Anders – aber trotzdem glücklich. Anke Dalder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anke Dalder
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биология
Год издания: 0
isbn: 9783946424031
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beschlossen, es doch noch ein wenig länger zu versuchen und beeindruckt uns mit ihrem Stolz und ihrer Würde jeden Tag aufs Neue. Sie ist ein Gewinn für unser Leben und wir bereuen nicht, sie aufgenommen zu haben.

      FAZIT: Wenn man als Mensch nicht den Anspruch hat, der unumschränkte Herrscher über ein Lebewesen zu sein, kann man auch mit einem Hund wie Oma sehr harmonisch zusammenleben. Hat man zudem die Fähigkeit, sich auch über die kleinsten Fortschritte zu freuen, ist die Aufnahme eines solchen Hundes ein echter Gewinn. Wir würden es jederzeit wieder tun.

      von Gaby Schwab

      White ist eine bildschöne Groenendael-Hündin mit einem glänzenden schwarzen Fell und einem kleinen weißen Fleck auf der Brust. Bevor sie zu uns kam, hatte sie in ihrem Leben schon einige schlechte Erfahrungen gemacht. Sie war bei einem ungarischen Züchter aufgewachsen, der seine Hunde nicht gut behandelte. Tierschützer hatten daher die Zucht aufgelöst und White in ein Tierheim vor Ort gebracht. Dort lebte sie mit etwa 50 Hunden zusammen. Es fehlte der natürliche Auslauf, die Rangordnung wurde gnadenlos bestimmt und wer schwach war, hatte verloren.

      White hatte Glück. Eine Tierschützerin sah, wie sie hilflos und verschreckt in einer Ecke stand, und nahm sie mit nach Deutschland. Wenige Wochen später wurde sie vom Tierheim in eine Familie nach Hamburg vermittelt. Von der Puszta in die Großstadt, das war für die kleine, ängstliche Hundeseele zu viel. Der ständige Lärm und der Verkehr machten ihr Angst. Die Familie kümmerte sich nicht viel um sie und daher war es kein Wunder, dass Erziehungsmaßnahmen keinen Erfolg zeigten und die neuen Besitzer die Hündin zurückbrachten. Erneut war sie nun ohne ein richtiges Zuhause. Eine Hundetrainerin, die gleichzeitig auch Physiotherapeutin war, nahm sich schließlich ihrer an. Durch Tellington-Touch (TTouch) gelang es allmählich, der Hündin das verloren gegangene Zutrauen wiederzubringen.

      Unsere Schäferhündin, die fast zwölf Jahre lang bei uns gelebt hatte, war im Januar gestorben. Obwohl wir immer noch um sie trauerten, hatten wir uns entschlossen, wieder einen Hund in die Familie zu holen. Nachdem wir bereits einige Monate lang die Hunde aus dem Tierheim in unserer Stadt ausgeführt hatten, stand auch die Entscheidung fest, dass es auf jeden Fall ein Tierheimhund sein sollte. Wir waren gerade in einem Gespräch mit der Tierheimleiterin vertieft, als plötzlich ein schwarzer Blitz durch den Zwinger schoss, kurz bellte, an den Gittern hochsprang und mit beiden Vorderpfoten meinen Arm festhielt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Auch die Herzen meiner Familie eroberte White im Sturm und nachdem wir einige Tage mit ihr spazieren gegangen waren, nahmen wir sie zu uns nach Hause.

      Der erste Abend im neuen Heim verlief problemlos. Schon nach wenigen Stunden hatte White das Haus inspiziert und die Couch zu ihrem Eigentum erklärt. Sie kannte keine Treppen, also schlief sie im Wohnzimmer und begrüßte uns jedes Mal stürmisch, wenn wir vom ersten Stock hinunter ins Erdgeschoss kamen. Doch nach einigen Tagen zeigte sie uns, dass sie nachts nicht alleine bleiben wollte, und hielt jeden, der nach oben ging, an den Hosenbeinen fest. Wir konnten das nicht mit ansehen, also wurde sie abends nach oben getragen. Diese Prozedur war für alle Familienmitglieder ziemlich aufwändig, denn die Treppe war steil und der Hund hing mit seinen 25 Kilo wie ein schweres Paket in unseren Armen. Fast zwei Wochen später kam Whites große Stunde: Nachdem wir sie immer wieder gelockt hatten, nahm sie allen Mut zusammen und rannte die Treppe hinauf, als wenn es um ihr Leben gehen würde. Mit glücklichen Hundeaugen schaute sie uns an; sie hatte nun das ganze Haus erobert.

