H.P. Lovecraft: Vom Jenseits
In den letzten Jahren habe ich mit der Necronomicon-Gnosis gearbeitet. Ich wurde sehr oft gefragt „Beruht das Necronomicon denn auf Tatsachen?“ oder „Wie viel Wahrheit steckt in all den Legenden über dieses Buch?“ Viele Leute, mit denen ich über meine magische Arbeit gesprochen habe, fragten sich oft, was es mit der Natur dieser Wesen auf sich habe, wie effektiv die Rituale wären, welche Vorteile und Gefahren diese Praktiken in sich bergen oder fragten mich auch einfach, wie etwas funktionieren kann, wenn es sich doch ausschließlich um eine literarische Fiktion handelt.
Dieses Buch wurde als Antwort auf all diese Fragen geschrieben. Es enthält Texte und praktische Arbeitsanleitungen, die ich im Laufe der letzten Jahre im Rahmen sowohl meiner individuellen Arbeit als auch durch Gruppenarbeiten mit meinen Brüdern und Schwestern vom Dragon Rouge geschrieben habe. Es basiert auf der sehr umfangreichen literarischen Tradition des Cthulhu-Mythos und verschiedener Aspekte Lovecraftscher Magie. Es nimmt Bezug auf ausgewählte, veröffentlichte Versionen des Necronomicons (mit „Necronomicon“ werde ich mich in diesem Buch auf die generelle Idee dieses Buches beziehen und auf die besonderen Lehren über die beschriebenen Wesen; ich beziehe mich nicht auf einen spezifischen veröffentlichten Text) sowie einige dem Necronomicon verwandte Texte und Grimoires, die in den letzten Jahren im Internet aufgetaucht sind. Alle diese Texte werden normalerweise als Fälschungen betrachtet und bei einer seriösen Untersuchungen lässt sich feststellen, dass keines davon das authentische Necronomicon ist. Andererseits aber hat niemand je das authentische Necronomicon gesehen und die Suche seitens der Enthusiasten des Lovecraft-Mythos dauert immer noch an. Diese Tatsache sollte uns jedoch nicht davon abhalten, mit den Texten zu arbeiten. Ich werde sie an dieser Stelle nicht untersuchen oder darüber spekulieren, ob das wirkliche Necronomicon existiert oder nicht. Magische Kraft ist nicht in irgendwelchen geschriebenen Büchern enthalten, sondern innerhalb unseres Geistes, und der Geist eines kreativen Individuums kann Fiktion in eine authentische Erfahrung verwandeln. In diesem Sinne können wir die Lehren Lovecrafts als Werkzeug zur Erforschung der dunklen Labyrinthe unseres Geistes verwenden.
Man sollte jedoch immer daran denken, dass alle Rituale und Arbeitsanweisungen, die in diesen Texten dargestellt werden, nicht im wortwörtlichen Sinne aufgefasst werden dürfen. Um ein ausgewähltes Wesen zu Dir zu rufen, brauchst Du keinen Tempel auf einem Hügel zu bauen und Du brauchst auch keine Leichname aus ihren Gräbern auszubuddeln. Diese Elemente sollen ausschließlich als Inspiration für Deine eigenen Arbeiten dienen – Meditationen, Pfadarbeiten usw. Du kannst die Beschreibung eines Rituals auf gleiche Weise verwenden wie eine von Lovecraft oder seinen Anhängern geschriebene fiktive Geschichte: lies sie, um eine besondere Atmosphäre zu schaffen und bereite dann Deine eigenen Rituale oder eine Meditation vor. Dies erlaubt Dir eine Verschiebung Deines Bewusstseins in das Reich Lovecraftscher Gnosis: die erschreckende und dunkle Welt der Großen Alten, die durchdrungen ist von einem überwältigenden Gefühl von Ehrfurcht und verhängnisvoller Schicksalhaftigkeit, in der die vergessenen Götter tot aber träumend danieder liegen.
Der Zweck dieses Buches besteht darin, den Leser in diese dunkle und mysteriöse Welt einzuführen. Du wirst hier über ausgesuchte Elemente Lovecraftscher Lehre lesen und erfahren, wie man damit arbeiten kann. Das Buch präsentiert grundsätzliche magische Konzepte und Techniken, die von praktischem Nutzen im Kontext der Necronomicon-Gnosis sind. Einige Leser sind vielleicht erstaunt, dass das Buch nur sehr wenig Bezug auf das wohl bekannteste Necronomicon nimmt, das Werk Simons. Der Grund dafür besteht darin, dass der Autor sein Werk dem Vernehmen nach auf Grundlage der „sumerischen Magie“ geschaffen hat, während die Necronomicon-Gnosis, wie sie hier vorgestellt wird, nicht innerhalb eines kulturellen Kontextes angesiedelt ist. Sie gehört in die Astral-/Traumsphäre und in stellare Dimensionen. Ich habe mich dennoch entschieden, einige der Elemente und Ideen aus seinem Buch aufzunehmen, wie beispielsweise den Schöpfungsmythos oder einige der vorgestellten Wesen. Die Magie von Lovecraft ist unritualisiert und basiert auf der individuellen Erfahrung. Der Ruf Cthulhus beeinflusst den Geist jedes einzelnen auf unterschiedliche Weise. Die Arbeiten, die in diesem Buch vorgestellt werden, entstammen meiner persönlichen Erfahrung und die gleichen Konzepte können von einem anderen Praktizierenden aus einer ganzen anderen Perspektive angegangen werden. Es ist jedoch nicht ratsam, Elemente dieser Arbeiten zu verändern, bevor man einen passenden Hintergrund zum Schaffen eigener Rituale besitzt.
