Der Wind blies von Tag zu Tag wärmer von den Berghängen herab, das Gras wucherte zwischen den Bäumen und die Sträucher des Unterholzes schlugen aus.
Kleiner Bär hatte die Ältesten vor seinem Tipi versammelt. Es ging um die Zukunft des Stammes. Kaum einer wollte einen zweiten Winter hier, zwischen den schroffen Berghängen, verbringen.
Cunningham war mächtig stolz, mitten in dieser erlauchten Versammlung zu sitzen. Als geachteter Jäger hatte er sich innerhalb weniger Monate einen Platz unter den Ältesten des Stammes erobert. Sogar der ewig knurrige Schamane respektierte ihn inzwischen.
Der Winter war hart gewesen. Aber später würde Cunningham ihn oft als die glücklichste Zeit seines Lebens bezeichnen. Er und Bluebird schwelgten geradezu im Glück. Bis zu diesem Tag.
Die raue Wirklichkeit brach in Gestalt eines greisen Mountainman in ihren Glücksrausch ein. Bergfuchs, Shakopees Vater. Er ritt ins Lager und verlangte Cunningham zu sprechen.
Man rief Gelbnacken aus der Versammlung. Er fand den Alten neben seinem Pferd im feuchten Gras sitzen. Der Mann wirkte müde. In seinen hellwachen Augen meine Cunningham etwas wie Sorge zu sehen.
"Mein Sohn will dich sehen, Cunningham", sagte er. "Die Bluthunde der Armee haben sich an seine Fährte gehängt. Und auch dein Leben hängt nur noch an einem seidenen Faden."
"Wessen Leben tut das nicht?", sagte Cunningham. "Erzähl mir mehr."
Er erfuhr, dass die Armee ihn wegen Hochverrats suchte. Und dass man ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilt hatte. Vor seinem inneren Auge erschien das hasserfüllte Gesicht Colonel Roosters.
Cunningham bat den Häuptling, mit dem Mountainman reiten zu dürfen. Niemand unter den Ältesten hatte etwas dagegen. Jedem war klar, dass seine Anwesenheit im Lager den ganzen Stamm in Gefahr brachte.
"Warum musst du gehen? Ich verstehe es nicht..." Bluebird weinte, während sie ihm Proviant und Munition auf seinen Wallach packte.
"Ein Mann, der mich hasst, hat mich beschuldigt, ein Verräter zu sein. Ich muss mich verteidigen."
Bluebird erschrak. "Und wenn sie dir nicht glauben?"
"Sie werden mir glauben."
Sie warf sich an seine Brust und klammerte sich an ihm fest. "Wenn du nicht wiederkommst, wird mein Herz brechen."
"Ich werde wiederkommen, ich versprech' es dir." Er küsste sie und bestieg sein Pferd. Hundertmal sah er zurück, während er hinter dem alten Trapper den Berghang hinaufritt. Und hundert Mal sah er sie am Rande des Lagers stehen und winken...
23
Die Postkutsche rollte durch die offenen Tore von Fort Dodge. Vor den Gebäuden, in denen die Kommandantur untergebracht war, hielt der Kutscher das Vierergespann an.
Zwei Soldaten in der blauen Uniform der US-Kavallerie eilten die Vortreppe hinunter und öffneten die Tür der Kutsche. Adjutanten des Befehlshabers des fünften Kavallerie-Regiments.
Der einzige Fahrgast beugte sich aus der Kutsche. Eine blonde Frau. Sie raffte ihr roséfarbenes, hochgeschlossenes Kleid hoch und ließ sich aus der Kutsche helfen.
"Ich habe eine Verabredung mit General Forrest", sagte sie.
"Wir sind informiert, Madame." Die Uniformierten führten sie die Vortreppe hinauf und begleiteten sie bis in das Vorzimmer des Generals. "Der General hat noch eine Besprechung, Madame. Es kann nicht mehr lange dauern. Er wird sie in sein Büro bitten, wenn er soweit ist."
Die Adjutanten verließen das Vorzimmer. Die Frau holte ein Taschentuch aus ihrem seidenen Schnürbeutelchen und wischte sich den Staub von den roten Schnürstiefeln.
Zehn Minuten später öffnete sich die Tür zum Office des Kommandanten. Ein halbes Dutzend Kavalleristen schritten durch das Vorzimmer. An den Schulterstücken erkannte Helena, dass es sich um ranghohe Offiziere handelte. Sie grüßten höflich.