      Das Leben außerhalb des Hauses war allerdings ganz schrecklich für sie. Sie hatte eine panische Angst vor Autos, Fahrrädern, Bussen, LKWs, lauten Kindern, ja sogar vor Bobby Cars schreckte sie zurück. Schon der erste gemeinsame Spaziergang endete mit einem Desaster. Ein Radfahrer kam zu schnell um die Ecke und White versuchte alles, um zu entkommen. Nur mit Mühe und Not schafften wir es, sie zu beruhigen und nach Hause zu bringen. Auch ein Besuch am Uni-See gehörte nicht gerade zu den Höhepunkten. Wir wussten, dass White über ein ausgesprochen gutes Sozialverhalten verfügt und das große Rudel liebt. Also fuhren wir mit ihr in ein Naturschutzgebiet nahe der Uni, Uni-Wildnis genannt, in dem Hunde frei laufen dürfen. Doch schon das aufgeregte Bellen einiger spielender Hunde versetzte die Hündin derart in Panik, dass das Halsband riss und White erst einmal irgendwo zwischen Bäumen und Büschen verschwunden war. Nach fast 20 Minuten hatten wir sie gefunden; sie kam uns zitternd entgegen und beruhigte sich erst wieder, als sie im Auto saß. Fortan blieben wir erst einmal in der Nähe unseres Hauses, um kein weiteres Risiko einzugehen. Doch auch das war keine gute Idee. Beim Spielen auf einer nahe gelegenen Wiese machten Kinder plötzlich einen Höllenlärm. White erschreckte sich so sehr, dass sie wiederum sofort losrannte und, noch bevor jemand reagieren konnte, in einen Graben fiel, aus dem mein Sohn sie nur mühsam befreien konnte.

      Von da an war White nicht einmal mehr zu bewegen, vor die Tür zu gehen, um ihr Geschäft zu machen. Zum ersten Mal fiel uns auf, wie viele Menschen, Autos und Busse es selbst in unserer ruhigen Wohngegend gab. Etwas weiter entfernt lag ein kleiner, idyllischer See. Hier waren keine Autos, selten Radfahrer oder Spaziergänger und die Gartenbesitzer kamen meist erst später. Also verlegten wir unsere morgendliche Gassi-Runde dorthin. Der abendliche Gang gestaltete sich sehr viel schwieriger, denn an »unserem« See war zu dieser Tageszeit Hochbetrieb in den Gärten. Es war ein wunderschöner Sommer, den alle ausnutzen wollten. Oft mussten wir bis ein oder zwei Uhr nachts warten, denn erst, wenn wirklich alles still war und sich auch der letzte Nachbar endlich von seiner Terrasse oder seinem Balkon entfernt hatte, wurde die kleine Hündin etwas mutiger. Ausgestattet mit einem speziellen Geschirr aus bunten Nylonseilen, das uns unsere Hundetrainerin extra für White gebastelt hatte, marschierten wir durch die Gegend, immer in der Hoffnung, niemandem zu begegnen. Natürlich sah White mit ihren bunten Seilen ziemlich albern aus, aber es war die einzige Möglichkeit, sie bei Panikattacken sofort festzuhalten, normale Halsbänder und Geschirre hatten bei ihr keine Chance mehr.

      Für uns war solch eine Erfahrung völlig neu. Schließlich waren wir ausgedehnte Hundespaziergänge gewohnt und nun saßen wir in einem Jahrhundert-Sommer mit einem Hund zu Hause, der sich lieber versteckte, anstatt baden oder spielen zu gehen. Aber die Fachfrauen aus dem Tierheim standen uns ständig mit Rat und Tat zur Seite. Neben einem wöchentlichen Training, das wir mit unserer Hündin absolvierten und das der Stärkung ihres Selbstbewusstseins dienen sollte, hatten sie uns Bach-Blüten zusammengestellt, die langsam zu wirken begannen. Inzwischen hatten wir am Hafen ein weiteres »hundefreundliches« Gebiet entdeckt ohne Menschen, Autos oder Radfahrer. White lebte auf, konnte ihrem unglaublichen Bewegungsdrang endlich freien Lauf lassen, rannte wie ein schwarzer Blitz am Deich entlang und war einfach nur ein glücklicher Hund, der die Welt eroberte. Auch der Waller See gehörte bald zu unseren bevorzugten Routen, denn dort waren ausschließlich freundliche Hunde und verständnisvolle Hundebesitzer unterwegs.

      Doch trotz der Liebe und Fürsorge, die White von allen Familienmitgliedern erhielt, waren wesentliche Erfolge immer noch nicht sichtbar. Eine Bekannte riet uns daher, es mit Reiki zu versuchen. Und siehe da: Wir erlebten ein kleines Wunder. Schon nach wenigen Behandlungen wurde White ruhiger, ausgeglichener und tapferer. Am See traute sie sich sogar ins Wasser und bekannte Hunde und Menschen wurden nunmehr freundlich begrüßt. Die Verwandlung eines Nervenbündels zu einer selbstsicheren Hündin veranlasste viele unserer Freunde zu der Frage: »Ist das wirklich die Kleine aus Ungarn? Das ist ja ein völlig anderer Hund!«

      Allerdings gab es weitere Hürden zu nehmen, denn vor Fahrrädern hatte White immer noch eine Höllenangst. Das Problem mussten wir als Nächstes angehen. Womit lockt man einen Hund am meisten? Natürlich mit Leckerlis. So wurde das Fahrrad kurzerhand ins Wohnzimmer gestellt und mit kleinen Wurstscheiben ausgestattet, denen White nicht widerstehen konnte. Sie versuchte, sich die Leckerbissen so vorsichtig wie möglich zu holen. Nachdem das geklappt hatte, schoben wir das Fahrrad pro Tag immer ein Stück weiter durch das Haus und schließlich auf die Terrasse, weiterhin mit feinster Wurst bestückt. Langsam verschwanden bei White Angst und Skepsis. Nach 14 Tagen machte mein Sohn mit ihr die erste Radtour – nachts, versteht sich. Heute ist es sogar möglich, mit der Hündin per Rad in die Redaktion zu fahren. Seitdem unsere nette Postbotin jeden Morgen eine kleine, leckere Überraschung