Umfang der Überwachung
Nicht zu überwachen sind im Zweifel handwerkliche Selbstverständlichkeiten. Bei diesen darf der Architekt davon ausgehen, dass der Bauunternehmer diese beherrscht, insbesondere, wenn es sich um ein Fachunternehmen handelt. Bei diesen Tätigkeiten reicht es, wenn der Architekt entsprechende Stichproben macht. Das OLG Schleswig hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass handwerkliche Selbstverständlichkeiten anlassbezogen zu überprüfen sind, wenn der Unternehmer, beispielsweise aus grober Nachlässigkeit, ungeeignetes Material verwendet (OLG Schleswig, IBR 2011, 530). Anders ist dies selbstverständlich, wenn der Unternehmer unzuverlässig ist oder Sachkunde vermissen lässt.
Handwerkliche Selbstverständlichkeiten sind etwa Putzarbeiten, das Eindecken eines Daches mit Dachpappe, Säubern von Schleifstaub, Malerarbeiten, Aufbringen von Estrich, einfache Abdichtungsarbeiten etc.
In jedem Fall muss der Architekt die wichtigen Bauabschnitte persönlich oder durch einen erprobten Erfüllungsgehilfen unmittelbar überwachen und sich sofort nach der Ausführung von der Ordnungsgemäßheit der Arbeiten überzeugen.
Je höher die Qualitätsanforderungen an das Baumaterial und die Ausführungen sind, desto engmaschiger musste der Architekt überwachen.
Bei schwierigen, sog. gefahrträchtigen Arbeiten kommt dem bauleitenden Architekten eine erhöhte Überwachungspflicht {Überwachungspflicht} zu. Als schwierige bzw. gefährliche Arbeiten gelten u. a.:
• | Betonierarbeiten einschließlich der Bewehrungsarbeiten |
• | Ausschachtungsarbeiten |
• | Abbruch- und Unterfangungsarbeiten |
• | Isolierungs- und Abdichtungsarbeiten |
• | Dränagearbeiten |
• | Dachdeckerarbeiten |
• | Estricharbeiten etc |
Es handelt sich um Gewerke, bei denen es – das zeigt die Praxis – besonders häufig zu Mängeln und Problemen kommt.
Die Überwachungspflichten des Architekten beinhalten auch die Koordinationspflicht {Koordinationspflicht} hinsichtlich der Bauarbeiten. Er muss dafür Sorge tragen, dass die notwendigen Arbeiten richtig eingetaktet sind und dass es nicht zu Behinderungen der einzelnen Handwerker kommt.
Die Überwachungspflichten des Architekten dürfen jedoch auch nicht überspannt werden. Hat der Bauherr für einen konkreten fachspezifischen Bereich einen Sonderfachmann mit der Objektüberwachung beauftragt, scheidet eine Haftung des bauüberwachenden Architekten i. d. R. aus. Anders ist dies nur, wenn Mängel für ihn offensichtlich werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Überwachung der Arbeiten keine besonderen Kenntnisse erfordert.
Ist der bauüberwachende Architekt mit der Vollarchitektur beauftragt, hat er auch darauf hinzuwirken und zu prüfen, dass ein Sonderfachmann die fachtechnische Abnahme durchführt.
Führt der Bauherr Arbeiten in Eigenleistung aus, entbindet dies den Architekten nicht von der Überwachungspflicht. Er darf jedoch darauf vertrauen, dass der Bauherr die nötige Fachkenntnis zur Vornahme der Arbeiten hat (OLG Hamm, OLGR, 1996, 206).
Weil es immer wieder zu Missverständnissen kommt, muss noch auf Folgendes hingewiesen werden:
Oftmals wird die Ansicht vertreten, der Architekt schulde ein mangelfreies Gebäude. Dies ist jedoch falsch. Der Architekt schuldet eine mangelfreie Architektenleistung. Die Architektenleistung liegt – unterstellen wir, der Architekt sei lediglich mit der Bauüberwachung beauftragt – lediglich in der Bauüberwachung und den damit verbundenen Vertragspflichten. Dies dürften i. d. R. die Grundleistungen der Leistungsphase 8 nach der HOAI sein. Entdeckt der bauüberwachende Architekt also einen Mangel, so liegt seine Pflicht darin, den Mangel gegenüber dem Werkunternehmer anzuzeigen bzw. auch den Bauherrn darauf hinzuweisen. Es liegt dann am Bauherrn, tätig zu werden. Tut der Bauherr nichts, obgleich der Architekt ihn darauf hingewiesen hat, hat der Architekt seine Leistung mangelfrei erbracht. Entsprechend scheidet eine Haftung des Architekten aus.