Schließlich erschien der General im Türrahmen seines Büros. Ein weißhaariger Mann mit Tränensäcken unter den traurigen Hundeaugen. Helena versuchte vergeblich, sich seinen unförmigen Körper auf einem Pferd vorzustellen. Ekel würgte sie bei dem Gedanken an ihren Plan.
Mit ausgestreckten Armen kam der greise Reitergeneral auf sie zu. "Ich freue mich, Sie endlich einmal persönlich kennenzulernen, Mrs. Rooster!" Wohlgefällig glitten seine Augen über ihren Körper.
Er tätschelte ihren Rücken, während er sie in sein Büro führte. Dort bot er ihr einen Platz auf dem Ledersofa seiner Konferenzecke an. Er selbst setzte sich ihr gegenüber auf einen Sessel.
"Was kann ich für Sie tun, Mrs. Rooster?"
"Sie kennen die Situation meines Mannes?"
"Jeder Offizier der Kavallerie kennt sie. Und jeder bedauert sie. Wir sind eine große Familie, Madame."
Sie nahm ihren großen roséfarbenen Hut ab. Sorgfältig ordnete sie die blutroten Schleifen, während sie ihn neben sich legte. Ihr Blondhaar fiel jetzt offen über ihre Schultern. "Die Richter des Kriegsgerichts scheinen sich uneinig zu sein."
"Ich weiß, ich weiß - der Ankläger ist ein unerfahrener Infanterie-Offizier. Er hängt an jedem Buchstaben des Gesetzes und hat keine Ahnung, was unsere Männer im weiten Westen für Strapazen auf sich nehmen."
"Die Richter würden die Sache gern auf sich beruhen lassen, hörte ich."
"Das ist so. Bis auf einen würden sie die Akten am liebsten schließen." Der General konnte seine Augen kaum von ihrem schlanken Hals und ihrem blonden Haar lösen. Helena Rooster hatte sich erkundigt. Sie wusste, dass er eine Schwäche für blonde Frauen hatte. Und sie wusste, dass er trotz seiner fünfundsiebzig Jahre noch einen großen Appetit hatte.
"Man sagt, der Ankläger sei Ihr Neffe." Schritt um Schritt wagte sie sich vor.
Aaron Forrest lachte. "Ist er auch, der Bengel. Und wissen Sie was? Den Richter, der die Sache noch weiter verfolgen will, den habe ich persönlich zum Major gemacht!" Er strich sich genüsslich über seinen dichten Schnauzer. "Kommen Sie, lassen Sie uns einen Drink nehmen." Er stand auf und ging zu der Eichenvitrine hinter seinem schweren Schreibtisch. Mit zwei bauchigen Gläsern und einer Flasche französischen Cognacs kam er zurück.
"Ich weiß, wie Ihnen zumute ist", sagte er, während er einschenkte. "Ihnen und Ihrem Mann. Ohne Sold, ohne Zukunftsperspektive..." Er reichte ihr das Glas. "Aber so ist das Soldatenleben - manchmal muss man gefährliche Situationen durchstehen."
Sie rutschte auf die Couchkante, um das Glas entgegenzunehmen. Wie zufällig berührte ihr Knie seinen Oberschenkel.
"Und Ihr Mann hat nicht umsonst das Kommando über drei Schwadronen gehabt. Er ist einer der besten Offiziere, den wir haben. Er wird das durchstehen, glauben Sie mir, Mrs. Rooster." Er schnupperte das Aroma des Cognacs und trank.
"Aber ich nicht, General Forrest." Ihre Stimme klang weich und hilfsbedürftig. Scheinbar unbeabsichtigt rückte sie noch näher an ihn heran. "Ich brauche Ihre Hilfe."
Er lächelte väterlich und legte seine Hand auf ihren Schenkel. "Wie könnte die denn aussehen?"
"Nun, Sie könnten ein ernstes Wort mit Ihrem Neffen reden..." Sie presste ihren Schenkel an seinen. "Und Sie könnten dem widerspenstigen Richter eine weitere Beförderung in Aussicht stellen."
Er lachte. "Sie sind mir doch eine! Wollen einen alten Haudegen wie mich glatt zur Bestechung verführen!" Die Trauer war jetzt gänzlich aus seinen Augen gewichen. Die blanke Geilheit weitete seine Pupillen. Er fuhr mit der Hand zwischen ihre Schenkel. "Oder nennen wir es anders." Seine Stimme klang brüchig. "Nennen wir das, um das Sie mich bitten, einen Gefallen unter Freunden, einverstanden?"
"Ja", flüsterte sie. Sie half ihm, ihr Kleid hochzuziehen. Sie sah ihn zusammenzucken, als seine Hand unter ihr Kleid fuhr und statt den Stoff der Unterwäsche