Foto: Museum of Modern Arts, New York (1945)
Untersuchungen eines Bogens aus einem Soldatengrab in der Nekropole des nördlich des heutigen Luxors auf der westlichen Nilseite gelegenen Deir el-Bahari im Labor des Metropolitan Museum of Art in New York haben ergeben, daß das Holz der heimischen Akazie (SnDt) für den Bogen und verdrillter Tierdarm für die Sehne genommen wurden, der durch Zerbrechen „unschädlich gemacht“ mit einem Schützen des Pharaos Mentuhotep I. bestattet war.
Abb. 59: Bogenspannen
Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)
Um Ermüdungserscheinungen vorzubeugen, wurde die Sehne erst kurz vor dem Einsatz aufgezogen. Die Darstellung in einem Grab in Beni Hassan, rund 23 Kilometer südlich von al-Minya in Mittelägypten, belegt, daß das Aufspannen der Sehne mit einer gewissen Kraftanstrengung verbunden war (Abb. 59). Mit Nachbauten dieser Bogen aus Akazienholz wurden unterschiedlich befiederte Pfeile über eine Distanz von 80 Metern geschossen, ein halbwegs zielgenaues Treffen war aber nur bis zu einer Entfernung von etwa 40 Metern möglich.
Abb. 60: Bogenschütze mit Hörnerbogen. Darstellung im Totentempel Ramses‘ II. in Medinet Habu.
Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)
Im Mittleren Reich kommt ein neuer Bogentyp auf, der Hörnerbogen. Er besteht aus zwei geraden, spitz endenden Antilopenhörnern, die auf ein Mittelstück aus Horn oder Holz aufgesetzt werden (Abb. 60). Der Bogen ist ebenso schwer wie unhandlich und anstelle eines Teiles müssen jetzt drei Teile mitgeführt werden; löst sich der Knoten oder reißt die Sehne, fällt der Bogen auseinander.
Diese Konstruktion kann sich nicht durchsetzen und wird aufgegeben.
Die nächste Generation der Bogen erscheint in der Zweiten Zwischenzeit, wenn auch zunächst nicht in den Händen der Ägypter, sondern in denen der Hyksos.
Die Bogen der Hyksoskrieger sind aus übereinanderliegenden Lagen von Holz und Horn gefertigt, die durch eine feste Umwicklung aus Sehnen zusammengehalten werden (Abb. 61). Damit die Sehnen vor Feuchtigkeit, vor allem dem Hautschweiß, geschützt sind und sich nicht lösen, liegt über ihnen noch eine Schicht aus Birkenbast. Diese Bogen sind leicht und erheblich leistungsstärker als die ägyptischen.
Das Geheimnis dieser Wunderwaffe bleibt nicht lange geheim. Die Ägypter stellen fest, wie der Bogen konstruiert und mit welcher Technik er gefertigt ist.
Und sie stellen noch etwas anderes fest, daß nämlich die Konstruktion gut und schön aber auf halbem Wege in der Weiterentwicklung irgendwie steckengeblieben ist.
Abb. 61: Aufbau des Kompositbogens der Hyksos.
Zeichnung: Korisios
Die Umwicklung der Hyksosbogen mit Sehnen erhöht die Bruchfestigkeit des Holzes, was die Verwendung sehr harter Hölzer zuläßt. Diese Festigkeit ist aber bereits, zumindest bei solider Verarbeitung, durch die verklebte Schichtung mit den Hornstreifen ausreichend gegeben; die Sehnenumwicklung damit im Grunde überflüssig.
Die Ägypter bauen ihre Kompositbogen, um solche handelt es sich aufgrund der Sandwichbauweise, mit einer wesentlichen Änderung, sie wickeln die Sehnen nicht um den Bogen, sondern kleben (dmj) breite Sehnenstreifen, im Regelfall die Achillessehne der Rinder, vor den vom Schützen abgewandten Teil des Bogens.
Damit werden beim Spannen auch diese Sehnen gespannt, was der Waffe zusätzliche Kraft verleiht.
Geklebt wurde mit Harz oder Hautleim. Dieser Leim wurde durch Kochen der Haut von Rindern, Schafen oder Ziegen und anschließendem Eindampfen des aus dem freigesetzten Kollagen entstandenen Glutins gewonnen25.
