Ein Lied in meinem Hause. Seidenbecher Erika. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Seidenbecher Erika
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783943583793
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      Euphrosine liebte ihren Mann. Er war zielstrebig, geschäftstüchtig und sehr angesehen. Er würde, sobald sie das Erbe seines Vaters in Weißenfels im Herbst antraten, sich in dem Ackerbürgerstädtchen mit Fleiß und Ehrbarkeit Ansehen und Wohlstand verschaffen. Er würde das Bürgerrecht erwerben und mit „Verehrungen“ bedacht werden, die solche Personen erhielten, die für die Stadt bedeutsam waren.

      Im September 1590 war es soweit. Die Familie zog nach Weißenfels. Wochenlang vorher waren Vorbereitungen getroffen worden, und erst, als in Weißenfels Gasthof und Wohnstätte für die Ankunft der Familie eingerichtet worden waren, fuhr Christof Schütz mit seiner Familie in die neue Heimat.

      Durch das Südtor, das „Zeitzer Tor“, erreichte das Fuhrwerk der Familie Schütz die Saalestadt.

      „Willkommen im kurfürstlichen Sachsen! Unser Landesherr ist der Kurfürst von Sachsen, der in Dresden residiert.“, rief Christof Schütz fröhlich aus.

      Mutter Schütz stellte erstaunt fest: „Das Städtchen ist ja wie ausgestorben!“

      Christof Schütz konnte es ihr erklären: „Ich meine, die Leute haben am frühen Nachmittag noch zu arbeiten, die Handwerker in ihren Werkstätten und die Bewohner von Weißenfels auf ihren Feldern und Weinbergen außerhalb der Stadtmauer. Weißenfels ist ein Ackerbürgerstädtchen und die Bürger der Stadt sind als Bürger entweder gleichzeitig Bauern oder Handwerker. Auch wir haben Land und einen Weinberg. Ich erbte die väterlichen Besitzungen in Uiteritz, jenseits der Saale, und wir werden uns tüchtig regen müssen, um Haus, Hof und Felder zu bewirtschaften.“

      Lachend erwiderte die Mutter: „Sei froh, dass du eine große Familie und Knechte und Mägde hast.

      Du stehst nicht allein. Wir werden dir alle mit Fleiß zur Seite stehen.“

      „Vor allem aber habe ich eine tüchtige Frau, die meine fleißigen Helfer lenken und leiten, und die die Zügel fest in die Hand nehmen wird!“

      Das Fuhrwerk bog unterdessen in die Jüdengasse ein, und nach wenigen Metern hielt es vor dem Gasthof „Zum Goldenen Ring“.

      Da standen die Großmutter, der Vetter Heinrich Colander, zwei Knechte, zwei Mägde und zwei Köchinnen zur Begrüßung der Familie Schütz, festlich angezogen, bereit.

      „Willkommen in der neuen Heimat!“

      Nach einer stürmischen Begrüßung schirrten die Pferdeknechte die Pferde aus und führten sie in den Stall, der sich gleich hinter der Toreinfahrt befand.

      Der „Goldene Ring“, in der Nähe des Saaletores gelegen, war ein zweistöckiges Haus mit den Gasträumen zur Straße und der Küche zum Hof hinaus. Die Gasträume lagen im Obergeschoss und die Wohnräume im Nebenhaus. Hinter dem Gasthof dehnte sich ein großer Garten aus, durch den der Greißlaubach floss. Begrenzt wurde das Grundstück von der Stadtmauer.

      Heinrich Colander, Oberorganist von Weißenfels und ein Verwandter der Familie, schlug den Kindern vor, mit ihm gemeinsam die Stadt zu besichtigen. Großmutter nahm, als sie das hörte, sofort den dreijährigen Georg an die Hand und sagte: „Georg bleibt bei mir, solange ihr Weißenfels unsicher macht. Er ist noch zu klein, um den großen Geschwistern Schritt zu halten.“

      Heinrich Colander freute sich, den Kindern die Stadt zeigen zu können.

      Johann nahm Heinrich und Dorothea an die Hand und Christof und David folgten ihm und dem väterlichen Freund Colander.

      Die Stadt war recht klein. Von fünf parallel laufenden Straßen führten drei auf dem Marktplatz. Straßen und Gassen waren gepflastert, und ein Großteil der Häuser besaß Steinfundamente.

      „Die Häuser außerhalb der Stadt sind kleiner als die städtischen Häuser. Sie sind, im Gegensatz zu den Häusern in der Stadt, noch mit Stroh gedeckt. Strohgedeckte Häuser findet ihr aber auch in den Seitengassen, nämlich dort, wo arme Menschen wohnen. Innerhalb der Stadtmauer wohnen etwa 2000 Einwohner und draußen, vor den Toren leben rund 800 Menschen. Weißenfels besitzt seit dem Mittelalter das Stadtrecht.“

      Die Schützschen Jungen waren für alle Mitteilungen dankbar. Sie wollten ja ihre neue Heimat kennen lernen. Staunend betrachteten sie den großen Marktplatz und die am Markt stehende Kirche St. Marien und die Klosterschule in der nahen Klostergasse.

