Dekadent. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: münchenMAFIAmord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969020036
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von der Kripo erhalten.

      »Wollen Sie mir sagen, Frau Mörsmann, dass sie keinen Anruf von einer Dienststelle der Polizei erhielten?«

      »Nein, wirklich nicht. Deshalb bin ich ja so verzweifelt und habe den Doktor auf Empfehlung von Rudi angerufen.«

      Huberbauer schaute mich an und mit seinem Blick signalisierte er mir meinen ehemaligen Verein: das LKA. Schon merkwürdig, dass die Ehefrau nicht über das Ableben ihres Mannes informiert wurde. Dem LKA wurde der Fall von oben aufgedrückt und die meldeten sich nicht bei den Angehörigen?! Das gibt es normalerweise überhaupt nicht!

      Es war Zeit, dass wir die Sache in die Hand nahmen.

      Huberbauer und ich verstanden uns auch ohne Worte: Das stinkt alles zum Himmel.

      So bieder sie auch aussah, die Frau hatte eine gewisse Cleverness in sich. Schließlich beauftragte sie mich, den Tod ihres Mannes mit all seinen Begleitumständen aufzuklären. Was sie mit „Begleitumständen“ meinte, war ebenfalls sonnenklar.

      Gitti Mörsmann zuckte nicht einmal, als ich ihr mein Tageshonorar nannte und fragte nur, ob vier Wochen zur Aufklärung reichen würden. Ich machte ihr den Gegenvorschlag eines Fixhonorars auf Basis der vier Wochen, egal, wie lange ich an dem Fall arbeiten müsste. Sie willigte ein. Ich war mir sicher, dass ich sehr schnell Ergebnisse liefern konnte.

      »Wissen Sie« – und jetzt wurde sie wirklich leise – »der Ecki sah so unscheinbar aus. Aber der hatte ständig was am Laufen. Der war sein Leben lang schwanzgesteuert. Ich möchte schon wissen, ob er an dem Abend auch in Begleitung im Club war, wissen Sie, Doktor?! Vielleicht saß die junge Frau auch nur zufällig ihm gegenüber.«

      »Natürlich, Frau Mörsmann. Ich habe noch eine Frage. Sie sagten, dass der Herr Nercke ihnen mitgeteilt hätte, dass ‚das Spiel‘ jetzt beginnt, oder beginnen würde, und er nannte Ihnen eine Zahl. Können Sie mir das erneut noch mal schildern? Sie standen vorhin am Telefon unter Schock, wenn Sie mich fragen.«

      »Ja, da haben Sie recht, Doktor, wenn ich bei der Anrede bleiben darf. Die klingt für mich so vertrauenerweckend. Der Rudi, also Herr Nercke, sagte definitiv „das Spiel beginnt“. Was für ein Spiel, kann ich nicht sagen. Auch nicht, von wem er den Hinweis bekam. An die Zahl kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Das war irgendetwas mit acht und sechs, oder umgekehrt. Und groß war die Zahl, also mehrstellig, in den Tausendern. Ich war verwirrt und er sagte es nur einmal.«

      »Ist schon gut, Frau Mörsmann. Es ist vielleicht auch nicht so wichtig. Zermartern Sie sich nicht Ihren Kopf. Aber dennoch: Wie viel Zeit verging zwischen dem Anruf des Herrn Nercke bei Ihnen und Ihrem Anruf bei mir?«

      »Ach, das waren vielleicht zwei bis drei Minuten. Ich musste mich erst mal fassen. Auch wenn mein Mann nicht einfach war, er war dennoch über ein Jahrzehnt mein Ehemann.«

      »Danke. Das reicht schon, Frau Mörsmann. Quälen Sie sich nicht, okay?«

      Huberbauer hatte sein Handy wieder angeschaltet.

      Es klingelte seitdem unaufhörlich.

      Huberbauer ignorierte die Anrufe.

      Das nervte.

      Er mache sich laufend Notizen, während er uns zuhörte. Wieder klingelte es bei ihm. Endlich. Sepp stand auf und nahm das eingehende Gespräch an. Als er nach weniger als einer Minute zurückkam, war sein Gesichtsausdruck völlig verändert.

      »Chef, wir müssen gehen«, forderte er mich mit einem Augenzwinkern auf und blieb gleich stehen.

      »Sie sehen, Frau Mörsmann, unsere Arbeit ruft. Ich werde mich noch heute bei Ihnen melden. Wir sind uns einig und ich verspreche Ihnen, dass Sie zufrieden sein werden. Leider kann ich Ihnen Ihren Mann nicht zurückbringen.«

      »Na, das fehlte noch! Eigentlich bin ich ja froh, dass ich ihn los bin.«

      Wieder hörten alle Gäste der lautstarken Sirene zu; das Geklapper von Tellern, Besteck, Gläsern und Tassen war für Sekunden verstummt.

