Anders – aber trotzdem glücklich. Anke Dalder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anke Dalder
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биология
Год издания: 0
isbn: 9783946424031
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hatte, und befürchtete er vielleicht negative Konsequenzen für ihn? Das Ende des Spaziergangs war schlimm wie immer, wenn wir uns verabschieden mussten. Heinrichs gläserner, trauriger Blick, als wir in unser Auto stiegen und er von seiner Besitzerin wortlos an der Leine weggeführt wurde, gab uns jedes Mal einen Stich ins Herz.

      Kurz nach diesem Erlebnis kam ein Anruf von Heinrichs Frauchen. Sie müsse dringend verreisen, ob wir wohl Heinrich nehmen könnten. Natürlich sagten wir zu, wenn wir auch Angst vor dem, was uns bevorstand, hatten. Wir dachten an unsere Berufstätigkeit und daran, dass die beiden Hunde dann allein zu Hause sein würden. Trotzdem wollten wir den alternden Heinrich bei uns haben. Ich nahm Nuria mit, als ich Heinrich abholte. Bei der Begegnung mit Heinrich bellte Nuria, stürzte sich auf ihn, drückte ihn mit der Schnauze herunter und knurrte dabei ein wenig. Das dauerte nur etwa zehn Sekunden und ich stand dabei, ohne einzuwirken. Heinrich fiel gleich um, erhob sich aber sofort wieder und schüttelte sich. Die Fronten schienen geklärt zu sein. Erst dann konnte er sich richtig über meine Anwesenheit freuen. Seit diesem Tag ist Heinrich ständig bei uns, zusammen mit Nuria. Anrufe von seiner Besitzerin enthielten immer nur oberflächliche Nachfragen, bis auch die weniger wurden und sie uns eines Tages Heinrich für immer überließ. Sie muss wohl gemerkt haben, wie sehr dieser alte, kranke Dobermann bei ihr gelitten hat. Heute zeigt er uns wieder täglich sein Lachen, läuft gerne und spielt mit seiner Gefährtin. Er frisst sogar mehr als Nuria, die wesentlich größer ist als er. Wir sind begeistert und auch ein klein wenig stolz, dass »Heini« bei uns offensichtlich richtig auflebt. Für diese sehr agile, auf der anderen Seite aber auch leicht nervöse Rasse sind 12 oder 13 Jahre ein biblisches Alter. Anfangs dachten wir, Heinrich würde nur zum Sterben bei uns sein, aber in der Zwischenzeit ist er äußerst munter und vor allem lebensfroh geworden. Es ist jeden Tag schön zu beobachten, wie Nuria und er eine dicke Freundschaft füreinander empfinden. Gegenseitig lecken sie sich das Gesicht, gemeinsam schnüffeln sie an Bäumen oder Wegen. Dabei lassen sie sich nicht aus den Augen und passen stets aufeinander auf.

      Viele Menschen empfinden unsere Hunde und damit unser Leben als sehr anstrengend. Stets müssen wir organisieren, uns immer wieder einstellen auf neue Situationen und unsere zeitlichen Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Sicherlich könnten wir, nachdem unsere Kinder das Haus verlassen haben, ein ruhigeres Leben führen, aber wir wollen es nicht. Jeden Tag empfangen wir unsagbar viel Liebe und Herzlichkeit von unseren beiden Hunden; im Verhältnis dazu ist die Belastung sehr gering. Die Hunde sind unser Hobby, welches nicht zuletzt deshalb so schön ist, weil mein Mann und ich es gemeinsam pflegen. Wir haben uns immer viel zu erzählen und können unsere Erlebnisse miteinander teilen; wir lieben unsere Hunde über alles und freuen uns, dass sie so wunderbar sind: groß, schwarz, alt, blind, unbekannter Herkunft und erst recht ohne Stammbaum. All das sind typische Merkmale, die Menschen selten bei einem Hund bevorzugen, wenn sie eine Anschaffung in Erwägung ziehen. Wir aber werden uns immer wieder für einen Hund mit Handicap oder aus zweiter Hand entscheiden, denn diese Tiere zeigen uns jeden Tag ihre Dankbarkeit und ihre wieder gewonnene Lebensfreude.

      von Ulrike Feifar

      Im Juni 2002 trat Oma in unser Leben. Die damals etwa elfjährige Galgo-Grey-Hündin aus Madrid wurde uns von unseren spanischen Tierschutzfreunden vorgestellt. Jäger hatten sie jahrelang zur Zucht missbraucht. Als sie einen nicht rassereinen Wurf zur Welt brachte, sollten die Welpen getötet werden. Bei der Verteidigung ihrer Jungen – sie legte sich schützend über sie – hatte man ihr ein Auge ausgetreten. Tierschützer hatten diese Szene beobachtet, eingegriffen und sie und einen Welpen retten können. Oma hat – von ihrem fehlenden Auge abgesehen – Leishmaniose, schwerste Arthrose und schlimme körperliche sowie seelische Narben aufgrund der jahrelangen Misshandlung durch ihre Vorbesitzer. Man sagte uns, sie hätte nicht mehr lange zu leben, und so wollten wir ihr die Gelegenheit geben, vor ihrem Tod noch etwas Liebe und Zuwendung zu erfahren.

