Zeitschrift für kritische Theorie / Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 34/35. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783866746718
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mehreren historischen Formationen, in der die an Marx anknüpfende Kapitalismuskritik nach dem Scheitern der proletarischen Revolution gedacht worden sei. – Während Honneth zu dem Schluss kam, dass Kritische Theorie heute kaum mehr plausibel gemacht werden könne, da sie mit überholten Hegel- und Marxprämissen arbeite, macht Gunzelin Schmid Noerr deutlich, wie sehr sich der Materialismus der Kritischen Theorie von Hegel und Marx auch unterscheidet und genau deswegen zum Verständnis heutiger kultureller und psychologischer Phänomene einen wichtigen Beitrag leisten kann. – Gerhard Richter unternimmt eine Selbstvergewisserung in Bezug auf die Position des Intellektuellen in der heutigen Gesellschaft. Ausgehend von Brechts berühmten Versen, in denen ein Gespräch über Bäume ein Schweigen über unzählige Untaten mit sich bringt, misst Richter die widersprüchlichen Implikationen des kritischen Sprechens aus, indem er das brechtsche Bild des Baumes fortschreibt und dabei auch auf Positionen von Adorno und Marcuse zurückgreift. – Karlheinz Gradl diskutiert Adornos Lektüre des kantischen Motivs des Erhabenen anhand der Begriffe Subjekt, Natur, Totalität und Mythos. Er zeigt, wie Adorno ein Theorem von Benjamin über die Rettung des Mythischen und die Versöhnung von Vernunft und Mythos auf Kants Philosophie zurückprojiziert. Adornos dialektisches Konzept des Erhabenen ist der Vorschlag für einen Vermittlungszusammenhang in Bezug auf das Subjekt und dessen Rezeption des Mythos in der Moderne: Im Kunstwerk werde der Reflex auf die begriffslose Erkenntnis im Erhabenen zur Form. So könne das Subjekt, nach Adorno, vermittelt durch die Erfahrung des Erhabenen eine »andere Form souveräner Autonomie« entwickeln, die sich nicht in den Aporien der Naturbeherrschung verstrickt. – Susanne Martin, schrieb Heinz Steinert im Jahre 2010, »arbeitet über Entwicklungen des Intellektuellen-Begriffs im 20. Jahrhundert mit Adorno und der ›nonkonformistischen Intellektualität‹ als Angelpunkt«. Ihre Forschungsfrage laute, »in welchen Formen eine solche Intellektualität unter Bedingungen von erweiterter Kulturindustrie möglich ist«. In ihrem hier publizierten Aufsatz stellt Martin erste Ergebnisse vor: eine methodisch kontrollierte Ideologiekritik der kulturindustriellen Intellektuellendarstellung, die der Spiegel im sogenannten ›Jahr der Geisteswissenschaften‹ lieferte. Die Analyse macht transparent, wie durch Personalisierung und Marginalisierung der Arbeitsinhalte visuelle und sprachliche Bilder abenteuerlicher, erfolgreicher und selbstdarstellungserprobter ›Geistesgrößen‹ gestaltet werden, die Intellektuelle auch da noch konformistisch erscheinen lassen, wo ihre Arbeit es nicht ist.

      Im Literaturbericht diskutiert Dennis Johannßen neuere Arbeiten aus der englischsprachigen Benjaminforschung.

      ABHANDLUNGEN

      Hermann Schweppenhäuser

       Schein, Bild, Ausdruck

      Aspekte der Adorno’schen Theorie der Kunst und des Kunstwerks*

       Für Sabine zum 27. 9. 2012

       Tilegnet Sabine og Jens, Jakob og Marianne, Johannes og Maja og de danske venner til erindring om vore samtaler om kunst og kunstnerne i vors forfaldsepoke.

      Kunst hegt der Betrieb als Naturschutzpark von Irrationalität ein, aus dem der Gedanke draußen zu halten sei. Dabei verbündet er sich mit der […] zur Selbstverständlichkeit erniedrigten Vorstellung, Kunst müsse schlechthin anschaulich sein, während sie doch allenthalben am Begriff teilhat. Primitiv verwechselt wird der […] Vorrang von Anschauung in der Kunst mit der Anweisung, es dürfe über sie nicht gedacht werden.

      Alle ästhetischen Fragen terminieren in solchen des Wahrheitsgehalts der Kunstwerke: ist das, was ein Werk […] objektiv an Geist in sich trägt, wahr? Eben das ist dem Empirismus als Aberglaube anathema […] es sei denn, daß er der Kunst alle Erkenntnisse als Dichtung überschreibt, die seinen Spielregeln nicht zusagen.

