So war es in der DDR und nicht anders. Gerd Leonhardt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerd Leonhardt
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783954888115
Скачать книгу
rechtmäßige deutsche Staat“. Das nennt man Alleinvertretungsanspruch und hat mit Demokratie nichts zu tun!

      Dieses Buch soll nicht nur jungen Menschen helfen, sich ein wahrhaftes Bild zu machen über diesen ehemaligen Staat, sondern auch jenen, die später einmal den Beruf eines Musikers ergreifen wollen. Der Verfasser beschreibt ein umfangreiches Bild, wie man als Amateur oder nicht privilegierter Berufsmusiker in der DDR lebte. Die Geschichte wiederholt sich nicht. Und wer wie ich die „komplette“ DDR erlebt hat, wird auch manchmal schmunzeln!

      Ich möchte mich an dieser Stelle bei dem Deutschen Bundeswehrverlag – ehm. Deutscher Bundes-Verlag – bedanken für die freundliche Genehmigung des Druckes von Zitaten aus der Broschüre: „Ein Taschenbuch – und Nachschlagebuch über die sowjetische Besatzungszone Deutschlands.“

      Im Grunde bin ich eigentlich froh, dass mein Großvater ehemals am Leipziger Konservatorium Musik studierte und mir den einzigen Anreiz gab, wenn auch ganz unbewusst – ich möchte Musik machen! Für uns Kinder, wir hatten ja keinen Vater, was nach dem Krieg als normal galt, war es das großartigste, wenn der Opa sagte: „Am Sonntag gehen wir nach Lichtenwalde.“ (Lichtenwalde liegt nebenbei erwähnt an der östlichen Peripherie von Chemnitz, ausgestattet mit einem Park, der als schönster seiner Art in Deutschland ausgezeichnet ist.) Das hieß für uns, es gibt ein 50-zig-Pfennigstück aus gutem Nachkriegskupfer, denn die Russen hatten bis zum Jahr 1954 noch nicht alles „raus geschafft“. Und jetzt kommt die Hauptsache. Der Opa spielt in der ersten Kneipe nach Ende der Straßenbahnhaltestelle Klavier! Dies war eine Prozedur der besonderen Art. Zumeist musste der „Bienenstock“ herhalten, eine kleine Gaststätte vor dem Schloss Lichtenwalde gelegen. Für uns damals 9- bis 12-jährige Cousins war es immer ein tolles Erlebnis. Kaum in dieser Gaststätte angekommen, ging mein Großvater schnurstracks zum Klavier, welches zu dieser Zeit noch kultureller Normalbestand einer jeden Kneipe war. Er klappte den oberen Deckel auf, danach wurde die vordere und untere Abdeckung vom Klavier entfernt. Meistens waren wenige Gäste anwesend, denen wurden dann mindestens eine Stunde lang klassische Variationen und Fantasien angeboten. Von Händel über Bach, Wagner und Liszt, nebenbei bemerkt sein Lieblingskomponist, spielte mein Opa sich in Rage, dass er schwitzte und dabei sehr laut die Luft ausstieß. Dann aber wusste ich – jetzt kommt das Finale. Dieses war das einfache „La Paloma“. Natürlich konnten wir damals nur maximal 10-15 Takte mit“hören“, danach war es vorbei. Eine Fantasie, inbrünstig vorgetragen und mit Harmonien gestaltet, von denen wir damals noch wenig Ahnung hatten. Mit Liszt, von dem man sagte, er habe Hände von der Größe eines Scheißhausdeckels, konnte er super umgehen. Mein Großvater konnte auf dem Klavier einen Tonumfang von 17 Halbtönen greifen und dies inklusive kannibalischer Harmonien mit 10 Fingern. Wir haben das später einmal nachgezählt. Leider wusste er aber nicht mehr, welche Harmonien er einst griff, denn er hatte alles vergessen. Aber das geht jeden angehenden Musiker so.

      „Wer seine Fähigkeiten nicht ausbaut, pflegt und erweitert, wird schlechter“. Frei nach dem logisch bekannten Spruch: „Stillstand ist Rückschritt!“

      Als Kinder gingen wir, meine Mutter hielt uns dazu an, jeden Sonntag in die Kirche, um vielleicht wieder ein paar Sternbuchblümchen zu erhalten. Also bunte Bilder mit Engelchen darauf. Später, als ich 10 Jahre alt war – die Kirche bekam gerade wieder neue Glocken – wurde uns in der Schule gesagt, wir sollten doch nicht mehr in die Kirche gehen. Schließlich könnten wir dort nichts lernen. Wir standen da und wussten nicht, was wir machen sollten. Der Kalender zeigte das Jahr 1954.

