Art of Fake.. Zulehner Christoph. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Zulehner Christoph
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная публицистика
Год издания: 0
isbn: 9783981804805
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machte es sich schließlich eine viel jüngere Generation zur Aufgabe, die Marke Schiaparelli am Leben zu erhalten. Im Jahr 2006 erwarb der italienische Unternehmer Diego Della Valle die Rechte. Sechs Jahre später begann Della Valle, der bereits die Marken Tod’s, Hogan und Fay aufgebaut hatte, mit dem Relaunch. 2015 wurde Bertrand Guyon zum Design Director ernannt, ein Mann Anfang 50 mit Halbglatze, gepflegtem Vollbart und zurückhaltendem Auftreten. Er arbeitet im selben Haus, in dem sich einst das Modehaus Schiaparelli befand. Und zwar in einem Studio, in dem „Shocking Pink“ und ähnlich indiskrete Farben um die Wette leuchten wie auf einem Rummelplatz. Seine Modenschauen inszeniert er gern in den prunkvollen Gängen der Opéra Garnier, die dafür in grellrosa Licht getaucht werden. Ob all dieses Rosarot wirklich reicht, um die Legende aufleben zu lassen, bleibt abzuwarten. Schockiert von der Signaturfarbe der Schiaparelli dürfte heute jedenfalls niemand mehr sein.

      4 | DER AUTOVERKÄUFER

      Wie viele Existenzgründer scheute auch ich zu Beginn meiner Selbstständigkeit das Risiko. Schließlich verfolgt Gründer eine Horrorstatistik in den ohnehin schlechten Schlaf, nach der zwei Drittel der Neugründungen nach drei Jahren wieder vom Markt verschwunden sein sollen. Ich lebte also bescheiden und hielt meine Kosten so gering wie möglich. Ein eigenes Büro sparte ich mir und arbeitete lieber von zu Hause aus. Mein erster Geschäftswagen war ein Kia: nicht schön, nicht repräsentativ, nicht einmal komfortabel auf langen Strecken, dafür aber günstig sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt. Außerdem seitens des Herstellers mit ebenso umfassenden wie beruhigenden Garantieversprechen gesegnet. Deutsche Hersteller hatten solche Garantien nicht nötig, da ihnen die geneigte Kundschaft die Autos ohnehin aus den Händen riss. Die Fahrer eines Audi, BMW, Mercedes oder Volkswagen nahmen – und nehmen bis heute – sogar halbjährige Lieferfristen stoisch und ohne zu murren in Kauf.

      Beim Koreaner kaufte man dagegen direkt vom Hof des Händlers. Dorthin hatten einen neben den erwähnten Garantien meist noch satte Rabatte oder nahezu zinsfreie Finanzierungsangebote gelockt. In der Ausstattung unterschieden sich die Modelle auf dem Hof ohnehin kaum. Die Lackfarben waren alle ähnlich fad. Kurzum: Wer mit Autos emotional eher wenig anfangen konnte und günstig mobil sein wollte, ohne ein großes Risiko einzugehen, der war hier genau richtig. Bei mir war das jedoch anders. Ich bin eigentlich ein ziemlicher Autofan, der zudem deutsche Ingenieurskunst in höchstem Maße zu schätzen weiß. Der „Reiskocher“ war eher eine Notlösung. Bei Kundenbesuchen wollte ich denn auch am liebsten nicht beim Ein- oder Aussteigen gesehen werden. Krankenhäuser als meine primären Beratungskunden waren insofern günstig, als ich mein Auto dort unauffällig auf den meist gut gefüllten Patienten- und Besucherparkplätzen abstellen konnte.

      Mit meiner Selbstständigkeit war ich von Anbeginn erfolgreich. Doch dauerte es eine Weile, bis ich das selbst wirklich glauben konnte. Und es verstrich dann nochmals einige Zeit, bis ich Vertrauen in den dauerhaften Erfolg hatte und entsprechende Entscheidungen traf. Endlich war es dann aber so weit: Ich sah mich als erfolgreichen Selbstständigen und wollte das auch nach außen darstellen. Sie mögen mich nun als konventionell und angepasst schelten oder mir altmodisches Prestigedenken vorwerfen, doch zum Unternehmertum gehörte für mich unbedingt ein deutsches Qualitätsfahrzeug als Geschäftswagen. Also plante ich einen Besuch in einem Autohaus für Volkswagen und Audi in meiner Heimatstadt. Für Selbstständige sind solche Termine außer der Reihe meist schwierig im Kalender unterzubringen. Während einer Woche in den Sommerferien benötigten meine Projekte dann ausnahmsweise einmal etwas weniger Aufmerksamkeit. Also betrat ich eines Tages um die Mittagszeit – nicht frei von Stolz und mit einer gewissen Vorfreude, jedoch ohne vorab vereinbarten Termin – besagtes Autohaus.

