Von der Kriegseuphorie zu Bombenkrieg und Vernichtung
Dass der Beginn des Ersten Weltkrieges in der Reichshauptstadt eine allgemeine Kriegseuphorie auslöste, ist bekannt. Zeitgenössische Quellen bieten ein differenzierteres Bild, fanden doch noch in der Woche vor der Mobilmachung an 28 Versammlungsorten in der Stadt machtvolle Friedenskundgebungen der Sozialdemokraten statt, deren Teilnehmer anschließend von der Polizei in heftige Auseinandersetzungen verwickelt wurden. Auch vor den Sparkassen kam es zu Unruhen, Tausende wollten über ihre Guthaben verfügen, und Berlins Taschendiebe sorgten für ihren persönlichen Anteil daran.
Rasch verflog bei den skeptischen Berlinern die tatsächlich vorhandene Kriegsbegeisterung. Schon im Mai 1915 demonstrierten Frauen vor dem Reichstag für den Frieden, im Oktober brachen die ersten Unruhen wegen der Lebensmittelknappheit aus. Die Rationierung und der Kohlrübenwinter 1916/17 verschärften die Situation. Am 16. April 1917 folgten 300 000 Arbeiter dem Aufruf der Metallarbeitergewerkschaft zum Generalstreik, im Januar 1918 streikten die Munitionsarbeiter. Am 9. November schließlich wurde die deutsche Republik gleich zweimal ausgerufen; die Kontrahenten Sozialdemokratie und Spartakusbund (seit Januar 1919 Kommunistische Partei KPD) verstrickten sich in Auseinandersetzungen, die im Januar und März 1919 zu bewaffneten Kämpfen mit zahlreichen Toten unter den Linken führten. Von nun an gehörte Gewalt endgültig zum festen Repertoire politischer Konfrontation.
Von allen Bränden in Berlin ist der des Reichstags am 27. Februar 1933 in nachhaltigster Erinnerung geblieben. Ihn und seine Folgen zu beschreiben, bedarf es einer ganzen Bibliothek. Die These von der Alleintäterschaft des Holländers van der Lubbe hat sich noch immer nicht überzeugend gegen die Version der SA-Brandstiftung durchgesetzt. Kapital jedenfalls schlugen die Nationalsozialisten aus dem Brand, der ihnen Anlass zur Verhaftung Tausender Andersdenkender bot. Nur zehn Wochen danach zeigten sie bei einem nächsten Feuer, wes Ungeistes Kind sie waren. Am 10. Mai 1933 brannten auf dem Opernplatz die Bücher jüdischer, kommunistischer und linksbürgerlicher Autoren – ein schauriges Flammenzeichen für das Kommende. Die unterirdische Bibliothek auf dem heutigen Bebelplatz erinnert an die Bücherverbrennung.
Ihre nächste Brand- und Vernichtungsaktion bezeichneten die Nationalsozialisten euphemistisch als »Reichskristallnacht« – ein Pogrom gegen alle jüdischen Kultstätten und Geschäfte, dem beinahe alle Synagogen in der Stadt zum Opfer fielen. 12 000 Juden wurden in die KZ verschleppt; die systematische Vertreibung und Vernichtung begann.
Als am 1. September 1939 Hitlers Truppen in Polen einmarschierten, hielt sich der Kriegsjubel in Grenzen, obwohl die Berliner kaum ahnen konnten, was da auf sie zukam. Selbst als im August 1940 die ersten Bomben fielen, glaubten die meisten noch an einen deutschen Sieg. Die Bilanz nach vier Jahren Luftkrieg war ebenso schaurig wie verheerend: Die Bomben hatten mindestens 55 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt hinterlassen. Spätere Schätzungen reichen sogar bis zu neunzig Millionen Tonnen, von denen allein zwanzig Millionen in Mitte und Friedrichshain lagen.
Nachkrieg
Verglichen mit den Kriegsschrecken nehmen sich die Unglücksfälle und Brände der Nachkriegszeit beinahe harmlos aus. Grobe Fahrlässigkeit führte am 5. Juli 1951 zu einem tragischen Dampferunglück in Treptow, dessen schreckliche Folgen sich durch politische Halsstarrigkeit noch verschlimmerten. Der Schiffseigner des Ausflugsschiffs Heimatland hatte den Dieselmotor seines Dampfers gegen einen Benzinmotor ausgetauscht, der nach nur 300 Metern Fahrt infolge eines Vergaserbrandes explodierte. Von den 127 Personen an Bord – mehrere Schulklassen aus Prenzlauer Berg auf einem Ausflug nach Hessenwinkel – verbrannten oder ertranken 30 Kinder und zwei Erwachsene. Nach West-Berliner Angaben lag die Zahl der Opfer bei 49. Das Ost-Berliner Löschboot traf zu spät ein, und die Feuerwehr aus Schöneweide durfte weisungsgemäß nicht durch den Westsektor fahren. Die aus dem Westen angebotene Hilfe wurde ignoriert. Gerettet wurden viele der Überlebenden von einem anderen Schiff aus und von den Arbeitern, die in der Nähe mit dem Bau des »Tausendfüßlers« beschäftigt waren – der bis zum Bau der Elsenbrücke einzigen offiziell für Ost-Berlin nutzbaren Spreebrücke zwischen Schöneweide und der Innenstadt.