      Mein damaliger Klassenkamerad und Freund war Sohn einer Bauernfamilie und musste genauso wie Beethoven an das Klavier geprügelt werden, welches in der so genannten „Guten Stube“ stand und nur aus diesem Grunde einmal in der Woche aufgeschlossen wurde. Die Klavierstunde war für ihn das schlimmste Vorkommnis in der ganzen Woche. In meinen Augen war er ein unmusikalisches Rindvieh, denn ich durfte ihn in der Schule ja „singen“ hören. Ich wäre froh gewesen, wenn meine Mutter die Zeit und das Geld hätte aufbringen können mich zum Klavierunterricht zu schicken. Von einem eigenem Klavier ganz zu schweigen. Ganze zwei Jahre später, ich war indessen 14 Jahre alt, konnte ich mir mein erstes Instrument leisten. Es war natürlich kein Klavier, sondern ich kaufte mir von meinem ersten Lehrlingsgeld eine Akkordzither, und dies zu einem Wahnsinnspreis von 21.- Mark der DDR. Dieses wunderschöne Instrument begleitete mich bis heute, und es klingt immer noch so, als hätte ich es gerade erst gekauft! Wer eine Akkordzither nicht kennt, dazu Folgendes: Es gibt dazu so genannte Unterlegenoten. Man braucht also nur die Melodiestimme mit dem rechten Daumen abzuspielen und mit den linken Daumen den bezifferten entsprechenden Akkord anzuzupfen. Natürlich gehörte kein großes Können dazu, dieses Instrument in kurzer Zeit einigermaßen zu beherrschen. Die Noten dafür musste jemand geschrieben haben, der entweder keine Ausbildung hatte oder kein musikalisches Gehör, denn die meisten Harmonien waren falsch. Ich habe dann die meisten bekannten Stücke für die Zither selber geschrieben. Alsbald bekam ich neuen „Hunger“ und kaufte mir kurz darauf meine erste Gitarre. Doch weil das Geld nicht zu etwas Besserem reichte, war es eine traurige „Wandergitarre“. Ein furchtbares Instrument, die Saitenlage war grauenvoll hoch. Es gab kein Schallloch, sondern zwei S-förmige Schlitze. Die Resonanz entsprach annähernd dem Klang einer Glocke aus Plastik. Aber wie soll Sperrholz schon klingen? Ein großer „Meister“ sagte einmal: „Das beste Instrument ist gerade gut genug zum Lernen“. Na, dann guten Appetit!

      Zu dieser Zeit – so 1958 – kam der Musikinstrumentenbau in Sachsen langsam wieder in Hochform.

      1 „Obwohl der Umfang der von Deutschland zu leistenden R. praktisch erst mit dem Industriebeschränkungsplan vom März 1946 von den vier Alliierten festgelegt wurde, führte die SU (Sowjetunion) bereits vor diesem Zeitpunkt in der SBZ {sowjetisch – besetzte Zone}, umfangreiche Demontagen durch, von denen nicht bekannt ist, ob die Gegenwerte dem Reparationskonto gutgeschrieben wurden. Eine Abrechnung über die Entnahmen ist bis heute noch nicht veröffentlicht worden. Sie wird kaum jemals erfolgen, da die Sowjets im Widerspruch zum Potsdamer Abkommen ohne Zustimmung der Westalliierten ungeheure Entnahmen aus der laufenden Produktion forderten. {...} a) Beuteaktionen: Die Besetzung Ost- und Mitteldeutschlands durch die Rote Armee war mit einem rücksichtslosen Beutezug verbunden. Ohne irgendwelche Registrierung wurden riesige Sach- und Kunstwerte aus öffentlichem und Privatbesitz beschlagnahmt und ostwärts verfrachtet. Ferner erbeuteten die Sowjets Mrd.-Beträge an Reichsbanknoten, denen sie später deutsche Lieferungen und sonstige Leistungen „bezahlten“. Der Wert der bei den Beuteaktionen entnommenen Gegenstände wird auf etwa 5 Mrd. Mark geschätzt; die Menge der erbeuteten Banknoten muss mit ebenfalls mindestens 5 Mrd. Mark angenommen werden.

      b) Demontagen: Die Sowjets hielten sich nicht daran, kriegswichtige Industrien zu entfernen, sondern demontierten und beschlagnahmten auch für die Friedenswirtschaft unentbehrliche industrielle Kapazitäten. Folgende Abschnitte der Demontagen sind erkennbar:

      1. Welle von Mai bis Anfang Juli 1945. Bis zum Beginn der Besetzung Berlins durch die vier Alliierten räumten die Sowjets hier alle in dieser kurzen Zeit nur irgend demontierbaren Fabriken, vor allem in West-Berlin, aus. Etwa 460 Berliner Betriebe wurden von den Sowjets voll demontiert und abtransportiert, davon 149 Betriebe des Maschinen und Apparatebaus, 51 Metallurgiebetriebe, 46 Betriebe der Feinmechanik und Optik und 44 Betriebe der Elektroindustrie. Etwa 75 v.H. der bei der Kapitulation noch vorhandenen Kapazitäten wurden betroffen. 2. Welle von Anfang Juli bis Herbst 1945. Hiervon wurden industrielle Großbetriebe der gesamten Zone ebenso wie mittlere und kleinere Werke betroffen. Zu dieser Zeit begann auch der Abbau der zweiten Gleise auf sämtlichen Eisenbahnstrecken der Zone. Wieder wurden Produktionskapazitäten von Friedensindustrien abgebaut: Braunkohlenindustrie, Ziegeleien, Textil- und Papierfabriken, Zuckerfabriken usw. 3. Welle von Frühjahr bis Spätsommer 1946. Nach einer vorbereiteten Liste wurden weit mehr als 200 große Industriebetriebe der chemischen Industrie, der Papierindustrie, Schuhfabriken, Textilwerke usw. demontiert. 4. Welle von Oktober 1946 bis Frühjahr 1947. Obwohl Marschall Solokowski bereits am 21.05.1946 die Demontagen für abgeschlossen erklärt hatte, setzte einige Monate später eine vierte Welle ein, von der z.B die Zeisswerke Jena, Kraftwerke, Druckereien und einige Rüstungsbetriebe, die bis dahin für die