Die generationsübergreifende Übertragung ist ein Vorgang, welcher die Erlebnisse der Generation, die alles bewusst erlebt hat, der nächsten Generation als Gefühlserbe überträgt und so zu einem unbewussten Erbe transformiert. Das unbewusste Erbe aufzuarbeiten verursacht in der Zusammenfassung aller Faktoren den viel größeren Aufwand als die Aufarbeitung des bewusst Erlebten.
Bevor wir nun Opfer- und Täterkinder separat betrachten, fasst Claudia Brunner, die besagte Großnichte des Massenmörders Alois Brunner, das Gemeinsame treffend zusammen, als sie von einem Treffen der Nachkommen von Tätern und Opfern in Wien im Oktober 1999 berichtet: „Bei aller Verschiedenheit zwischen unseren Biografien und Geschichten entdeckten wir erstaunliche Parallelen, wie zum Beispiel die Übernahme von Schuldgefühlen Jahrzehnte nach den tatsächlichen Ereignissen, Tabus und Familiengeheimnisse, bisweilen absurd erscheinende Loyalitäten zu Lebenden oder Toten, die eine offene Konfrontation mit der Geschichte erschweren, sowie das Gefühl, in besonderer Mission unterwegs zu sein und für irgendeine Art von ‚Wiedergutmachung‘ zuständig zu sein. Und nicht zuletzt teilen wir rational kaum begründbare Ängste, die wir unseren Freunden und Eltern nur schwer begreiflich machen können.“78
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