Manila oder Revolution und Liebe. Volker Schult. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volker Schult
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783961455669
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sechstausend Tonnen Wasser. Seine beiden Gefechtstürme bestanden aus jeweils zwei 20,3 Zentimeter Geschützen, eingefasst in 10,2 Zentimeter dicken Barbetten. Das stark gepanzerte Deck schützte seine kraftvollen Maschinen, die das Schiff bei Volldampf auf enorme zweiundzwanzig Knoten brachten. Auf Deck verfügte er über zehn 12,7 Zentimeter Schnellfeuerkanonen und auf den verschiedenen Gefechtsständen über zahlreiche weitere Schnellfeuerkanonen kleineren Kalibers und vier schwere Gatling Maschinengewehre. Eine furchteinflößende Kriegsmaschine mit beeindruckender Feuerkraft.

      Allerdings war nicht jeder Beobachter in Hongkong sonderlich beeindruckt von dieser Streitmacht und den unerfahrenen Yankees. Dabei hatten britische Marineoffiziere die amerikanischen Kameraden während deren Aufenthalts in Hongkong persönlich durchaus schätzen gelernt.

      „Die sind ja ganz in Ordnung für solche Hinterwäldler“, bemerkte gönnerhaft Leutnant McClarke, der selbst aus einem kleinen Dorf aus dem schottischen Hochland stammte.

      „Da hast du recht, Johnnie“, erwiderte sein rotgesichtiger Offizierskamerad im Britischen Klub. „Obwohl die Yanks immer nur vom Pokerspiel faseln und von Bridge absolut keine Ahnung haben. Die Mengen an Whiskey, die sie verkonsumiert haben, sind aber schon beeindruckend.“

      „Ja, ja, nur Geduld. Wenn die Jungs länger hier gewesen wären, hätten wir ihnen die Zivilisation und das Bridge-Spiel schon in ihre Quadratschädel gepresst.“

      Mit dieser Bemerkung erntete Leutnant Jackson ein schallendes, nicht bösartiges, sondern eher wohlgemeintes Gelächter der gutgelaunten Offiziersrunde. Manch einer schlug sich dabei auf die Schenkel. In bester Stimmung stieß man klirrend mit den Gläsern voller Scotch an.

      Mit einem Kopfschütteln setzte Leutnant McClarke hinzu: „Mir bleibt es ein Rätsel, warum die Yankees den Spaniern den Krieg erklärt haben. Nur weil sie Kuba endlich unter ihre Kontrolle bringen wollen? Hoffentlich wissen die Jungs, dass auch die Philippinen seit über drei Jahrhunderten zu Spanien gehören. Dort wartet eine formidable Flotte der Dons auf die Yanks. Die haben doch seit ihrem komischen Bürgerkrieg nur noch gegen ihre Rothäute gekämpft. Und selbst da musste General Custer eine schwere Niederlage einstecken. Die armen Teufel. Jetzt stechen sie Richtung Philippinen in See. Das sind ja ganz nette Burschen, aber leider werden wir sie nie wieder sehen.“

      Diese lakonische Äußerung brachte Leutnant McClarke ein allgemeines, mitleidiges Kopfnicken seiner Offizierskameraden ein. Plötzlich lag Stille in der alkohol- und nikotingeschwängerten Luft des Kasinos.

      Nun könnte man das als einen typischen, überheblichen Ausspruch von britischen Offizieren abtun, die von sich behaupteten, dass ihr Land die Weltmeere beherrsche und es keiner anderen Macht zutrauten, ähnliches zu vollbringen. Und schon gar nicht diesen Yankees, die die Bewohner einer abtrünnigen ehemaligen britischen Kolonie waren. Farmerburschen aus den Wäldern und den Prärien des Mittleren Westens eben.

      Wären da nicht auch einige Berichterstatter von Zeitungen an Bord des amerikanischen Asiengeschwaders gewesen, die glaubten, sich auf der Fahrt in den Rachen eines Drachen zu begeben. Sie befürchteten das Schlimmste und begannen, Abschiedsbriefe an ihre Familien zu schreiben.

      Kurz nachdem das Asiengeschwader der Vereinigten Staaten von Amerika Hongkong verlassen hatte, sah es sich innerhalb kürzester Zeit schwerem Wetter ausgesetzt.

      Angesichts sich gewaltig am Horizont auftürmender Gewitterwolken, die einen tropischen Taifun ankündigten, war die Idee, Abschiedsbriefe zu verfassen, nicht die schlechteste, die die Schreiberlinge hatten. Commodore Dewey aber ließ sich von nichts und niemanden beirren und hielt stur Kurs.

      Ungeachtet aller Umstände näherte er sich mit seinem Geschwader unaufhaltsam seinem Ziel Manila, sechshundertundzwanzig Seemeilen von Hongkong entfernt. Obwohl er die genaue Position der gegnerischen Flotte nicht kannte, ließ er sich keinerlei Zweifel anmerken. Ihm war klar, dass zumindest er Zuversicht ausstrahlen musste.

