Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung. Detlev Sakautzky. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Detlev Sakautzky
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783960085607
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auf der „Anna“. Die qualitätsgerechte Einlagerung des bearbeiteten Fisches gehörte unter anderem zu seinen Aufgaben.

      Darüber hinaus erfüllte Martin die Aufgaben des Gesundheitsschutzes an Bord. Er behandelte Wundverletzungen, wie Rotbarschvergiftungen, Abschürfungen an der Hand, Fingerbrüche, Prellungen, Verstauchungen, Zahnschmerzen, Erfrierungen, Verbrühungen, Verbrennungen und Entzündungen. Ein Medizinschrank, ausgerüstet mit Verbandsmaterial, Medikamenten sowie medizinischen Hilfsmitteln befand sich in der Krankenkammer auf der Steuerbordseite der Aufbauten des Hauptdecks. Eine eingebaute Schlingerkoje gehörte auch zur Ausrüstung, die bei starken Schlinger- und Stampfbewegungen den Genesungsprozess von Schwerkranken erträglicher machte.

      *

      Die guten Fänge der letzten Tage sicherten eine hohe Fangprämie. Auf dieser Reise wurde viel Geld verdient. Chris benötigte dringend einen größeren Geldbetrag. Er hatte mit dem Dachdecker seines Dorfes die Erneuerung des Reetdaches, des kleinen Hauses seiner Mutter, das er mit ihr gemeinsam bewohnte, vereinbart.

      Das Haus war Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut worden und stand unter Denkmalschutz. Er beabsichtigte das Haus Schritt für Schritt zu erneuern.

      Chris Vorfahren waren Boddenfischer und Bauern, die das Haus mit einem kleinen Grundstück über Jahrzehnte in der Familie weiter vererbt hatten. Er war bestrebt das alte Familienerbe zu erhalten.

       Kleines Haus mit Reetdach.

      „Nach deiner Heimkehr möchte ich das Grundstück auf deinen Namen in das Grundbuch eintragen lassen“, hatte die sorgende Mutter ihm liebevoll beim Abschied mitgeteilt.

      Sie wollte alles rechtzeitig regeln. Bei den letzten schweren Kampfhandlungen am Ende des Krieges hatte sie ihren Mann verloren. Chris war ihr einziges Kind. Den Lebensunterhalt verdiente sie für sich als Arbeiterin beim Dünenschutz. Wiederholt hatte sie ihren Sohn aufgefordert, die schwere Arbeit in der Hochseefischerei aufzugeben.

      „Bleib an Land, im Fischereihafen werden noch Decksleute für den Dienst auf den Schleppern gesucht. Die Arbeit wird dir auch Spaß machen. Unser Nachbar, Herr Trost, arbeitet auch dort“, redete sie eindringlich auf ihn ein.

      „Der Verdienst in der Hochseefischerei ist gut, der Beruf gefällt mir, mit den Kollegen an Bord komme ich gut zurecht, später möchte ich wie Martin die Seefahrtsschule besuchen“, hatte er ihr immer stolz und beruhigend erklärt. Einen schöneren Beruf gab es für Chris nicht.

      „Geld ist nicht alles im Leben“, entgegnete die Mutter und war sehr traurig über die Einstellung ihres Sohnes. Gern hätte sie Chris umgestimmt. Alle Bemühungen waren ohne Erfolg geblieben. Sie hatte Angst, dass er eines Tages nicht mehr von See zurückkam und sie den Sohn verlieren würde, auf den sie ihre ganze Hoffnung setzte.

      Häufig dachte Chris an Linda, die Schwester von Martin, mit der er sich in der Freizeit heimlich verlobt hatte. Chris und Linda wollten es der Mutter und ihren Eltern nach dieser Reise mitteilen. Martin sollte es noch auf dieser Reise erfahren.

      *

      Der letzte Korb mit Kabeljau war unter Deck gebracht und vereist worden. Martin beauftragte Chris mit der Kontrolle und Reinigung der Bilge und des Lenzbrunnens. Beide wussten, dass eine Verstopfung des Lenzbrunnens eine Qualitätsminderung des Fisches durch nicht ablaufendes, tauendes Eiswasser zur Folge hatte.

      „Alles in Ordnung, Lenzbrunnen und Bilge sind frei!“, rief Chris aus der Tiefe des Raumes.

      Beide verließen über eine transportable Holzleiter den Eisraum, deckten die Luke mit einem schweren Thermodeckel und der Lukenpersenning ab, um den Eintritt von überkommendem Spritzwasser zu verhindern und die Kühlraumtemperatur zu halten.

