Beim Verabschieden war Susis Angst verflogen und endlich durfte sie den Raum, dieser viel gefürchteten Dame, verlassen.
Schon an der Tür angekommen, vernahm sie eine Frage aus dem Hinterhalt: „Was ist das eigentlich für ein Gestank, den sie mir hier zumuten?“ „Meinen Sie mein Parfüm?“ fragte Susi unsicher und schaute sich um. „Falls sie mich nochmals konsultieren möchten, dann bitte ich sie hiermit eindringlich, ohne diesen penetranten Geruch zu erscheinen. Von diesem Gestank wird einem ja übel. Nun muss ich wegen ihnen noch das Fenster aufreißen, finden sie das normal?“ fauchte die Doktorin vor Wut. Susi stammelte ein paar Worte der Entschuldigung, und zog sich zurück, indem sie die Tür von außen zumachte.
Erst als sie in ihrem Auto saß, realisierte sie sich, was vorgefallen war. Diese Wagenbrecht war wirklich der Teufel in Person. Musste sie sich das gefallen lassen? Dabei hatte sie viel Geld ausgegeben für ihr neues Parfüm.
Kein Wunder, dass diese alte Ziege keinen Mann abbekommen hatte. Minuten später beruhigte sich Susi wieder, denn ihr fiel ein, dass auch sie keinen Mann mehr hatte!
Bei den weiteren Arztbesuchen passierte nichts Außergewöhnliches an diesem Tag.
Auf dem Stellplatz vor ihrer Wohnung angekommen, fiel ihr die Tasche aus der Hand.
Lippenstift, Puder, Schlüssel etc. verstreuten sich über den rissigen und auch staubigen Boden unterm Auto.
Plötzlich klingelte ihr Handy. Sie fand es zwischen den beiden Vorderrädern und auf dem Display erschien die Nummer von ihrem Chef, den viel geliebten Mutz.
Der hatte ihr heute noch gefehlt, was er wohl schon wieder von ihr wollte? „Hallo, Herr Mutz, wie geht’s?“ fragte Susi unterm Auto liegend. Am anderen Ende war eine ziemlich piepsige Stimme wahrzunehmen: „Guten Tag Frau Reuther, wir gehen morgen zusammen auf Tour! Ich bin acht Uhr bei Ihnen vor der Tür und fahre dann mit Ihnen mit. Sie haben doch hoffentlich einen vollen Terminkalender? Anschließend müssen wir uns über Ihre Verkaufszahlen unterhalten. Haben Sie noch Fragen?“
„Nein!“ antwortete Susi kurz entschlossen.
„Also dann bis morgen!“ erwiderte Mutz und legte auf, bevor Susi sich verabschieden konnte.
Sie war total von den Socken, den ganzen Tag würde er ihr wieder auf die Nerven gehen, dieser Gnom von einem Möchte-Gern-Typen. Sie fand ihn zum Kotzen und musste doch immer schleimen, um ihn bei Laune zu halten. ‚Hoffentlich geht das morgen gut!‘ dachte Susi.
Sooft kam es gar nicht vor, dass er mit ihr mitfuhr. Dennoch, wenn es dann soweit war, brach sie regelrecht in Panik aus.
Die Umsätze waren momentan nicht so gut, denn die Urlaubszeit und das damit verbundene Sommerloch prägten den Verkauf. Wiedermal wurde ihr bewusst, was sie doch für einen erbärmlichen Job hatte.
Für heute hatte sie die Nase voll. Zuerst diese überdrehte Wagenbrecht und jetzt noch diese Witzfigur von Mutz. Wie lange würde sie dies alles noch ertragen können?
Inzwischen dachte sie an den bevorstehenden Abend mit Dr. Albertino.
Ganz bestimmt wollte er nicht nur essen mit ihr!? Hoffentlich nicht!!! Susi ließ der Fantasie freien Lauf und erinnerte sich an seinen letzten Blick auf ihren Hintern, als sie sein Sprechzimmer verließ. Dieser war ziemlich eindeutig ihrer Meinung nach. Natürlich wollte er mehr von ihr – ganz klar!
In Windeseile ging sie duschen, rasierte die Beine und auch andere diverse Körperteile, die es nötig hatten. Sie wollte umwerfend aussehen, um diesen aparten Italiener verführen zu können.
Mittlerweile war es 19.00 Uhr und sie musste sich beeilen, wenn sie pünktlich sein wollte.
Zufrieden schaute sie in den Spiegel und fühlte sich unheimlich sexy in dem neuen roten Kleid. Ihr Haar trug sie hochgesteckt, was sie noch einen Hauch anziehender machte.