      Nach drei Tagen auf hoher See erreichte das amerikanische Asiengeschwader schließlich sein Zielgebiet.

      Das erste, was die Seeleute im Mondlicht von den Philippinen sahen, war eine dunkle Landmasse, und was sie rochen, war ein übler tropischer Geruch, der von den kilometerlangen Mangrovendickichten, die sich entlang der Küste erstreckten, stammte. Dahinter konnte man von Buschwerk bewachsene Felsformationen mit spitzen, rau geschwungenen Gipfeln weiter im Inland erahnen.

      Die Schiffe wurden gefechtsklar gemacht. Kisten voller Granaten lagen griffbereit, um damit die schweren Geschütze zu füttern. Netze von hartem, aber biegsamen Seilen von der Dicke eines kleinen Fingers wurden an den Bordwänden herabgelassen, um als Splitterschutz zu fungieren. Alle überflüssigen Sachen wie brandgefährdetes Gebälk, Truhen und Kisten, Tische, Stühle und sonstige Gegenstände flogen über Bord.

      Vorsichtig und gefechtsbereit ließ Dewey seine Schiffe in die Bucht von Subic einlaufen. In dieser strategisch günstig gelegenen Bucht vermutete man den Feind.

      Die Nerven aller waren bis zum Zerreißen gespannt. Es herrschte eine fast atemlose Stille an Bord, wäre da nicht das monotone Stampfen der Dampfmaschinen gewesen. Dann …

      Nichts.

      Enttäuschung machte sich breit. Wo war denn nur der Feind? Er konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.

      Also weiter.

      Die Spannung musste aufrechterhalten werden. Man durfte sich nicht überraschen lassen.

      Dann blieb nur, dass sich die feindliche Flotte in die Bucht von Manila, also vor die Tore der Hauptstadt der Kolonie, zurückgezogen hatte. Um in die Bucht zu gelangen, mussten die Amerikaner durch die schmale Meeresenge an der Festungsinsel Corregidor, die den Eingang in die Bucht von Manila kontrollierte, fahren. Das könnte schnell einem Himmelfahrtskommando gleichkommen. Die Gewässer galten als minenverseucht, die Torpedos waren abschussbereit und die Festungsartillerie von Corregidor konnte jeden Eindringling mit ihren schweren Granaten arg zusetzen. Das amerikanische Geschwader musste mit hohen Verlusten rechnen.

      Commodore Dewey aber strahlte weiterhin absolute Ruhe und Zuversicht aus.

      „Sechzig Jahre habe ich auf diese Gelegenheit gewartet. Ich befehlige dieses Geschwader in vollster Überzeugung. Hinein in die Höhle des spanischen Löwen, meine Herren!“, rief er mit fester Stimme entschlossen seinen Offizieren zu.

      Mittlerweile schoben sich immer wieder Wolkenbänke vor den Mond. Alles in allem blieb es eine dunkle Nacht. Immer wieder zuckten am Horizont Blitze. Leichtere tropische Regenschauer durchnässten die weißen Marineuniformen der Seeleute. Aber davon ließ sich niemand beeindrucken.

      Zur Überraschung aller gelang die Einfahrt in die birnenförmige Bucht von Manila während der Nacht reibungslos. Von Minen weit und breit keine Spur. Die Artillerie von Corregidor feuerte nur äußerst ungenau.

      Weiter dampften die amerikanischen Kriegsschiffe in die Bucht von Manila hinein. Immer weiter drangen sie in die fünfzig Kilometer tiefe Bucht ein. Bei Tagesanbruch konnten sie die Konturen der Hauptstadt Manila, die über drei Kilometer der Küste einnahm, sehen. Wenn sich die spanische Flotte vor den recht eindrucksvollen Küstenbatterien der Festung von Manila versammelt hätte, dann hätte die vereinigte Feuerkraft der spanischen Geschütze für Deweys Flotte eine ernsthafte Bedrohung bedeutet.

      Ein heller Schein im Nordosten ließ die Stadt Manila erahnen. Dann kroch das erste Tageslicht langsam hinter der Stadt hervor. Lange Reihen weißer Häuser und grauer Befestigungsanlagen mit Türmen und Domkuppeln waren auszumachen.

      Kurz darauf entdeckte Dewey in seiner weißen Uniform mit der kleinen Golfkappe auf dem Kopf durch sein Fernglas eine Reihe von Schiffen im Hafen. Sechzehn an der Zahl. Die Anspannung stieg. Nur noch zehn Kilometer war das Geschwader von Manila entfernt. Schon wollte der Commodore den Befehl zum Einnehmen der Gefechtsposition geben, als er bemerkte, dass es sich nur um Handelsschiffe handelte.

      Dewey traute seinen Augen kaum. Von der spanischen Flotte wieder keine Spur. Sehr seltsam.

      „Wo sind diese verdammten Dons nur?“, entfuhr es ihm.

      Dann schwenkte sein Blick nach Steuerbord.

      „Dort