Der Architekt ist eben Architekt und kein Bauträger oder Bauunternehmer.
Zu den Aufgaben des Architekten, der die Bauaufsicht führt, gehört die technische Abnahme der Bauleistungen. Stellt er hierbei Mängel fest, muss er die dem Bauherrn unverzüglich mitteilen. Er hat damit die Mängelbeseitigung zu überwachen. Die Tätigkeit in diesen Bereichen endet, wenn der Architekt die betreffenden Unternehmer mit Fristsetzung zur Mangelbeseitigung aufgefordert hat.
Hat der bauüberwachende Architekt Teile der Ausführungen des Bauwerks nicht richtig überwacht, so ist es seine Pflicht, dies gegenüber dem Bauherrn zu offenbaren (BGH IBR 2010, 575).
Bei der Überwachung kann der Architekt in einen Interessenkonflikt geraten. Werden nämlich Mängel festgestellt, ist es möglich, dass es um solche Mängel geht, die der bauüberwachende Architekt auch selbst zu verantworten hat. Der BGH verpflichtet den Architekten, über diesen Umstand aufzuklären (Sekundärhaftung {Sekundärhaftung} des Architekten) (BGH BauR 1978, 235, BauR 2007, 423, 424).
Aus diesem Grund muss der umfassende beauftragte Architekt den Bauherrn auch nach Beendigung der eigentlichen Tätigkeit bei der Behebung von Baumängeln helfen. Die Erfüllung dieser Pflicht betrifft allerdings nicht die Hauptpflicht der Herstellung des eigentlichen Architektenwerks. Es handelt sich um eine Nebenpflicht. Verletzt er diese Nebenpflicht, greift die Sekundärhaftung des Architekten mit der Folge, dass der Architekt sich nicht auf die Einrede der Verjährung bezüglich seiner Pflichtverletzung berufen kann.
Eine wichtige Grundleistung im Rahmen der Objektüberwachung ist die Rechnungsprüfung {Rechnungsprüfung}. Insoweit muss der Architekt prüfen, ob die angesetzten Preise mit den vereinbarten übereinstimmen, die angesetzten Mengen tatsächlich ausgeführt sind, zusätzliche Leistungen tatsächlich angefallen sind, Sonderkonditionen berücksichtigt sind und die abgerechnete Werkleistung ordnungsgemäß erbracht ist. Nach Prüfung hat der Architekt eine entsprechende Zahlungsempfehlung gegenüber dem Bauherrn abzugeben.
Hat der Architekt auch die Grundleistungen der Leistungsphase 9 gem. § 34 HOAI übernommen, so muss er während des Laufs der Gewährleistungsfrist die Ansprüche des Bauherrn wahren, längstens jedoch bis zum Ablauf von fünf Jahre seit Abnahme der Bauleistung. Ihm obliegt die fachliche Bewertung der innerhalb der Verjährungsfrist festgestellten Mängel. Die Überwachung der Mängelbeseitigung innerhalb der Verjährungsfrist ist im Rahmen der HOAI 2013 eine Besondere Leistung geworden. Der Architekt ist jedoch, nach richtiger Ansicht des OLG Dresden (IBR 2011, 531) nicht gehalten, ohne konkreten Anlass nach Mängeln zu suchen.
Ein gesondertes Honorar kann der bauleitende Architekt für seine Tätigkeit im Rahmen der Mangelbeseitigungsarbeiten nicht verlangen. Die Beratungstätigkeit ist eine Grundleistung im Rahmen der Objektüberwachung.
Neben der Erstellung des eigentlichen Architektenwerks treffen den Architekten zahlreiche Nebenpflichten im Rahmen der Abwicklung des Bauvorhabens. Dies sind Aufklärungs-, Beratungs- und Hinweispflichten. Bei einer Verletzung dieser Pflichten steht dem Auftraggeber möglicherweise ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 281 BGB oder aus der c.i.c. zu.
Es ist allerdings nicht Aufgabe des Architekten, schwierige Rechtsfragen zu klären. Er muss in diesem Zusammenhang den Bauherrn darauf hinweisen, dass es sinnvoll ist, juristischen Rat einzuholen. Die Grundzüge des BGB sowie der VOB/B sind allerdings zu erwarten. Dies gilt insbesondere für die Gewährleistungsfrist.
Überwachungsrecht des