Der Eigner und Kapitän der Heimatland, nach heutigen Vermutungen nur bedingt für den Austauschmotor verantwortlich, wurde wegen vorsätzlicher Transportgefährdung in einem besonders schweren Fall zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. An das größte Unglück in der Geschichte der Berliner Schifffahrt erinnern ein am Treptower Hafen aufgestellter Gedenkstein und der Grabstein für die meisten der Opfer auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde.
Unfälle und gefährliche Vorkommnisse mit Soldaten der Besatzungsmächte kamen in Ost und West vor. Am 16. Juni 1978 peitschten plötzlich Unter den Linden, Ecke Friedrichstraße Schüsse, als der schwerbewaffnete sowjetische Deserteur Abukirow von seinen Verfolgern gestellt wurde. Bei Gransee hatte er den »Barkas« eines Waldarbeiters als Fluchtfahrzeug in den Westen gekapert.
Das größte Flugzeugunglück in der Geschichte der DDR-Luftfahrt ereignete sich im August 1972, als eine vom Flughafen Schönefeld nach Bulgarien gestartete Maschine vom Typ IL 62 bei Königs Wusterhausen abstürzte und alle 165 Insassen ums Leben kamen. Die lange geheim gehaltene Ursache: ein Konstruktionsfehler des sowjetischen Flugzeugs.
Beim Anflug auf denselben Flughafen Schönefeld stürzte am 12. Dezember 1986 etwa drei Kilometer vor der Landebahn eine TU 134 der Aeroflot in ein Waldstück bei Bohnsdorf. Bilanz: 72 Tote, darunter eine Schulklasse. Die für die »Luftkontrollzone Berlin« verantwortlichen Alliierten konstatierten »menschliches Versagen« als Unglücksursache. Die Flüsterpropaganda der Ost-Berliner Nachrichtenagentur FAMA wusste es besser: Die Ursache hieß Wodka.
Zu guter Letzt leistete sich der 19-jährige Soldat Wladimir Gregorenko, den seine Braut verlassen hatte, noch eine Kapriole, die ein paar Jahre früher böse ausgegangen wäre. Am frühen Morgen des 19. November 1990 rasselte er in einem schweren sowjetischen Schützenpanzer über Avus und Kudamm, donnerte über rote Ampeln und rammte in der Bülowstraße einen VW-Bus der Polizei.
Nach halbstündiger Irrfahrt verließ er an der Waltersdorfer Chaussee das Stadtgebiet. Bei Potsdam gelang es einem russischen Unteroffizier, den Sehschlitz des Schützenpanzers mit seiner Jacke zu verstopfen. Wladimir wanderte in den Knast.
Als besonders gefährlich hat sich auch in Berlin die Erdgasversorgung herausgestellt. Mehrfach manipulierten Kriminelle die Zuführungen zu Wohnhäusern und verursachten schwere Unglücke. Die schwerste Explosion ereignete sich am 4. August 1998 kurz nach sechs Uhr in der Lepsiusstraße 57 in Steglitz, bei der ein viergeschossiges Wohnhaus völlig zerstört wurde. Die traurige Bilanz: sieben Tote, eine gerettete Person, ein geretteter Hund und eine gerettete Katze.
Huren, Hexen, Zauberer
Eine unabhängige Justiz?
Wer da glaubt, unsere Altvorderen hätten es sich mit der Justiz leichtgemacht, der irrt. Betrachtet man allerdings die Zeit, die einst zwischen der Tat, der Anklage, dem Urteil und dessen Vollstreckung verging, so können wir Späthinteren von so kurzen Zeiträumen nur träumen.
Joachim Nestor belieh 1508 den Rat von Berlin und Cölln mit der oberen und unteren Gerichtsbarkeit, die vorher als Lehen in den Händen von Einzelpersonen gelegen hatte. 1536 mussten die Städte das untere Stadtgericht für 2250 Gulden erneut vom kurfürstlichen Küchenmeister Hans Tempelhof erwerben.
Bei todeswürdigen Verbrechen war es im 16. Jahrhundert üblich, das Urteil vom Schöffenstuhl in Brandenburg sprechen oder zumindest bestätigen zu lassen. Auch als das Berliner Kammergericht zwischen 1617 und 1632 zeitweilig Strafprozesse führte, schickten die überlasteten Räte die Akten gerne nach Brandenburg. Ab 1611 gestattete ein Landtagsabschied,