Die Dracheninsel. Irmela Nau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Irmela Nau
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Сказки
Год издания: 0
isbn: 9783941935396
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um ihr rundes Gesicht und ihr Kleid war so eng, das sich Emily darüber wunderte, das es nicht an den Nähten einfach auseinander platzte.

      »Ich habe gehört, dass heute Euer Geburtstag ist. Stimmt das?«, fragte Leah mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme und blieb vor Emily stehen. Sie schielte zu Emily hoch, die sie um einen halben Kopf überragte.

      Emily zog verwundert die Augenbrauen hoch.

      »Ja, da habt Ihr wohl recht gehört. Ich habe heute Geburtstag.«

      »Wenn das so ist, dann wünsche ich Euch alles Gute. Wie alt seid Ihr denn geworden? Neunzehn? Zwanzig?«

      »Das ist sehr freundlich von Euch. Ich bin heute einundzwanzig geworden«, antwortete Emily misstrauisch. Hinter ihrer Stirn arbeitete es. Was mochte Leah nur von ihr wollen?

      »Soso. Schon einundzwanzig. Es wird langsam Zeit, dass Ihr Euch einen Mann sucht, meint Ihr nicht auch?« Leah lachte spöttisch.

      Das war es also. Emily fiel ein Stein vom Herzen.

      »Ach wisst Ihr, ich bin, soviel ich weiß, ein Jahr jünger als Ihr. Ich denke, ich lasse Euch den Vortritt.«

      Freundlich lächelte Emily das dralle Mädchen an. »Es wäre doch nicht schön, wenn ich noch vor Euch verheiratet wäre.«

      Wütende Röte machte sich auf Leah‹s Gesicht breit. »Aber glaubt bloß nicht, dass Ihr Elric bekommt. Ich weiß, dass er Euch geküsst hat, aber das bedeutet gar nichts. Er gehört mir. Merkt Euch das!«

      Emily wurde blass, aber sie bemühte sich ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, als sie sprach: »Wie kommt Ihr nur darauf, dass ich mich für Elric interessieren könnte? Er war ein verzogener Bengel, als er von hier fortging, und er hat seinen Eltern immer nur Kummer bereitet. Soviel ich weiß, hat er sich nicht ein einziges Mal bei ihnen gemeldet. Mit so einem selbstsüchtigen Menschen möchte ich gar nichts zu tun haben. Und was den Kuss angeht: den hat er sich genommen, ohne dass ich es ihm gestattet habe. Ihr dürft ihn also gerne nehmen, wenn er denn jemals wieder hierher zurückkommen sollte.«

      »Oh, keine Sorge. Er kommt zurück. Schon heute. Es ist ein großes Willkommensfest für ihn geplant, zu dem Ihr allerdings nicht geladen seid«, zischte Leah gehässig.

      Emily schluckte den Kloß hinunter, der ihr den Hals zuschnüren wollte.

      »Nun, so groß, wie Ihr zu meinen scheint, ist mein Kummer darüber nicht. Ich feiere lieber mit meinen Eltern meinen Geburtstag und überlasse es anderen, einem großtuerischen Wicht die Stiefel zu lecken.«

      Damit trat Emily entschlossen an der wütenden Leah vorbei und ließ sie einfach stehen. Sie bemühte sich um einen gleichmäßigen und ruhigen Schritt. Niemand, besonders Leah nicht, sollte merken, dass ihre Gefühle in Aufruhr waren. Und doch zuckte sie zusammen, als Leah hinter ihr hasserfüllt schrie:

      »Er gehört mir. Mir allein!«

      Aufgewühlt, wie sie war, wollte Emily nicht nach Hause gehen. Stattdessen verließ sie das Dorf und lief über eine Wiese zum nahen Wald, wo sie einem Pfad folgte, der sich durch dichtes Gebüsch schlängelte und sie zu einer scheinbar undurchdringlichen Hecke aus Eldersträuchern führte. Emily schob zwei dicke Äste zur Seite, zwängte sich durch die so entstandene Lücke und stand nun auf einer kleinen Lichtung. Dort ließ sie sich ins weiche Moos sinken und versuchte sich zu beruhigen.

      ›So‹, dachte sie bitter. ›Elric kommt also wieder. Na wie schön für ihn. Ich hoffe nur, dass er mir aus dem Weg geht.‹

