Er lachte. Leise, jedoch unüberhörbar spöttisch. Ihr Ba? Wovon redete der Kerl? Sie schrie entsetzt auf, als er sich zu ihr herunterbeugte. Sein Kopf war der eines Schakals, schwarz und golden.
»Ich weiß, das Antlitz des Herrn der Toten ist erschreckend. Aber du musst keine Angst haben. Nicht vor mir, nicht vor dem, was kommt. Wie die anderen werde ich dich öffnen und was dein ist, wird mein sein.«
Öffnen? Langsam sickerte die Erkenntnis, was er damit meinte, in ihren Verstand.
Sie begann zu schreien.
Sie schrie vor Entsetzen, vor Angst.
Und als er das Messer ansetzte, schrie sie vor Schmerz.
Kapitel 1
Detective Taylor Scott ärgerte sich schwarz. Nicht nur, dass man ihn strafversetzt hatte, man hatte ihn auch noch degradiert! In New York hatte er die schwierigsten Fälle bearbeitet, war immer mitten im Geschehen gewesen. Er gehörte zu einer Task Force, die stets im Verborgenen agierte und die eine Quote von über 90 % hatte, was die Festnahme der Verdächtigen anging.
Hier in Londonderry, New Hampshire, betrug die Einwohnerzahl gerade mal einen Bruchteil von New York. Dementsprechend gering war natürlich auch die Verbrechensrate. Vermutlich war eine Katze auf dem Baum so ziemlich das Aufregendste, was die Menschen hier in den letzten Jahren erlebt hatten.
Seit einigen Wochen allerdings hatte sich etwas geändert. Es lag ein Nebelschleier über dieser kleinen Stadt, unsicher, ob er sie verschlingen oder der Sonne wieder weichen sollte. Ein paar der Bürger hier, wirklich nette Leute, waren verschwunden. Einfach so, von heute auf morgen. Ihre Familien und Freunde rannten das Revier ein und machten eine Vermisstenmeldung nach der anderen. Viele von ihnen glaubten nicht, dass sie freiwillig gegangen waren. Genauso wenig, wie er es tat.
»Weiß hier irgendjemand bereits mehr über die Vermisste?«, brüllte er quer durchs Büro. Dass erneut jemand verschwunden war, hielt er nicht für einen Zufall. Und da er schon mal hier war, würde er sich der Sache auch annehmen. Er hatte ohnehin nichts Besseres zu tun.
»Nein, Sir. Wir gehen davon aus, dass die Frau Londonderry freiwillig verlassen hat«, erwiderte eine junge Polizistin, gerade neu auf dem Revier.
»Das sehe ich anders«, warf er ein, kaum, dass sie zu Ende gesprochen hatte. Allerdings fühlte er sich damit ziemlich allein auf weiter Flur. Seine neuen Kollegen und Kolleginnen schauten ihn völlig desinteressiert an.
»Gibt es überhaupt irgendjemanden hier, der an ein Verbrechen glaubt?«, rief er ein wenig lauter, sodass selbst die Letzten unter ihnen endlich aus ihrem Winterschlaf erwachten.
»Detective Scott, gibt es hier ein Problem?«, fragte der Chief streng und blickte sich um. »Oder schreien Sie nur aus Vergnügen hier herum?«
Clifford Butcher war ein zäher Hund, doch das interessierte Taylor nicht. Nicht im Geringsten. »Vergnügen nenne ich das nicht, wenn beinahe wöchentlich eine neue Person spurlos verschwindet!«
»Wir wissen davon«, knurrte Butcher. »Doch bisher gelten alle Personen nur als vermisst.«
Taylor musste sich sehr zusammenreißen, um seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Es fiel ihm schwer, einfach nur tatenlos zuzusehen, während jede Faser seines Körpers ihm klar und unmissverständlich zu verstehen gab, dass hier etwas nicht stimmte.
»Lassen Sie mich in dem Fall ermitteln«, bat er seinen Vorgesetzten, »und wenn meine Suche ins Leere verläuft, werde ich nie wieder ein Wort über diese Sache verlieren.«
»Es gibt keinen Fall«, murrte dieser. »Niemand außer Ihnen glaubt hier an ein Verbrechen!«
»Das ist so nicht ganz richtig!«
Er blickte sich erschrocken um. Alle Augen im Revier waren auf die junge, hübsche Frau gerichtet, die plötzlich hinter ihm stand. Völlig lautlos hatte sie sich an ihn herangeschlichen, was gerade in seinem Beruf wahnsinnig beunruhigend war.