Die Rituale in diesem Buch können sowohl von Anfängern wie auch von fortgeschrittenen Magiern verwendet werden. Normalerweise wird in der Beschreibung der Arbeiten angegeben, ob ein hohes Maß an Erfahrung notwendig ist oder nicht. Wenn Du Dich mit einer in einer Arbeit vorgestellten Idee nicht anfreunden kannst, dann lass die Arbeit sein. Das Reich der Necronomicon-Gnosis ist gewaltig groß und enthält unbegrenzte Möglichkeiten, die nur von Deiner Vorstellungskraft abhängen. Es bedarf einzig der Einstimmung Deines Geistes und Deiner Sinne auf den Ruf der Großen Alten. Die Macht des Necronomicons liegt versteckt in seiner Unfassbarkeit und dem unbegrenzten Potential eines Buches, das niemals vervollständigt wurde und das immer noch durch die Hände jener weiter geschrieben wird, die die Botschaften aus dem Jenseits empfangen. Also: Öffne Deinen Geist und genieße den Wahnsinn!
Asenath Mason, Frühjahr 2007
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Was ist Necronomicon-Gnosis?
Die Mehrheit der verfügbaren Versionen des Necronomicons basiert auf den Schriften von H. P. Lovecraft und seiner Anhänger. Alle diese Geschichten sind Teil des so genannten Cthulhu-Mythos. Lovecraft selbst behauptete, das Necronomicon sei seine eigene Erfindung und der Name des angeblichen Autoren, Abdul Al-Hazred sei ein Spitzname aus seiner Kindheit, der inspiriert wurde von der Lektüre der „Geschichten aus 1000 und einer Nacht“. Deshalb haben sich die Erforscher des Necronomicons immer wieder gefragt, ob das Buch wirklich in der Realität existieren würde oder ob es nur ein Produkt von Lovecrafts Vorstellungskraft sei. Seine Popularität bei den Okkultisten des 20. Jahrhunderts war dennoch enorm. Das Necronomicon inspirierte Magier wie Aleister Crowley, Michael Bertiaux, Anton LaVey, Michael Aquino oder Kenneth Grant. Auch wurden magische Orden geschaffen, um die esoterischen Aspekte des Cthulhu-Mythos zu erforschen. Unter ihnen sei beispielsweise der Esoteric Order of Dagon (Esoterischer Orden Dagons) genannt. Diese Magier behaupteten, dass das Necronomicon tatsächlich im Akasha-Feld existieren würde, jener Sphäre des Astrallichtes, in der alles Wissen über das Universum sowie über die Ereignisse der Vergangenheit und der Zukunft seit Anbeginn der Zeiten enthalten sei. Manchmal können sich Funken dieses Wissen in der materiellen Welt in den Geistern von Personen manifestieren, die empfindsam genug sind, um eine Transmission aus diesen subtilen Ebenen empfangen zu können. Eine solche Nachrichtenübermittlung wurde von Helena Blavatsky empfangen und in ihrem so genannten Buch des Dzyan niedergeschrieben. Der Zugriff auf dieses versteckte Wissen kann jedoch auch durch die Mittel der Magie erlangt werden – indem man Rituale und Zeremonien praktiziert, die im Necronomicon beschrieben sind. Diese Arbeiten zielen darauf ab, die Großen Alten im menschlichen Bewusstsein zu erwecken, Kräfte, die außerhalb dieser Welt, wie sie uns Menschen bekannt ist, existieren. Nach dem Cthulhu-Mythos liegen sie schlafend danieder, darauf wartend, geweckt zu werden, um wieder auferstehen zu können. Ihr Ruf erreicht die Anhänger ihrer Kulte, die an ihrer Erweckung durch die Anwendung magischer Praktiken arbeiten. Das Necronomicon erwähnt drei Hauptströmungen der Verehrung der Großen Alten: die Kulte des Drachen, des Ziegenbocks und des Hundes (Draconis, Capricornus, Sirius).
Wie Lovecraft schreibt:
So war also dieser Kult, und die Gefangenen sagten, dass er schon immer existiert habe und immer weiter existieren würde, versteckt in den entferntest liegenden Wüsten und an den dunkelsten Orten überall auf der ganzen Welt bis zu der Zeit, wenn der große Priester Cthulhu aus seinem dunklen Haus in der mächtigen Stadt R’lyeh unter den Wassern aufsteigen und