war zu seinem kongenialen Partner geworden. Obwohl ihre Beziehung gerade mal wenige Wochen dauerte, waren sie ihrer Meinung nach schon auf einer höheren Stufe als der reinen Verliebtheit, es war eine echte Partnerschaft geworden.

      Kevin winkte mit seinen dünnen Ärmchen nach der Bedienung, er hatte gegen den Koffein-Höllenhund in seinem Inneren verloren. Die Runde schloss sich unter Spottrufen gegenüber ihrem Junkielein der Bestellrunde an und wenige Minuten später ließen sich alle Kaffee und Kuchen schmecken.

      Nur wenige Menschen hasteten im Regen an dem Café vorbei, die Aussicht war überschaubar, umso lauter war es zur Nachmittagszeit im Café selbst. Dadurch erklärte sich die Lautstärke, die Mike mal wieder an den Tag legte.

      »Das letzte Jahr war echt erfolgreich! Genauso müssen wir weitermachen. Noch so ein paar Dinger wie mit Multichem und wir können echt was bewegen!«

      »Richtig«, pflichtete ihm Ischar bei und schob sich ein weiteres Stück Schwarzwälder Kirsch in den Mund. Auch beleibte Menschen mussten bei Kräften bleiben. »Womit wollen wir denn weitermachen?«

      Ben grinste in die Runde und hob wie triumphierend Reggis Hand in die Höhe, der daraufhin das Blut in die Wangen schoss.

      »Ihr wollt heiraten?«, mutmaßte Kevin.

      »Quatsch, du alte Torfnase. Zuviel Holland-Spezial geraucht? Nein, Reggi hat mich auf eine klasse Idee gebracht. Wir machen einen kombinierten Hack-Bruch. Wir gehen bei einem Verschmutzer rein, verwüsten die Büros, um zu zeigen, dass wir auch Manpower haben und Reggi legt deren Webseite lahm. Dann machen wir ihnen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können: Mit der Verschmutzung aufhören oder sie können ihre Seite jede Woche neu programmieren.«

      »Und an wen hattest du gedacht?« Ischar stürzte den Rest seines Kaffees hinunter.

      Ben beugte sich verschwörerisch vor. »NexGen.«

      Kevin guckte ihn ungläubig an, kramte in seiner Tasche und holte seine Handheld-Spielekonsole hervor, auf der groß das NexGen-Logo prangte.

      »Den Hersteller der ersten deutschen Mobilspielkonsole?«

      »Genau den.« Ben zog das letzte Club-Magazin von Greenpeace aus der Tasche und legte es auf den Tisch. »Unsere Müsli-Freunde haben hier mal genau untersucht, wieviel Dreck bei der Herstellung einer NexGen 3000 erzeugt wird. Und was noch wichtiger ist. Wieviel davon durch kleinere Umrüstungen im Fertigungsprozess eingespart werden könnte.

      Regina schüttelte den Kopf. Ihr wurde flau im Magen.

      »Hey, Jungs, macht keinen Scheiß. Das wäre ein derart heftiger Hack ... bin mir kaum sicher, dass ich das überhaupt hinbekomme.«

      Ben drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

      »Muss ja auch nicht sofort sein. Du guckst dir die Seite die Tage mal an und sagst uns, wie lange du zur Vorbereitung brauchen würdest. Wir müssen den Bruch ja auch erst noch vorbereiten, in so eine Fertigungsanlage spazieren wir ja auch nicht über Nacht einfach mal so rein.«

      »Trotzdem bin ich mir nicht sicher, dass das was wird.« In den letzten Wochen hatte sie an einigen Aktionen von Bens Aktivistenzelle teilgenommen, aber das hier war rein hackingtechnisch auf jeden Fall die größte Nummer. Wie stellten sich die Jungs das vor?

      »Männer, hört mal zu. Ich weiß, ihr habt von meiner Art der PC-Magie keine große Ahnung, aber das hier wäre eine Art Meisterstück. Für einen Vollprofi, der das hauptberuflich macht.«

      Mike zwinkerte ihr zu. »Du hast in der letzten Zeit derart viel möglich gemacht, woran wir früher gescheitert wären, du schaffst das. Hör auf Ben. Wenn er sagt: Guck erst mal und bereite vor, dann mach das. Er kennt dich besser als wir alle. Wenn er meint, du schaffst das, vertrauen wir ihm.«

      Ben deutete eine Verneigung zu seinem Freund an.

      »Zuviel der Ehre, du alter Dauerstudent. Dennoch danke.«

      Ischar legte einen Zehner auf den Tisch.

      »So, Leute, ich muss. Hab gleich noch 'ne Verabredung.«

      Ben lachte. »Mit einer Tiefkühlpizza?«

      Der Angesprochene drehte sich um.

      »Wenn du wüsstest...«. Der Dicke grüßte nochmal in die Runde und ging.

      Irgendwie sah er etwas zittrig aus, befand Regina. Sie würde ihm morgen beim nächsten Treffen seine Lieblingskekse mitbringen, damit war Ischar immer wieder auf die Beine zu kriegen. Selbst die Bisse des Wachhundes letzte Woche hatte sie damit »kuriert«.

      »Ok, da Ischar weg musste, würde ich sagen, wir lassen das Thema dann für heute auch gut sein. Alles Wichtige ist ja auch erst mal geklärt.« Ben legte bei diesen Worten den Arm um Regina, die sich an ihn kuschelte.

      Mike lächelte. »Manchmal seid ihr so schmalzig, es ist kaum auszuhalten.« Er hob seine Cappuccino-Tasse. »Aber ich gönne es euch.«

      Regina grinste zurück.

      Die Runde leerte langsam Getränke und Teller, schwatzte noch ein bisschen über Gott und die Welt und wandte sich dann zum Gehen.

      Mike trat als Erster ins Freie, klappte den Kragen seines groben Wollmantels hoch und verharrte unter dem Vordach. Ben folgte, Regina im Arm. Kevin kam natürlich als letztes, mit derart zittrigen Händen war es auch schwer, einen Reißverschluss zu schließen. Der Regen prasselte nur so herab, die Innenstadt war so gut wie leer. Nur wenige Passanten waren unterwegs und wenn, dann wie Schildkröten verborgen unter tief gehaltenen Schirmen. Die Gruppe ging gemeinsam noch ein paar Meter, eilte von Vordach zu Vordach. Plötzlich blieb Ben stehen, mitten in der Fußgängerzone, ohne ersichtlichen Grund. Alle stoppten.

      »Was?«,