Beibehalten wird die Schichtung aus Holz und Horn, die Abdeckung der aufgeklebten Sehnenstreifen mit Birkenbast und vor allem die geschwungenen Arme, welche durch ihre nach vorn gebogene Krümmung beim Spannen einen immer flacher werdenden Hebel zum Schützen bilden; der Bogenarm verhält sich, als wäre er kürzer. Umgekehrt verhält sich der Bogen, als würde er beim Spannen immer länger und ist damit weicher zu ziehen, was bei einer aufzuwendenden Zugkraft von etwa 30 kg ein enormer Vorteil ist (Abb. 62).
Beim Schuss läuft der Vorgang rückwärts ab, der Pfeil erhält seine höchste Beschleunigung erst kurz vor der Trennung von der Sehne, Fluggeschwindigkeit, Reichweite und Zielgenauigkeit steigen merklich. – Die Leistung der Bogen wurde nahezu verdoppelt.
Die Kompositbogen (Abb. 63) waren nicht nur gut, sie waren auch teuer. Und so blieben sie der Elite vorbehalten, die gemeine Infanterie schoss weiterhin mit den herkömmlichen Bogen.
Abb. 62: Durch ihre nach vorn gebogene Krümmung bilden die Arme des Kompositbogens beim Spannen einen immer flacher werdenden Hebel.
Die Bogensehne schnellt nicht nur beim Schuss nach vorn, sondern schwingt nach dem Pfeilabschuss auch mehr oder weniger unkontrolliert mit der Wirkung einer scharfen Peitschenschnur zurück.
Das ist für den Schützen im besten Fall unangenehm oder schmerzhaft, im schlimmsten, und das dürfte der Regelfall gewesen sein, führt es zu Verletzungen an Handgelenk und Unterarm.
Abb. 63: Ein Kompositbogen, wie er im Grab Ramses‘ III., KV 11 im Tal der Könige, gefunden wurde.
Zum Schutz trugen die Bogenschützen eine Lederzunge über der Innenfläche des Handgelenks, welche in zwei etwa 25 cm lange Lederriemen auslief, die um den Unterarm (Abb. 64) oder hinter den Ellenbogen gebunden waren (Abb. 65).
Eine aufwändigere Ausführung bestand aus einer Ledermanschette, die am vorderen Ende mit einer Zunge bis in die Handinnenfläche reichte und den Handteller polsterte.
Gehalten wurde die um die 20 cm bis 30 cm lange Manschette durch Lederbänder (DHrw) oder Schnüre, die durch kleine Löcher an den Enden der Manschette geführt und mehrfach um den Unterarm geschlungen wurden.
Die Verzierung der Außenfläche reichte vom Nichts bis zur reichen Ornamentik, häufig war die zentrale Darstellung ein apotropäisches Symbol.
Die Kompositbogen waren Spitzenerzeugnisse der Hochtechnologie ihrer Zeit und waren, wie es „Hightech“ noch heute an sich hat, entsprechend empfindlich. Die „Achillessehne“ dieser Bogen war ihre Eigenheit, sich bei Feuchtigkeit zu verziehen, sie mußten also geschützt aufbewahrt werden.
Dazu wurden aus Leder, selten aus Leinen oder Holz, Futterale gefertigt, bunt verzierte Bogenköcher, die mit einer Kappe aus gleichem Material verschlossen und von den Bogenschützen auf dem Rücken getragen wurden (Abb. 66).
Abb. 64: Die mumifizierte Hand eines Bogenschützen aus dem Mittleren Reich mit Handgelenkschutz.
Foto: Metropolitan Museum of Modern Arts, New York (1945)
Seit vordynastischer Zeit stellte der Stängel des Schilfs, Phragmites australis, das Material des Pfeilschafts (nbjt) und stellte es auch weiterhin. – Eine Regel, welche durch die seltenen Funde hölzerner Pfeile bestätigt wird.
Schilf wuchs in den Sumpfgebieten des Deltas und säumte die Ufer des Nils, war also reichlich vorhanden, die Stängel erreichen, je nach Art, Höhen bis 4 Meter, manche sogar bis 10 Meter.
Ähnlich wie sein Verwandter, der Bambus, ist das Schilfrohr durch flache, feste Knoten in einzelne Abschnitte unterteilt. Da es keine Feuchtigkeit aufnimmt, verzieht es sich nicht; die Oberflächenstruktur ist griffig, die Wandung aufgrund ihres hohen Kieselsäuregehalts