       Adorno

      Vom Begriff soviel Eignung zur anschaulichen repraesentatio des Besonderen zu beanspruchen, wie doch nur die sinnliche Erkenntnis (cognitio sensitiva) sie gewährt – und andererseits der aisthesis soviel Eignung, begriffliche Objektivität und Verbindlichkeit zu vindizieren, wie nur die noesis und die Logik (cognitio intellectiva) sie verbürgen: Das ist weder dasselbe, wie den Begriff und Noetisches durch aisthesis, sensus und mimesis zu ersetzen – noch dasselbe, wie das Ästhetische durch das Theoretische zu verdrängen und jenem die höhere Wertigkeit, den eigentlichen Wahrheits- und Erkenntniswert zuzusprechen: was den Hauptvorwurf der antiintellektualistischen Rezeption der Adorno’schen Kunsttheorie bei seinen Kritikern ausmacht. Der zureichende Grund dessen liegt in der unzureichenden Vergegenwärtigung – oder schlicht im Zurechtstilisieren – der dialektisch hochdifferentiellen Begriffsstruktur der theoretischen Aussagen Adornos, die der Affinität mit dem Konkret-Realen, das sie treffen sollen und dem sie begrifflich sich anmessen, den Ausdruck verleihen. Dass sie das tun: dass das Ausdrucksmoment in der begrifflichen Darstellung nicht ausfällt, sondern umgekehrt den Begriffen in der cognitiven repaesentatio zugute kommt, das macht diese repraesentatio noch lange nicht zur – abgewerteten – künstlerischen. Zu einer solchen pflegt sie scientifische Betriebsblindheit herabzustufen; Leute von mangelnder Darstellungs- und Ausdruckskraft, die aus der Vermauerung in die stereotype Wissenschaftsidiomatik selber ausbrechen möchten und dem, dem es gelingt, Ausscheren aus dem Regelspiel, Gestik, ›Talentiertheit‹ vorhalten. Aber auch gegen Vorwürfe wie den – seit frühpositivistischen Tagen geläufigen – des dialektischen Mystizismus1 ist an die kritische Strenge, die cognitive Relevanz, die mitnichten bloß mimetischästhetisch vollziehbaren Einsichten in den Charakter der Kunst – ist, mit einem Wort, an den aufgeklärten Kunstbegriff der Adorno’schen Philosophie zu erinnern.

      Als diesen kennzeichnend erweist sich die Grundeinsicht in den durchgängig dialektisch antinomischen, amphibolischen Charakter der Gebilde der Kunst. Keine »Invariante in der Ästhetik«, die nicht »zu ihrer Dialektik treibt«2. Das gilt von Natur und Wesen der kulturellen Kunst-Instanz selber. Kunst ist im Sinn der klassischen Topologie poiesis und von den beiden andern »wissenschaftlichen« Verhaltensarten, von theoria und von praxis der Art nach distinkt:3 von der Theorie – die Seiendes betrachtet und erkennt – und von der Praxis – die in der Stellung dazu das richtige Leben zu gewinnen sucht – dadurch, dass sie Seiendes hervorbringt. Sie ist das Vermögen der Artefakte, die zu den Naturaten – den erkennend durchdrungenen und den für das Lebensbedürfnis eingerichteten – hinzutreten. Eben das artefizielle Wesen, das Hervorgebrachtsein, die nach Plan und technisch realisierte Produktion, erlischt im ontologischen, spätestens wenn die Poiesis, die erst alles Handwerk umfasst, spezialisiert ist als Poesie und historisch – nämlich in der Neuzeit – nur noch für die beaux arts steht. Denn als schöne Kunst lässt Poiesis ihr Hervorgebrachtes nicht durch den Gebrauchswert geprägt sein, den man ihm – den »Kultwert« Benjamins – doch ansieht schon an den Skulpturen in den Tempeln und den Tempeln selbst, ja an den magischen und rituellen Kultbildern; und der das Hervorgebrachte zuinnerst formiert. Sondern das Produkt der beaux arts spiegelt Sein vor, das seinen Zweck, der seine ureigne raison d’être ausmacht, von sich aus und in sich selbst hat: Sein, das sein Produziertsein verdeckt.

      Adorno nennt diesen Grundcharakter der künstlerischen Hervorbringungen »die ästhetische Paradoxie schlechthin«4. Ein Kunstwerk ist seiendes Scheingebilde, in genau der Bestimmtheit dieser drei begrifflichen Elemente. Es ist Gebilde, ein subjektiv Produziertes, Gebildetes; nachdem es einmal gemacht ist, Ontisches, wie ein Naturat einen Platz unter den Seienden einnehmend; und es ist so gemacht, das es ein Seiendes, objektiv dinglich scheint. Das gilt für es als Existierendes wie für das, was dies Existierende »ist«, bedeutet, was es durch seine Gestalt repräsentiert, ausdrückt, gleicherweise – ähnlich dem Tierbild schon paläolithischer Zeit, welches das Tier nicht sowohl abbildet sondern ist, und dessen Tractament im Jagd- oder Opferritual in vollständiger Analogie das Tractament der Jagd- oder der Opferhandlung selber vertritt. Der Gehalt – ousia, die reale Substanzialität – des Gebildes müsste von einem Schein verschieden sein; »aber kein Werk hat den Gehalt anders als durch den Schein«5. Das Gedichtete des Poems, Gemalte des Bildnisses, Komponierte der Musik (das Photographierte der Photographie, der Kinematographie: das Gefilmte