Panik. Reinhold Eichacker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhold Eichacker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783945574591
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Spuk...

      Da überkam es Mabel wie ein Sturm. Weit reckte sie ihre schlanken Arme in den sonnenbeschienenen Vorhang empor, die leuchtenden Augen voll Sehnsucht und Licht...

      »Er ist wie das Leben, wie Jugend, wie - Glück!«

      5

      Die riesige Kuppel der Michigansternwarte lag im blauweißen Mondlicht. Gespenstisch, mit langen Armen ragten die schlanken Fernrohre hinauf in den nächtlichen Himmel, um die Geheimnisse der glitzernden Sterne zu ergründen. Tiefe Stille saß in den Ecken und schlafenden Fenstern. Ab und zu klang ein leichtes metallisches Ticken sich drehender Schalter und blitzender Hebel, wie Stimmen von Saiten. Vor dem Zehnzöller dehnten sich schwebende Schatten von menschlichen Köpfen. Hoben und senkten sich, drehten sich leicht auseinander und flossen zu neuen Gebilden zusammen. Zwei schimmernde Augen träumten im Dunkel.

      »Wie wunderbar ist das doch alles! Wie namenlos herrlich!« Leise, wie gehaucht kam es von Mabels Lippen. Der andere Schatten stand langsam vom Rohr auf. Ein Schaltergriff tickte. Das scharfe Profil Dr. Nagels wuchs auf aus dem Schatten.

      »Sie träumen, Miss Mabel? Von den Sternen geht ein seltsamer Strom aus und dringt in die Herzen. Und doch ist das alles - der nächtliche Himmel, die Augen des Dunkels - für uns nur der Eingang zum ewigen Kosmos. Ein strahlendes Tor nur, umlagert von Rätseln. Für uns sind diese winzigen Sterne so dicht beieinander, als könnten wir sie spielend umfassen. Und doch sind sie so weit voneinander entfernt, dass dagegen der Abstand zur Sonne verschwindend gering ist. Für uns leuchtet dieser Stern hell und klar, und doch könnte er bereits lange erloschen sein. Platzte der Stern heute krachend entzwei, löschte sein Glanz wie ein Kerzenlicht aus. In zweihundert Jahren erst würden die künftigen Menschen es sehen. Und Sterne, die uns jetzt noch hell leuchtend scheinen, sind lange erloschen. Lichtkörper, die unser Auge nicht schaut, senden uns schon viele Jahre ihr Leuchten herüber. Plötzlich ein neuer, ringbildender Glanz, ein Stern leuchtet auf: der reisende Lichtstrahl, der erste geflügelte Bote der erdfernen Welt, hat die Erde erreicht. Das Band ist geknüpft, ein Lichtband zu uns...«

      Mabels gemeißelter Kopf sank nach vorne. Das bläuliche Flimmern umspielte ihr Haar.

      »Ich glaube, so ist es auch oft mit uns Menschen. Wir wissen nicht, ist unser Dasein nur Schein, wie Buddha uns lehrt, oder wirkliches Leben. Sind wir Gedanken des ewigen Alls, oder sind wir schon Taten. Wo liegt das Endziel, wo der Sinn?«

      Im schwarzen Nachthimmel fröstelte sie leicht.

      Nagel stellte das Rohr wieder ein und ließ es dem strahlenden Jupiter folgen.

      Mabel legte das Auge ans Glas. Eine Lichtfülle fremdkalter Welten umflutete sie. Deutlich sah sie die Schatten der kleinen Trabanten als winzige Scheibchen im Glase vorbeiziehen.

      Dr. Nagel machte kurze Notizen, vermerkte die Zeiten der Ein und Austritte und verglich sie mit vorher berechneten Daten.

      Plötzlich fasste ihn Mabel am Arm. Hart, erregt, hastig.

      »Doktor, rasch! Bitte, schauen Sie! Schnell!« Er beugte sich vor. Ein Laut des Erstaunens entfuhr seinem Mund. Er presste die Hände aufgeregt an die Hebel und atmete hörbar.

      »Ist das nicht seltsam?« fragte sie drängend.

      »Seltsam! Höchst seltsam!« nickte er flüchtig. Er regte sich nicht. Wie bereit zum Sprung stand er da, alle Nerven angespannt.