      Die Arbeit an Deck war beendet. Die Decksleute hatten das Deck gereinigt verlassen und sich in die Messe, im Achterschiff, zur Mittagsmahlzeit begeben.

      Martin und Chris gingen auch in die Messe, um Mittag zu essen. Vorher hatten sie ihre Schutzbekleidung ausgezogen und im Trockenraum abgelegt. Der Kochsmaat reichte beiden eine Schüssel Erbsensuppe mit Speck. Chris setzte sich an die lange Back neben Fritz. Es wurde eilig gegessen. „In einer halben Stunde will der „Alte“ hieven lassen“, sagte Fritz.

      „Es bleibt noch Zeit für eine Tasse Kaffee“, meinte Chris.

      „Komm zu mir auf die Kammer, ich „werfe“ den Wasserkocher an“, sagte Fritz, verließ die Messe und ging zu seiner Kammer ins Vorschiff.

      Martin, der sich auch mit dem Essen beeilt hatte, ging auf die Brücke, um den Kapitän für die Einnahme der Mittagsmahlzeit abzulösen. Die Sicht hatte sich verbessert. Zwei in der Nähe schleppende Trawler wurden in einer Meile an Steuerbord querab gesichtet.

      „In einer halben Stunde will ich hieven“, sagte der Kapitän zu Martin.

      „Halte die Wassertiefe! Auf dem Echographenpapier sind noch einige Fischanzeigen zu sehen“, sagte der Kapitän, bevor er eilig den Brückenraum verließ.

      Der Funker brachte den Wetterbericht.

      „Zunehmendes Treibpackeis, Wind aus Nordwest, Stärke sechs, gute Sicht, gutes Fischwetter“, informierte er den Zweiten Steuermann. „Das Eis behindert aber mehr und mehr das Aussetzen und Hieven“, erwiderte Martin mit sorgenvoller Miene.

      Eilig kam der Kapitän wieder zurück. „Er hat die Erbsensuppe wahrscheinlich ungekaut geschluckt“, flüsterte Martin zum Funker.

      Kapitän Bering übernahm wieder die Wache und beauftragte Martin die Mittagsposition zu bestimmen. Martin ermittelte mit einer Funkstandlinie und der aktuellen Wassertiefe den Schiffsort. Er trug die ermittelte Position in das Schiffstagebuch und in die Seekarte ein.

      *

      „Strom an die Winde!“, befahl der Kapitän über das Bordtelefon den Wachhabenden in der Maschine. „Strom an die Winde“, wiederholte der Chief.

      „Klarmachen zum Hieven“, war die Weisung des Kapitäns an die Windenwache.

      Der Bestmann und Hans Blank kuppelten beide Kurrleinentrommeln ein und lösten die Handbremsen.

      „Kurrleinenwinde klar zum Hieven“, meldete der Bestmann durch Zuruf dem Kapitän.

      Der Wind kam von Steuerbord.

      „5 Grad Steuerbord“, befahl der Kapitän den Rudergänger.

      „5 Grad Steuerbord“, wiederholte der Rudergänger und befolgte die Anordnung.

      „Hau los!“, rief der Kapitän nach achtern.

      „Hau los“, wiederholte Ortwin, der auf die Order des Kapitäns gewartet hatte.

      Er löste das belegte Bändsel auf dem Sicherungsstift, zog den Stift heraus und schlug mit der Brechstange die Sliphakenhalterung nach oben frei. Der lose Bügel des Sliphakens öffnete sich und beide Kurrleinen fielen nach unten weg.

      „Hiev up!“, rief der Kapitän und legte den Maschinentelegraphen auf „Langsame Fahrt Voraus“.

      „Hiev up“, wiederholte der Bestmann und begann mit dem Hieven beider Kurrleinen, die über die Galgen- und Königsrollen zu den Windentrommeln führten und gleichmäßig aufgeleitet wurden. Das Aufleiten erfolgte über einen Leitwagen, der mittels eines großen Handrades, über Getrieberäder und einer Zahnstange, durch einen kräftigen Decksmann mit der Hand bewegt wurde. Die Kurrleinen waren durch eingespleißte Kardeele markiert. Auf einer Länge von hundert Metern waren zwei Marken, auf einer Länge von fünfzig Metern war eine Marke eingespleißt, die der Bestmann beim Hieven zählte. Die letzten fünfzig Meter der Kurrleinen hatten drei Marken.

      „Letzte fünfzig“, meldete der Bestmann dem Kapitän.

      Der Hievvorgang wurde durch den Bestmann unterbrochen.

      „Hart Steuerbord“, war die Order des Kapitäns an den Rudergänger, der die Weisung sofort ausführte.

      Der