      „Die Marienkirche wurde im 13. Jahrhundert erbaut. Hier finden täglich protestantische Gottesdienste statt. Trotz Reformation gehen die Weißenfelser am Samstag zur Beichte und und sonntags gibt es zur gewohnten Zeit Gottesdienste, zu denen Kantor und Schulknaben für die musikalische Begleitung sorgen“, erklärte der väterliche Freund.

      „Gehen wir zur Saale hinunter!“, schlug Christof vor, und Heinrich Colander führte die Kinder über die hölzerne Saalebrücke zum Saaletor. In der Saaleaue weideten Schafe, Fischer verkauften hier am Fluss ihren Fang und Töpfer schöpften Wasser, das sie zur Verarbeitung des Lehms dringend brauchten. Am Interessantesten war für Heinrich das Flößen des Holzes. Flößer gab es auf der Weißen Elster nicht. Aber für das Staunen über den regen Betrieb an und auf der Saale schien Christof kein Verständnis zu haben.

      „Schaut euch mal um“, forderte er seine Geschwister auf. „Von hier aus könnt ihr das Schloss recht gut sehen!“

      Ehrfürchtig betrachteten die Schützschen Kinder die ausgedehnte Schlossanlage, die wehrhaft ummauert auf felsigen Grund hoch über der Stadt stand.

      „Das Schloss ist verwaist und unbewohnt“, sagte Heinrich Colander. „Hier wohnt nur noch ein Amtmann, der die Regierung vertritt. Es gibt neben ihm aber noch einen hohen geistlichen Würdenträger, nämlich den Superintendenten, der dem Ephorat Weißenfels vorsteht. Sein Haus befindet sich direkt neben der Marienkirche.“

      Als die Schützschen Kinder in ihr neues Heimathaus zurückkehrten, waren in der Gastwirtschaft die Tische schon gedeckt. Gäste hatten sich eingefunden. Im Gasthaus wurde zu Abend für alle Gäste und Familienmitglieder gekocht, und die Familienmitglieder und Gäste saßen während der Mahlzeit einträchtig beieinander.

      Heinrich fühlte sich wohl. Die neue Heimat gefiel ihm. Heinrich Colander hatte ihm versprochen, dass er bald Unterricht erhalten werde, auch Musikunterricht. Und als der väterliche Freund über die Weißenfelser Chorknaben gesprochen hatte, war sich Heinrich sicher gewesen, dass er bald zu ihnen gehören würde.

      Als Heinrich sechs Jahre alt wurde, begann für ihn der Unterricht. Vater Schütz wollte den Jungen zunächst noch nicht in die Städtische Schule schicken und engagierte einen Hauslehrer. Michael nannten die Eltern den Lehrer. Er war sehr gebildet, lehrte dem Jungen das Lesen und Schreiben, lehrte ihn die Noten und machte den Sechsjährigen mit den Grundlagen der Musik vertraut. Den eigentlichen Musikunterricht des Jungen aber übernahm Georg Weber.

      Als der Hauslehrer Michael merkte, wie sehr sich Heinrich für Musik interessierte, sagte er eines Tages: „Du solltest ins Collegium musicum eintreten. Dort ist dein Platz!“

      „Das hat Herr Weber mir auch schon geraten!“

      „Er ist dein Musiklehrer und weiß, was in dir steckt. Also sprich mit deinem Vater und hole dir die Erlaubnis, dort mitzusingen. Gute Chorknaben werden dringend gebraucht!“

      Für Heinrich begann mit dem Eintritt in das Collegium musicum sein eigentliches Musikleben. Die Chorknaben der Weißenfelser Kantorei sangen im Sonntagsgottesdienst und gingen wöchentlich zur Kurrente.

      Heinrich war ein Schüler, der nach Meinung seiner Lehrer doppeltes Futter brauchte. Er half zwar ab und zu auch bei den Arbeiten im Gasthof mit, aber das Servieren und Hantieren in der Küche waren so gar nicht nach seinem Geschmack. Er lernte und musizierte lieber.

      Auch im Stall bei den Pferdeknechten fühlte er sich nicht recht wohl. Ihm missfiel ihr rauer Umgangston. Dort erfuhr er viel über Hexenprozesse, Aberglaube und Teufelsanbetung.

      Eines Tages hörte er, wie ein Pferdeknecht von dem Superintendenten Lysthenius sprach. „Der Superintendent hat nach wie vor bei Kindtaufen die Beschwörung des Teufels vorgenommen. Der Kurfürst Christian und sein Kanzler Crell haben das aber ausdrücklich