Ich wünsche mir ... einen Prinzen. Rachel Hauck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rachel Hauck
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783961400089
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verstreut hatte.

      „Tja, nun, Liebes, das Leben hat es nun einmal so an sich, dass sich der Wind gelegentlich dreht.“

      „Ich sage dir was“, sagte Avery und schob Mama beiseite. „Warum gehst du nicht nach Hause? Du bist seit dem Morgengrauen hier. Nimm den restlichen Nachmittag frei. Ruh dich aus. Ich glaube, seit Saisonbeginn hast du noch keinen einzigen freien Tag gehabt.“

      „Ich würde lieber arbeiten.“ Mama rührte sich nicht. Avery verstand sie. Ihr ging es genauso. Die Arbeit lenkte sie ab, hielt sie vom Selbstmitleid ab. Hielt sie fern von einem Zuhause, dem Daddys Licht fehlte.

      „Du könntest allerdings nach Hause gehen“, sagte Mama. „Schone deine Schulter. Schau mal nach, ob die neuen Jalousien fertig sind, für die ich Bill Springer bezahlt habe. Es gibt keine Ausrede für schlampige Arbeit, sage ich immer.“

      Aber Avery wollte auch noch nicht nach Hause gehen. Dort war es dunkel und einsam, ein leeres Überbleibsel dessen, was es einst gewesen war – ein Heim voller Leben und Lachen, Daddys und Mamas freundlichen Kabbeleien, Susannas Kommen und Gehen. Bis sie einen König geheiratet hatte.

      „Ich glaube, ich würde auch lieber arbeiten.“

      Mama nahm einen langsamen, tiefen Atemzug. „Du warst mir in den letzten Monaten ein Fels in der Brandung, Aves. Hast dein Leben hintenangestellt, um mir zu helfen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich musste mich daran gewöhnen, dass Susanna weg war, erst auf dem College, dann viertausend Meilen weiter in Brigthon, als Prinzessin und alles. Dann habe ich dich aufs College geschickt, auch noch auf ein Yankeecollege zu allem Überfluss, wo du ein Volleyballstar geworden bist. Jetzt muss ich mich daran gewöhnen, dass …“ Ihre Stimme brach, ein leiser Schluchzer entwich ihren zusammengepressten Lippen.

      „Ich vermisse ihn auch.“ Avery legte die Arme um Mama, die mit geballten Fäusten steif über den Vorbereitungstisch gebeugt blieb.

      „Es ist nur …“ Mama schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ich kann mich nur einfach nicht daran gewöhnen.“ Sie hob ihren Kopf und wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen. „Aber, ach, was war dein Daddy nicht stolz auf dich.“ Mama wandte sich wieder dem Keksteig zu. „Der wäre bald aus den Bändern seiner Schürze geplatzt, wenn er von dir erzählte. Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich ihn mit Boss, Duke und den Jungs in der Altherrenecke drüben gefunden habe, wo er erzählt hat, dass du wieder Spielerin der Woche warst oder Spielerin des Jahres oder was es nun gleich war …“ Ihre Stimme verlor sich. „Aber ich nehme an, das habe ich dir alles schon einmal erzählt.“

      „Ich höre das gerne noch einmal.“ Avery versuchte, Mamas Gesicht zu sehen, aber die hielt eine Schulter hochgezogen, sodass man es schlecht erkennen konnte. Also schlenderte sie zur Spüle, um einen sauberen, feuchten Lappen zu holen und die Arbeitsfläche abzuwischen. Die Geschichten über Daddy füllten die Löcher in ihrem Herzen. Sie wusste ja, dass er stolz auf sie gewesen war, aber seine Gedanken hatte er doch meist für sich behalten.

      Komisch irgendwie, dass das Letzte, was er ihr je gesagt hatte, etwas über die Liebe war, über Prinz Colin. Sie seufzte. Es hatte keinen Sinn, diese sehr endgültige Sackgasse entlangzugehen.

      „Wir werden es gut haben, Avery, uns wird es gut gehen.“ Mamas Erklärung klang etwas wackelig. „Der gute Herr vergisst die Seinen nicht, nicht wahr?“

      „Nein, das tut Er nicht.“ Das war jedenfalls Averys Überzeugung, wenn auch nicht ihre Erfahrung. Obwohl, konnte sie wirklich eine Zeit ausmachen, in der Gott sie vergessen hätte?

      „Glo?“

      Mama sah Catfish an, Chefkoch und Flaschenwäscher, wie sie ihn gerne nannte. Er war lang und schlank mit einem dünnen, zotteligen Schnurrbart. Wie ein Catfish eben, ein Wels.