      Elric war drei Jahre älter als sie, und sie erinnerte sich an ihn als einen großen schlaksigen Jungen, dessen Hände und Füße zu groß für den dünnen Körper schienen. Er war stolz gewesen, als der erste Bartflaum wuchs und lief damit herum, weil er glaubte, das würde ihn männlicher erscheinen lassen, aber Emily hatte es nur lächerlich gefunden. Er war mit neunzehn von zu Hause fortgegangen, um sich die Hörner abzustoßen und ein heldenhafter Krieger zu werden. So hatte er geprahlt, doch bevor er in die Welt hinauszog, hatte er ihr eine Zeitlang den Hof gemacht. Sie dagegen wollte einfach nichts mit ihm zu tun haben, aber so eingebildet, wie er war, wollte er das nicht akzeptieren und hatte ihr eines Tages im Wald aufgelauert und sie wild geküsst. Sie hatte sich verzweifelt gegen ihn gewehrt und ihm mit ihrem Dolch einen kleinen Schnitt auf der linken Wange zugefügt. Dafür hatte er sie brutal ins Gesicht geschlagen und sie dann alleingelassen. Da ihm die anderen Mädchen des Dorfes ständig hinterherliefen, hatte er von Emily das gleiche erwartet und bevor er das Dorf endgültig verlassen hatte, drohte er ihr, dass er sich bei seiner Rückkehr mehr von dem holen wollte, was ihm seiner Meinung nach zustand und was ihm die anderen nur zu gerne gaben. Elric war, wie man so sagte, eine gute Partie. Sein Vater war ein reicher Mann und hatte ein hohes Ansehen im Dorf, so dass man seinem Sohn selten etwas abschlug. Vor allem, weil viele der Dorfbewohner in Brot und Arbeit bei ihm waren. Doch Emily hatte nie eingesehen, dass sich Elric anscheinend alles erlauben konnte, und hatte sich widersetzt. Nur von diesem Vorfall hatte sie nie jemandem erzählt. Auch ihren Eltern nicht, denn sie wusste, dass ihr Vater Elric zur Rechenschaft ziehen würde und diese Demütigung wollte sie sich ersparen, denn der Übergriff war schon demütigend genug gewesen. ›Allerdings‹, sie nagte an ihrer Unterlippe, ›woher wusste Leah von dem Kuss? Niemand war dabei gewesen und sie hatte es niemandem gesagt.‹ Verdrossen rupfte sie Moos und Gras aus dem Boden. Leah’s Überlegungen waren ja geradezu lachhaft. Als ob sie mit diesem eingebildeten Schnösel etwas zu tun haben wollte. Sie stand auf, schüttelte Gras und Moos von ihrem Rock und beschloss, nicht mehr an Elric zu denken. Schließlich war er jetzt fünf Jahren fort gewesen und er hatte sie bestimmt schon längst vergessen. Jedenfalls hoffte sie das von ganzem Herzen.

      Emily nahm Ihren Korb und machte sich eilig auf den Heimweg. Ihre Mutter würde sich bestimmt schon fragen, wo sie so lange blieb und unter keinen Umständen wollte sie ihr Kummer bereiten. Der schnelle Schritt half ihr sich zu beruhigen und so betrat sie beschwingt und mit klarem Kopf das kleine Haus ihrer Eltern. Sie stellte ihren Korb auf den einfachen Holztisch, der unter dem Fenster stand und an dem sie jeden Morgen ihr Frühstück einnahmen. Von dort hatten sie einen wunderbaren Ausblick auf die weiten Felder des Vaters und konnten während der ersten Mahlzeit des Tages die Sonne aufgehen sehen. Erwartungsvoll schaute sich Emily um. Doch die Stube war leer. Nicht nur leer, sondern es stand auch kein Kuchen auf dem Tisch oder eine kleine Überraschung, wie sie sie sonst an ihrem Geburtstag immer bekommen hatte. Vorsichtshalber schaute Emily in die Schlafstube ihrer Eltern, in ihre eigene und sogar in die kleine Kammer, wo die Vorräte lagerten. Doch ihre Eltern waren verschwunden. Ratlos stand Emily schließlich wieder in der Stube. Was war denn bloß los? Hinter ihr knarrte die Eingangstür und die massige Gestalt ihres Vaters füllte den Türrahmen.

      »Da bist du ja endlich, Mädchen. Wir haben schon gedacht, du hättest den Weg nach Hause vergessen.« Mit gerunzelter Stirn blickte er seine Ziehtochter streng an. »Wir haben Probleme im Stall. Du solltest besser mitkommen und deiner Mutter zur Hand gehen.« Mit diesen geknurrten Worten drehte er sich um und ging zurück zum Stall. Verwirrt schüttelte Emily den Kopf. Was war denn das? Leichtfüßig eilte sie hinter ihrem Vater her und betrat die dämmerige Scheune.

      Ihre Mutter stand liebevoll lächelnd vor einem fremden Pferd, und ihr Vater stand neben ihr und hielt ein längliches Paket in Händen.

      Mit runden Augen starrte Emily ihre Eltern an.

      »Du hast wohl geglaubt, wir hätten deinen Geburtstag vergessen, wie?«, lachte ihr Vater. »Schaut nur mal, Maude. Eure Tochter scheint ein wenig durcheinander zu sein.«

      »Ach, nu lasst doch den Unsinn, Horace.« Emilys Mutter, eine kleine rundliche Frau, stieß ihrem Mann, der sie um gut anderthalb Köpfe überragte, den Ellenbogen in die Seite und kicherte. »Ihr verwirrt sie ja noch mehr. Komm, Emily«, sie ging auf Emily zu, nahm ihre Hand und zog sie zu dem Pferd.

      »Hier ist dein Geburtstagsgeschenk. Dein Vater und ich dachten, du bist alt genug, um ein eigenes Pferd zu haben.«

      Emily bestaunte die Fuchsstute, die vor ihr stand. Sie war größer und kräftiger als jede andere Stute, die sie jemals gesehen hatte, und doch hatte sie einen eleganten Körperbau. Temperamentvoll warf die Stute den Kopf hoch und schnaubte, wie zur