»Nicht schon wieder …«, murmelte der Chief leise vor sich hin und trat verlegen von einem Bein aufs andere.
Taylor hatte seine Lippen bereits geöffnet, um zu fragen, was Butcher damit gemeint hatte, doch die Besucherin funkte ihm dazwischen.
»Mein Name ist Vidya McMurran«, stellte sie sich vor und ließ ihren Blick dabei durch den Raum schweifen. Wobei Blick vermutlich das falsche Wort war.
Irgendetwas sagte ihm, dass diese Frau mit den schwarzen Haaren und den blau-grauen Augen nicht sehen konnte. Nur warum fühlte er sich dann dermaßen von ihr beobachtet, dass ihm ganz warm ums Herz wurde?
»Was können wir für Sie tun, Miss McMurran?«, ergriff er das Wort. Außer ihm machte niemand Anstalten, ihr Gehör zu schenken. Es war beinahe so, als wollten sie nichts mit ihr zu tun haben.
»Ich habe von den verschwundenen Personen gehört und bin auf der Suche nach dem zuständigen Detective.«
»Das bin ich!«, preschte Taylor vor und machte einen Schritt auf die Unbekannte zu. Er wusste nicht, ob er ihr die Hand geben sollte oder nicht, aber als sie ihm ihre entgegenstreckte, fackelte er nicht lange. »Detective Taylor Scott.«
In dem Moment, in dem er ihre zarte Haut berührte, zuckte er zusammen. Verdammt! Was war das? Wer war diese Frau?
Nach der Berührung lächelte sie leicht. Es war nur minimal, doch es war ihm aufgefallen.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Detective. Sie liegen richtig mit Ihrer Vermutung«, sprach sie leise, aber deutlich. »Die Menschen sind nicht einfach so verschwunden. Sie wurden entführt und umgebracht.«
»Wie kommen Sie darauf?«, ergriff Butcher verärgert das Wort und machte einen Schritt auf die junge Frau zu. Direkt vor ihr blieb er stehen und musterte sie kritisch. Er wusste längst, dass sie ihn nicht sehen konnte. Dennoch blickte sie ihm völlig unverfroren in die Augen, so als ob sie genau wüsste, wann und wie er sie gerade ansah.
»Das würde ich gern mit Detective Scott besprechen.« Sie lächelte freundlich, wissend, dass der Chief kurz davor war, vor Wut zu platzen. »Unter vier Augen«, fügte sie noch hinzu, bevor sie sich umdrehte und geradewegs auf den Detective zuging.
Taylor war überrascht und gleichzeitig fasziniert. Vor wenigen Sekunden hatte er seine Position gewechselt und dennoch wusste sie ganz genau, wo er sich befand. Als sie ihm nun ihren Arm entgegenstreckte, zögerte er nicht. Wie ein Gentleman, der er definitiv nicht war, führte er sie in sein Büro und schloss die Tür.
Sie setzte sich direkt ihm gegenüber an seinem Schreibtisch hin und schlug die Beine übereinander. Er nahm sich einen Moment Zeit, um die Unbekannte ausgiebig zu mustern. Ihre langen Beine waren ihm als erstes aufgefallen, doch auch der Rest an ihr war überaus ansehnlich. Sie wirkte grazil und anmutig, ein wunderhübsches, beinahe exotisches Gesicht und ein wohlgeformter Körper. Die schwarzen Haare und der Teint ihrer Haut ließen nur unschwer ihre indischen Wurzeln erkennen.
»Sie sind also der Meinung, dass den Menschen etwas zugestoßen ist?«, räusperte er sich, als er bemerkte, dass er sie viel zu lange angestarrt hatte.
»Natürlich, genau wie Sie!«
Unwillkürlich musste er lächeln. Ihre Überzeugung gefiel ihm. »Nun ja, ich habe Erfahrung in solchen Dingen. Jahrelange Erfahrung. Und ich glaube nicht an Zufälle.«
»Glauben Sie denn an Schicksal, Detective Scott?«
»Nicht wirklich.« Andernfalls wäre er wohl kaum hier, in Londonderry, gelandet.
»Verstehe« flüsterte sie, lächelte aber sogleich verschmitzt. »Äußerst schade, denn genau das hat mich hierhergeführt. Zu Ihnen.«
»Wie meinen Sie das? Wissen Sie etwas über die vermissten Personen? Haben Sie etwas gesehen oder gehört?« Noch bevor er seine Worte ausgesprochen hatte, bereute er sie bereits. »Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht …«
»Schon