      „Telefon. Es ist Susanna.“

      „Du liebe Güte, ich habe es nicht einmal klingeln gehört.“ Mama schnappte sich Averys feuchten Lappen und wischte sich die Hände ab, während sie im Büro verschwand, wo sie mit schriller Stimme überschwänglich ihre älteste Tochter begrüßte. „Susanna, was in aller Welt … Wie geht es dir?“

      „Catfish“, sagte Avery, „ich komme gleich wieder. Ich mach mal fünf Minuten Pause.“

      Er winkte ihr zur Antwort, den Kopf schon wieder über der Fritteuse. Draußen auf der hinteren Terrasse setzte sich Avery an einen der Picknicktische, fischte ihr Telefon aus der Hosentasche und schaute nach ihren E-Mails.

      Mama hatte sie noch nichts davon gesagt, aber sie hatte sich für ein paar Trainerposten in der Nähe beworben. Valdosta State, Jacksonville State und Appalachian State.

      Wenn sie schon nicht selbst spielen konnte, wollte sie andere trainieren.

      Dann hatte ihr heute Morgen ein Freund eine Ausschreibung für eine Trainerstelle der Herrenmannschaft an der UCLA geschickt. Warum nicht? Männer trainierten schließlich schon seit Ewigkeiten Frauenmannschaften. Also hatte sie sich beworben. Kalifornien, hier komme ich. Der goldene Staat war weit weg von zu Hause, aber sie brauchte Veränderung, musste ihre Trauerkleidung ablegen, musste Leben und Abenteuer atmen.

      Durch Palmettopalmen und Pinien hindurch starrte Avery auf den Pfad zum Strand hinunter, wo der Atlantik seine Wellen auf den Sand warf. Sie hatte hier schon eine Million Mal gesessen, aber heute fühlte sie sich wie ein Gast, eine Fremde in ihrem eigenen Leben.

      Das erinnerte sie alles so sehr an die Zeit vor vier Jahren, als sie am gleichen Tisch gesessen und schmerzerfüllt versucht hatte, ihr gebrochenes Herz wieder zusammenzusetzen.

      Sie hatte bereits ein Stipendium für die Ohio State angenommen, also gab es einen Weg, dem sie folgen konnte, sie hatte etwas zu tun. Aber nichts fühlte sich richtig an. Sie weinte sich in den Schlaf. Weinte sich wieder wach.

      Die kühle, salzige Brise strich über die Terrasse, und Avery atmete ein, während die Erinnerungen mit den dazugehörigen Gefühlen an die Oberfläche stiegen.

      Sie war genau hier gewesen, nur wenige Wochen vor ihrem 18. Geburtstag, ihrem Abschlussball und dem Schulabschluss überhaupt. Nur wenige Monate hatten sie von der Universität getrennt. Wenn sie denn überhaupt hingehen würde.

      Denn im vorherigen Winter und Frühling hatte sie sich verliebt. Nein, nicht verliebt, sie hatte die Liebe gefunden. Tiefe, das Herz raubende Liebe. Träume, die sie vorher nie geträumt hatte, waren plötzlich wahr geworden.

      Aber an jenem Abend … Avery zitterte und rieb sich den Arm. An jenem Abend war ihr eine frische Brise über die Wange gestrichen, während sie wartend an einer großen Cola light genippt hatte. Auf seinen Anruf wartend. Den Anruf dessen, der ihr Herz mit nur einem Blick erobert hatte.

      Als das Telefon in ihrer Hand endlich gesummt hatte, war es kein Anruf, sondern eine Textnachricht gewesen.

      Colin: Ich kann nicht kommen.

      Avery: Warum? Ist alles in Ordnung?

      Colin: Ich kann einfach nicht. Verpflichtungen und so.

      Avery: Ich komme zu dir. Ich muss nicht zum Abschlussball. Ich wäre lieber mit dir zusammen.

      Colin: Nein. Geh du mal. Du gehörst dahin. Ich bin mit Lernen und Prüfungen beschäftigt und bereite mich auf den Militärdienst vor.

      „Aves“, die Fliegengittertür klapperte im Hintergrund zu Mamas Stimme. „Pack deine Taschen. Wir fliegen über Weihnachten nach Brighton.“ Mama setzte sich auf den Picknicktisch neben Avery und strich sich das wilde, krause Haar aus dem Gesicht.

      „Was?“ Avery steckte überrascht ihr Handy weg. Der fröhliche Ton in Mamas Stimme gefiel ihr. „Das Rib Shack über die Feiertage sich selbst überlassen?“

      Mama verließ das Restaurant nie, am wenigsten in der Weihnachtszeit. Na gut, ein einziges Mal. Als Susanna vom College zu Hause gewesen war und Daddy sie mit Tickets nach Vermont überrascht hatte. Mama hatte noch nie im Leben Schnee gesehen. Also hatte Daddy Susanna und Avery die Verantwortung