Die drei anderen Bühnenstücke entstanden erst nach der so genannten Wende, wirklich aber eine Konterrevolution. Auf sie zugeschnitten entstand das Schauspiel „Brüder“, das unvollendet blieb, weil es nicht den Kern traf: die Verwässerung der marxschen Lehre durch den Revisionismus. Und wo beginnt er? Ein Sprichwort besagt, der Fisch fängt am Kopf zu stinken an. Mich bedrückt demzufolge kein anderes Ereignis so stark wie der November 1989, der diese Spruchweisheit erhärtet. Denn in dieser entscheidenden Situation fand die Partei, nach Majakowski Hirn der Klasse, Sinn der Klasse, Ruhm der Klasse, nicht die Kraft, dem Gros der Bürger zu entsprechen, das nie danach strebte, die DDR aufzugeben. Aber das Schlimmste war geschehen, das Gewaltmonopol, das der Arbeiterklasse als übergroßer Mehrheit gehörte, wurde einer skrupellosen Minderheit ohne Gegenwehr überlassen. Dagegen gibt es unzählige Beispiele, wie diese Herrschaftsschicht jeglichen Ansatz, die Macht zu verlieren, mit riesigen Aufgeboten von Polizei und Armee niederschlug. Das mindeste wäre im Herbst 1989 gewesen, Volkspolizei als auch Volksarmee als legales Machtmittel wie es jedem Staat zusteht einzusetzen und auch die unkontrollierte Öffnung der Grenze zu unterbinden. Damit rede ich noch lange nicht purer Waffengewalt das Wort, doch der beschämende Verlust der DDR wäre verhindert worden und die Wiedervereinigung unter ganz anderen Bedingungen geschehen.
Auch Erich Honecker, schutzlos und verlassen, musste bei einem Pfarrer Zuflucht suchen. Dass die Arbeiterklasse ihrer Führer nicht schützte, geschah in der Geschichte ohne Zahl. Die Aufständischen wurden hingemetzelt, sie selbst umgebracht und damit die Revolution enthauptet. (Siehe den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1918) Wenn sein Nachfolger damit aufwartete, die DDR vor solchen Möglichkeiten bewahrt und sie deshalb kampflos übergeben zu haben, dann hat er seine ganz andere historische Aufgabe verkannt und es auch zu verantworten. Einzig die RAF (Rote-Armee-Fraktion), Nomen est Omen, wurde ihr gerecht. Nicht Chaoten, Überspannte noch Hirnverbrannte, sondern Revolutionäre, des Todesunternehmens bewusst, setzten auf ihre Weise ein Zeichen des Widerstandes gegen die Zerstörung des sozialistischen Staates. Sie waren der Funke für ein Aufbegehren gegen das deutsche Kapital, der im Hochsicherheitstrakt Stammheim ausgelöscht wurde.
Nach der Zwangsvereinigung blieben jene, die gewagt hatten, die zementierten Herrschaftsverhältnisse aufzubrechen, einem Racheakt sondergleichen ausgesetzt. Die neuen Bundesländer wurden faktisch ein Protektorat der BRD, darin wie in den alten das Geld regiert und das Individuum verkommt. Es ist Ware, Objekt auf dem Fleischmarkt und Kanonenfutter. Allein deshalb musste die Mauer fallen. Denn das Geschäft lohnt erst, wenn es wieder richtig donnert. Das braucht schwarze, grüne, gelbe und rosarote Saumagen fressende Zweibeiner, die als parlamentarische Schwätzer und Scheindemokraten vor den Lobbyisten wie Hunde mit dem Schwanz wedeln. Und Leithammel vom Lügenland, die Freiheit blöken braucht es, die jedoch wie eh und je die Herde zur Schlachtbank führen. Auch dafür verantwortlich, dass unser Land mehr und mehr rechtslastig im Bunde mit dem eigentlichen Schurkenstaat, an den Rand der atomaren Vernichtung gerät. Es zwingt zur Frage, inwieweit rücken sie als Marionetten bereits in die Nähe jener Hauptkriegsverbrecher, die 1945 im Namen der dezimierten Völker vom Nürnberger Prozess dem Strang ausgeliefert wurden.
Die beiden Komödien wuchsen auf keinem anderen Grund, denn sie richten sich gegen den Zustand des Ostens, der mit blühenden Landschaften verkohlt wurde. Es blieb Abgesang, weil er nie das Kultur- und Produktionsniveau der DDR erreichte. Das gilt auch für Zeulenroda, dem Handlungsort eines der Stücke. Nach fast 30 Jahren saugte es noch immer an der Zitze seiner falschen Stiefmutter und war außerstande, das jährliche Stadtfest zu feiern. Greiz als Handlungsort des zweiten Stückes hängt nicht weniger am Tropf. Hatte die Treuhand die Möbelproduktion als Herz der weltbekannten Metropole und Heimatstatt der „Karpfenpfeifer“ zerschlagen, brach sie der Kreisstadt das ökonomische Rückgrat, indem sie die Textilindustrie vernichtete und die „Perle des Vogtlandes“ verkümmern ließ. Die Jugend kehrt ihrer Heimat den Rücken. Sie wandert gen Westen ab und die Fenster verlassenen Wohnungen glänzen wie tränende Augen.