      Fanny sprang auch auf und wir ließen, etwas unhöflich, die Witwe, Frau Dampfkessel-Maschinengewehr, zurück. Schätze, sie hat sich über die Rechnung sehr gefreut. Am Blick des Kellners konnte man schon während des Servierens erkennen, dass der Cognac etwas mehr kostet als ein Hamburger … Und sie orderte noch drei weitere … Unser spendiertes Bier hatten wir nicht angerührt, selbst Fanny hatte sein Wasser ignoriert. War sicher zu viel Chlor drin. Er ist eben auch ein Gourmet und weiß Qualität zu schätzen.

      Deshalb ist er an meiner Seite.

      »Doktor, wir haben es mit mehreren Morden zu tun. Ich erhielt eine SMS von meinem Boss: Die Toten sind tatsächlich der Mann von der Mörsmann und ein Teenager von nicht einmal 16 Jahren, eine gewisse Figurella Estavilla. Hier schau dir mal die Fotos an, die er mir mitschickte. Grauenvoll!«

      Sepp schob mir sein Smartphone rüber.

      Die Fotos zeigten eigentlich nur zwei Köpfe in einem luxuriösen Raum. Die Köpfe hatten es in sich. Für mich sah das aus, als ob dort im wahrsten Sinne eine Mini-Atombombe eingeschlagen hatte.

      »Denkst du das gleiche wie ich, Doktor?«

      »Ja. Solche Köpfe kennt man eigentlich nur aus Hiroshima oder Tschernobyl.«

      »Verdammt. Wo sind wir da reingeraten …«

      Nachdenkliches Schweigen.

      »Kaum hatte ich aufgelegt, rief mich Kommissar Obermeier aus meiner Abteilung an. Er meldete mir einen, wenn du mich fragst, weiteren Mord. Und was glaubst du, wie der Tote aussieht?«

      »Sag es mir: wie die Toten auf dem Bild?!«

      »Du hast es erraten. Das gibt es doch gar nicht. Die Duplizität der Ereignisse ist verblüffend. Auch wieder ein reicher Mann, aber ein ganz anderer Ort. Ein gewisser Emanuel Kracht. Unternehmer in Sachen erneuerbarer Energie. Es erwischte ihn in seinem Haus in der Hubertusstraße. Der Gerichtsmediziner konnte noch nichts sagen, aber ein Strahlentod sei nicht auszuschließen, meinte er.«

      »Jetzt sag mir nur noch, dass der Tote auch Mitglied im DEKADENT war …«

      »Das weiß ich noch nicht, Doktor. Lass uns in meine Dienststelle gehen. Es wartet in der Tat viel Arbeit auf mich – dein Fall scheint schon gelöst zu sein. Für das Honorar muss ich ein Jahr malochen. Sonntagsarbeit, Überstunden, nachts rausgeklingelt werden und nie abschalten können.«

      »Dann komm zu mir. In München gibt es immer genug zu tun, wir wären doch kein schlechtes Team, Sepp!«

      »Vergiss es. Ich warte auf meine Beamtenpension. Die gefährde ich nicht, so kurz vor dem Ziel …«

      Während wir durch die Fünf Höfe liefen, Fanny immer vorneweg, als ob er genau wüsste, wo es hingeht, der clevere Mastiff, klingelte Huberbauers Handy schon wieder.

      »Ja.«

      …

      »Was?«

      …

      »O. K., ich bin gleich da. Fünf Minuten.«

      Wir kamen an einem Geschäft für Bettwäsche vorbei. Huberbauer hätte sich reinlegen können, ohne dass man ihn sieht.

      Weißer als weiß.

      Wenn so ein erfahrener Mann dermaßen blass wird, dann muss schon etwas Außergewöhnliches passiert sein.

      »Das war mein Büro. Schon wieder wurde uns ein Toter gemeldet. In Bogenhausen. Dreimal darfst du raten, wie der aussieht …«

      »Wie die anderen drei. Tschernobyl, sag ich nur!«

      Wir schwiegen uns an, Fanny erreichte als Erster die Ettstraße und blieb als wohlerzogener Hund vor dem Eingang stehen, auf uns wartend. Bevor wir durch das eiserne Tor den Vorplatz betraten, klingelte Huberbauers Smartphone schon wieder.

      »Huberbauer!«

      …

      »Nicht möglich. Bin schon da. Sekunde bitte.«