Irgendwie ähnelte Albertino diesem smarten Typ aus der Fernsehwerbung von der Cappuccino-Reklame, der da immer sagte: „Aber ich habe doch gar keinen Wagen … “
Susi wurde zunehmend nervöser, innerhalb weniger Minuten musste sie loslaufen und das brachte sie beinah um den Verstand. Ihr Herz klopfte wie verrückt vor lauter Aufregung. Beinah hätte sie die Kontrolle über sich selbst verloren.
Voller Anspannung verließ sie ihre Wohnung, lief durch die noch stark frequentierten Straßen bis sie endlich am Ziel anlangte.
‚Hier muss es sein‘, dachte sie und riss die Eingangstür entschlossen auf. Keiner sollte merken, wie stressig sie sich fühlte. Selbstbewusst wollte sie erscheinen und das gelang ihr auch, denn jedermann im Lokal drehte sich nach ihr um. Auch die anwesenden Frauen schauten Susi taxierend an. Das gab ihr Selbstvertrauen und sie strotzte vor Stolz. Plötzlich begannen ihre Augen zu leuchten, nein unendlich viele Blitze schienen ihre Pupillen zu verformen. Wie aus dem Nichts stand ihr Traumprinz, Dr. Albertino, vor ihr.
„Guten Abend Susi, ich freue mich sehr, dass Du kommen konntest!“ sagte der Doktor.
„Hallo, schön Dich zu sehen!“ entgegnete Susi.
„Komm, wir setzen uns gemütlich an den hintersten Tisch, da sind wir beide ungestört und können in Ruhe essen.“
Er nahm sie am Arm und glitt gefühlsvoll bis zum Handgelenk hinunter. Sie spürte ein leichtes, aber durchaus angenehmes, Kribbeln auf der Haut. An einem kleinen, runden Tisch im Kerzenlicht nahmen beide Platz. Er hielt noch stets ihre linke Hand fest, und meinte: „Der Champagner kommt sofort und dann besiegeln wir unser Du, recht so?“ „Ja, gerne!“ stammelte sie.
15
Eine attraktive Serviererin brachte den Sekt an den Tisch. Mit viel Geschick öffnete sie die Flasche, und goss beide Gläser voll. „Danke, Conny!“ sagte der Doktor und zwinkerte verwegen dem jungen Mädchen zu.
„Prost meine Schöne, ich bin Silvio, auf Dein Wohl!“ so der Charmeur. „Salute, Silvio, ich bin Susi! Auf Dein Wohl!“ antwortete sie. Sie schauten sich in die Augen. Er hielt ihrem Blick stand und das machte sie unsicher. Es war lange her, dass ein Mann sie in Verlegenheit brachte. Mit einem weiteren Glas Champagner in der Hand fühlte sie sich zunehmend sicherer und trank es in vollen Zügen aus.
Silvio hatte das ‚gewisse Etwas‘ und das wusste er selber auch. Sein italienischer Charme mit dem dazugehörigen Akzent, sowie die gepflegte Erscheinung, ließen jedes Frauenherz höher schlagen. Susi war hin- und hergerissen von ihrem Gegenüber. Sie bemerkte sehr schnell, dass sie bereits Feuer gefangen hatte.
Beide unterhielten sich angeregt, und sprachen natürlich auch über ihre Arbeit, die sie verband und durch die sie sich kennengelernt hatten. „Bist Du eigentlich verheiratet?“ fragte Susi und erschrak über die direkte Frage. Es war ihr einfach so rausgerutscht.
„Natürlich nicht, sonst dürfte ich kaum hier bei Dir sitzen. Aber ich stand einmal kurz davor – vorm Altar, meine ich!“ antwortete Albertino. „Und warum ist es schiefgegangen?“ wollte Susi wissen. Sein Gesicht verfärbte sich in Bruchteilen von Sekunden und es schien, als hatte er etwas zu verbergen.
Sie war neugierig, und wollte seine Vergangenheit gern etwas näher unter die Lupe nehmen. Das bedurfte aber Einfühlvermögen, darum stellte sie keine weiteren Fragen.
Bis er dann von selbst begann: „Meine damalige Freundin ist mit meinem besten Kumpel durchgebrannt.“
Er holte tief Luft und sprach weiter: „Darum habe ich damals Italien verlassen. Aber nun gut, heute bin ich hier und es geht mir besser. Und jetzt lass uns bitte das Thema wechseln.“
Er zog seine schwarzen Augenbrauen hoch, schaute Susi beinah teilnahmslos an, und schien in seinen Gedanken zu versinken.
Die Serviererin brachte das Essen. Beide nahmen Steinofenpizza und Susi bemerkte