Das trifft mich nicht weniger wie die Greizer selbst, denn ich unterrichtete einige Jahre an der Betriebsberufsschule „Junge Garde“ und weiß mich durch familiäre Beziehungen mit ihr verbunden. Die Stadt der Stoffe, idyllisch im Tal gelegen, war mir wie ein Freund. Ihren gewaltsamen Niedergang erleben zu müssen, ist eine schmerzliche und zugleich zornige Erinnerung.
Alles in allem richten sich meine Stücke gegen diesen „Kapitalismus, der nicht human sein kann. Alles Menschliche, außer dem Viehischen im Menschen, ist ihm fremd.“
Das Maxim-Gorki-Wort liest sich, als geißele es jegliche bürgerliche Parteien, die bis hin zu Pegida und AfD die politische Landschaft verwüsten. Ich zitiere nicht schlechthin, sondern unter der Last eigener Erlebnisse als Wehrmachtssöldner. Das sind tiefe, nie verheilende Wunden, durch neuerliche Ereignisse immer wieder aufgerissen. Das ist kein Zustand schlechthin, sondern spiegelt jene „Schweinegesellschaft“ wider, darin einer Schweinerei andere, noch größere Schweinereien folgen. Das war schon zu Zeiten von Vincent van Goghs Gang und Gäbe, der seine Gemälde sprechen ließ und aus Empörung Schweineköpfe malte.
Diese vulgäre Äußerung ist kein Abgleiten vom Thema und schon gar nicht von Geschichte. Immer wieder mit der Nase darauf gestoßen entdeckte ich sie mit Thomas Münzer und dem Heer der abgeschlachteten Bauern, den Hussiten als reformatorische und revolutionäre Bewegung mit Jan Hus, der auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde oder den Widerstand der Albigenser, eine christlichen Protestbewegung in Südfrankreich, im Namen des Papstes blutig niedergeworfen. Ich begreife die Historie mit Robespiere, den Revolutionären von 1848, der Pariser Kommune 1871, den aufständischen Matrosen, die 1918 das Feuer aus den Kesseln der kaiserlichen Kriegsflotte rissen bis hin zum folgenschweren Mord an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Die 1919 von der Reichswehr hingemetzelten Leunarbeiter, die an der Blutmauer von Berlin-Lichtenberg standrechtlich erschossenen Märzkämpfer, Kurt Eisner, „Räterepublik“ Bayern. Ernst Thälmann, die massenhaft zu Tode gebrachten Kommunisten und Antifaschisten im Nazireich nicht zu vergessen. Ebenso wenig Che Guevara, über Salvador Allende bis zur Liquidierung von Gewerkschaftern, Friedensaktivisten und politisch wirksamen Frauen heute.
Es ist die Geschichte der Ärmsten, den Niedergehaltenen, die sich erhoben, aber so oft überwältigt und grausam bestraft wurden, bis sie dem Kommunistischen Manifest folgen konnten: Kraftbuch, Leuchtfeuer und Vision. Proletarischer Kampfruf, von der Internationale begleitet:
„Es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!“
Ein mächtiger Gesang, der die Erde erschütterte und Revolutionäre wachsen ließ. Wer kann das besser nachfühlen als einer, der sich freiwillig meldete, um fliegen zu lernen und bereit war als ein Held der Luftwaffe sterben zu wollen. Einer der wenigen vom Jahrgang 24, der den Krieg und das Verhungerlager Bad Kreuznach überlebte. Der aus Gefangenschaft flüchtete, in die Heimat zurückkehrte und in die Schneewand eingekratzt ein Stalin verrecke las. Jener so geschmähte Generalisimus, der wusste, man wird ihn dereinst mit Dreck überschütten. Gegen den ich zu Felde gezogen war, obwohl er mir das Leben rettete, indem er jenen verbrecherischen Hitlerkrieg maßgeblich beendete.
Die so beschämende Einsicht gewann ich, als Kind der DDR ein zweites Mal geboren, in einem langen Lernprozess, der Zukunft versprach. Wofür ich fortan arbeitete als auch im Schreiben das Woher und Wohin begriff. Dabei nützten mir jene Signale von Sturm und Drang als auch der Weimarer Klassik: Handeln ist die Seele der Welt und Aus dem Innersten hinaus in die Welt. Friedrich Wolf formulierte es schärfer, bewusster. Er bezeichnete die Kunst als Waffe im Klassenkampf. Ihn mit heutiger Literatur