      Ein Auto ist für die meisten Konsumenten der teuerste Gebrauchsgegenstand, den sie anschaffen. Bedient zu werden, ist dennoch kaum irgendwo im Handel so sehr Glücksache wie bei einem Autohändler. Schauen Sie sich nur einmal die Kundenbewertungen auf Google zu beliebigen Autohändlern in Ihrer Umgebung an. Da wimmelt es nur so von Ein-Sterne-Rezensionen mit Kommentaren wie: „Wir wollten einen Neuwagen bestellen, aber niemand hat uns beachtet. Deshalb sind wir wieder gegangen.“ Wenn Sie eine Parfümerie betreten, werden Sie vom Verkaufspersonal geradezu bestürmt. Wenn Sie dagegen in ein Autohaus kommen, können Sie nie sicher sein, ob jemand Notiz von Ihnen nimmt. Dabei sind 100 Euro für ein Parfüm ja nichts gegen die 100.000 Euro für ein Auto, denen Sie sich heute schon in der oberen Mittelklasse zügig nähern, sofern Sie bei Motorisierung und Ausstattung aus dem Vollen schöpfen. So gesehen hatte ich mir das richtige Autohaus ausgesucht: Keine halbe Minute betrachtete ich interessiert eines der ausgestellten Fahrzeuge, da machte sich bereits ein junger Mann auf den Weg zu mir.

      HÖFLICH, SOUVERÄN, ENTSPANNT, FAKER

      Nachdem der junge Mann mich ausgesprochen höflich begrüßt hatte, fragte er: „Kann ich etwas für Sie tun?“ Ich kam direkt zum Punkt und erklärte ihm, dass ich mir einen neuen Geschäftswagen kaufen wollte und das Modell, vor dem wir gerade standen, schon einmal grundsätzlich infrage kam. Erst jetzt, als ich den jungen Mann aus der Nähe sah, fiel mir auf, wie jung er wirklich war. Sehr jung. Vom Gesicht her wirkte er wie ein Schulbub. Doch wie er auftrat und mich nach meinen Wünschen fragte, schien er hier tatsächlich einer der Verkäufer zu sein. Er trug lediglich nicht den für Autoverkäufer typischen dunklen Anzug mit Krawatte, sondern Smart Casual: dunkle Jeans, akkurates Hemd, Pullover mit V-Ausschnitt. Auf einem silbernen Namensschild mit VW- und Audi-Logo, das er angesteckt hatte, stand in schwarzen Lettern: „Herr Stangl“. Kein Zweifel, der Herr Stangl war dazu da, mir alles über die Autos dieses Händlers und mögliche Konditionen zu erklären. Er würde meine Fragen beantworten und mich im Idealfall zur Unterschrift unter einen Kaufvertrag bewegen.

      Vor meinem Besuch im Autohaus hatte ich mir bereits eigene Gedanken gemacht: Das neue Auto sollte alltagstauglich sein, ein komfortabler Reisewagen und auch vom Design her ansprechend. Daneben gab es die speziellen steuerlichen Regelungen für Firmenwagen zu bedenken. Ich hatte gehört, dass sich bestimmte Fahrzeuge für Selbstständige rechneten, während andere leicht zur Kostenfalle werden konnten. Herr Stangl gab mir das Gefühl, meine Bedürfnisse auf Anhieb zu verstehen. Ich fühlte mich abgeholt. Zwar merkte ich schnell, dass seine Leidenschaft mehr der Technik galt als den Preisen und den Prozenten. Doch erstens sah ich ihm das nach. Und zweitens hatte ich bei den Fahrzeugen, die in die engere Wahl kamen, noch durchaus Fragen zu technischen Details: Ab welcher Motorleistung war man kein Verkehrshindernis mehr? Welcher Verbrauch war in der Praxis realistisch? Was für eine Rad- und Reifenkombination bot den besten Kompromiss aus Handling und Komfort? Diese und weitere Fragen beantwortete Herr Stangl souverän. Er zog alle Register, sprudelte nur so vor Fachwissen und hatte immer eine eigene Meinung.

      Die ganze Szene im Verkaufsraum erinnerte mich an eine typische Situation in der Schule. Vielleicht erinnern Sie sich auch daran? Ich meine jene Schüler, die ausnahmsweise einmal richtig gut vorbereitet zu einer Stunde kamen und dann unbedingt drankommen wollten. So wirkte auch Herr Stangl auf mich: richtig gut vorbereitet und glücklich, dass er heute drankam und so viel erzählen durfte. Dabei trat der junge Mann zu keinem Zeitpunkt besserwisserisch oder gar arrogant auf. Sehr entspannt, lässig und nahbar kam er mir vor. Später, viel später erst gestand mir Herr Stangl, er sei bei diesem Gespräch so nervös gewesen, dass er sich fast in die Hose gemacht hätte. Doch noch erkannte ich ihn nicht als Faker. Vielmehr wollte ich langsam den Sack zumachen und ein Auto bestellen. Zunächst setzte sich Herr Stangl mit mir an einen Tisch mit Computer. Dort spielte er verschiedene Konfigurationen durch.

      Am Ende waren nur noch die finanziellen Konditionen und die steuerlichen Fragen offen. Zum ersten Mal wirkte Herr Stangl jetzt ein klein wenig unsicher. Es war nur eine minimale Veränderung seiner Ausstrahlung, aber doch spürbar. Fast im selben Moment ging die Eingangstür auf und eine kleine Gruppe von Männern in dunklen Anzügen kam herein. Offensichtlich kamen da Mitarbeiter aus der Mittagspause zurück.

      Fast