      »Fort! Vorbei! Doch es war keine Täuschung. Es kann keine Täuschung...«

      »Bestimmt nicht. Wir haben es doch beide gesehen.«

      »Was sahen Sie, bitte?«

      »Einen ganz schwarzen Punkt, etwa zweimal größer im Durchmesser als der Schatten des dritten Trabanten, und ebenso dunkel. Er zog vor der Jupiterscheibe vorüber, auffallend schnell. In etwa fünf Sekunden hatte der Punkt schon die Mitte der Scheibe erreicht. Und dann rief ich Sie her.«

      »Und ich sah den Punkt. Schwarz, wie Sie ihn beschrieben haben. In drei Sekunden durchlief er das letzte Drittel der Jupiterscheibe und war dann verschwunden.« Sie blickte ihn aufgeregt an.

      »Sollte das nicht...?«

      »Sie denken an unseren Punkt vor der Sonne? Großer Gott, ich auch! Doch wie kann der Kerl, der, wenn die Rechnungen stimmen, doch dicht um die Sonne herumkreisen soll, auf einmal jetzt zwischen Erde und Jupiter turnen?«

      »Kann ihn nicht der Merkur aus der Bahn gebracht haben?«

      »Nein, das ist undenkbar. Weder Merkur, noch Venus, noch beide zusammen könnten so etwas bewirken. Mir ist dieser Vorgang ein offenes Rätsel.«

      »Und wenn der vermeinte Planet keiner war, sondern etwa als Mond unsere Erde umkreiste?«

      »Das widerspricht dem Augenschein unserer ersten Beobachtung. Da hilft nur Ihr Vater...« Er griff nach dem Sprechrohr. »Hier Ostkuppel. Herr Direktor selbst dort, ja? Unser Punkt lief uns auf - wie? Vor der Jupiterscheibe. Wie? Das ist wahrscheinlich...«

      Das Gespräch riss jäh ab. Nagel strich sich den Schweiß von der Stirn. »Er kommt selbst herüber.«

      Auf dem Gang klangen schnelle, sich nähernde Schritte.

      Earthcliffe lief wie ein Spuk in den zitternden Lichtschein. Seine Hand riss nervös an der ergrauten Haarsträhne. »Sie sahen den Punkt vor dem Jupiter auch? Was?«

      »Auch?«

      »Eben teilte das Mount Wilson Observatorium mit, dass der Punkt vor dem Jupiter deutlich zu sehen war. Haben Sie die Positionen, Zeit und Daten der Passage notiert?«

      »Nein, leider nicht ganz. Der Punkt wurde erst von Miss Mabel durch Zufall gesehen. Sie legte die Sehne nicht fest, die er auf der Scheibe des Jupiters zog. Es fehlten nur Zehntelsekunden, bis sie mich ans Rohr rief.«

      Der kleine Professor fuhr unwillig auf. »Potz Wurzel aus dreizehn! Dann ist uns der Kerl also wieder entwischt, Herr!«

      Mabel griff seine fuchtelnde Hand. »Das Mount Wilson Observatorium hat doch die Daten!«

      »Nichts, nichts! Nützt uns gar nichts! Eine Messung ist nichts in der Trigonometrie, zwei sind alles!«

      Nagel hielt ihm die Zeichenblankette entgegen. »Meine eigene Notiz. Wenig zwar, aber immerhin besser als gar nichts. Ich schätze den Fehler auf nicht mehr als plus oder minus drei Sekunden.«

      Der Alte nahm das Papier in die Hand. Seine Finger durchspielten das bläuliche Licht, als griffen sie Zahlen und Formeln heraus. »Dx nach dt!«, schalt er laut in den nächtlichen Raum. »Damit rechnet kein Gott! Potz und Wett...!« Mit heftigen Sätzen schoss er hinaus durch die Tür.

      »Pech!« nickte Nagel. »Vielleicht - oder nicht - wollen sehn, was es wird.« Missmutig drehte er an den Schaltern des großen Motors. Mit leisem Rauschen schloss sich die Kuppel und schluckte die Nacht.

      Mit müden Schritten gingen sie quer durch den schlafenden Park. Nagel drohte mit bitterem Lachen und doch halb versöhnt zum Dunkel hinauf. Golden, strahlend, breit warf Jupiter ihm seinen Glanz zu... Sie sahen ihn beide noch, wie durch das Rohr. Eine riesige Scheibe von blendendem Schein, und auf ihm ein tanzender, höhnischer Punkt...

      »Warte nur, Freundchen, und lach‘ uns nur aus! Earthcliffe und Nagel - wir fangen dich doch!«

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