      Die ersten Wochen mit ihr waren schwer auszuhalten. Ein »zivilisiertes« Leben in einem Haus, in einer Familie mit einem Rudel aus Menschen, Hunden und Katzen war Oma völlig fremd. Sie war nicht nur interessiert daran, unsere Katzen zu töten, sondern verhielt sich auch Menschen gegenüber sehr aggressiv. Offenbar war sie es gewohnt sich durchzusetzen. Und ihre Traumata saßen tief. Um ganz ehrlich zu sein: In den ersten Wochen zweifelten wir fast jeden Tag daran, dass wir es schaffen würden. Aber wir gaben nicht auf, und das Durchhalten hat sich gelohnt. Als wir uns damit abfanden, dass sie eine reife Persönlichkeit war, und uns auf einige Kompromisse im Zusammenleben geeinigt hatten, wurde das Verhältnis zusehends entspannter. Eines war uns völlig klar: Einen Hund mit Omas Vergangenheit umzuerziehen, war nahezu aussichtslos. Aber wir konnten ihr wichtige Verhaltensregeln beibringen.

      Erstes Gebot: Du darfst keine Katzen fressen! Das hinzubekommen, war eine echte Herausforderung und nur durch ein mehrwöchiges, intensives Training möglich. Wir entwickelten ein »Codewort«, das immer, wenn Oma im Begriff war, eine unserer Katzen zu jagen, angewandt wurde, während wir sie gleichzeitig festhielten und beruhigten. Das »Codewort« funktioniert mittlerweile sogar in 80 Prozent aller Fälle, wenn wir draußen eine Katze treffen. Ein – wie wir meinen – beachtlicher Erfolg.

      Zweites Gebot: Du sollst nicht stehlen! Da alle Windhunde exzellente Diebe sind, war es wichtig für Oma zu verstehen, dass gelbe Säcke, Mülltonnen etc. keine »Supermärkte« sind. Durch konsequente Anwendung des Kommandos »Nein« konnten wir Oma innerhalb weniger Tage beibringen, solchen »Wundertüten« keine Beachtung mehr zu schenken.

      Drittes Gebot: Du sollst deine Menschen nicht beißen! Hier mussten wir schon etwas massiver eingreifen und ihr klar machen, dass WIR die Rudelführer sind. Oma wurde beim leisesten Versuch, sich aufzulehnen, streng zurechtgewiesen und durch entsprechende Unterordnungsübungen trainiert. Auch hier waren die Fronten innerhalb weniger Tage geklärt. Oma lernte außerdem Kommandos wie »Steh«, »Warten« und natürlich »Komm«, wobei Letzteres nur funktioniert, wenn sie in einem geschützten Raum ist. In freier Wildbahn dagegen sind unsere Chancen eher gering. Befehle wie »Sitz«, »Platz«, »Fuß« haben wir erst gar nicht mit ihr geübt, da sie unserer Meinung nach nicht notwendig sind und Oma sich aufgrund der häufig auftretenden Schmerzen gar nicht auf Kommando in eine sitzende oder liegende Position begeben kann. Hält man sie an der kurzen Leine, geht sie sehr brav. »Fuß« ohne Leine ist aufgrund ihres sehr ausgeprägten Jagdtriebes ohnehin nicht möglich. Wir denken, dass gerade bei einem sehr alten und stark von seinem Vorleben geprägten Hund Kompromisse dieser Art unumgänglich sind, und sie erschweren das Miteinander auch nicht.

      Ihre gesundheitlichen Behinderungen haben Oma in ihrem Verhalten nicht verändert, d. h. sie war und ist eine leidenschaftliche Jägerin und eine sehr dominante, selbstbewusste Hündin. Sie schließt keine Hundefreundschaften, verhält sich entweder neutral oder – speziell Rüden gegenüber – oft auch aggressiv. Man merkt deutlich, dass sie früher gezwungen war sich durchzusetzen, um zu überleben. Menschen gegenüber verweigert sie jede tiefe Bindung, da die negativen Erfahrungen tief verwurzelt sind. Je schlechter allerdings ihr Gesundheitszustand – auch altersbedingt – wird, desto mehr sucht sie nun die menschliche Nähe, wenn auch immer noch äußerst zurückhaltend. Ich nehme an, ihre sehr ausgeprägten Überlebensinstinkte signalisieren ihr, dass sie es allein nicht mehr schaffen würde, und deshalb schließt sie sich enger an uns an. Als sie das erste Mal ihren Bauch zum Kraulen anbot, waren wir völlig begeistert. Unser schönstes Erlebnis war, als Oma – die ehemalige Katzenkillerin – unsere Samtpfoten gegenüber einem fremden Hund verteidigte. In diesem Moment wussten wir, dass sie endlich ihr Rudel gefunden hatte.

      Oma ist mit ihrem Leben – soweit wir das beurteilen können – sehr zufrieden und wenn sie heute ab und zu sogar mit Emily, einem unserer anderen Hunde, spielt, freuen wir uns wie kleine Kinder. Vor einer Woche zeigte Oma erste Anzeichen, sich mit einem Plüschtier beschäftigen zu wollen. Sie hat offensichtlich nie die Gelegenheit gehabt zu spielen und es war ein merkwürdiger Versuch … Aber immerhin! Wenn wir sehen, wie sie es genießt, in der Sonne zu liegen, und ab und zu sogar kommt, um ihren Kopf an unseren Beinen zu reiben, oder sich – selten, aber doch – ganz fest an uns drückt, wissen wir, dass sie alles gibt, was