für meine Kinder und deren Kinder
„Energie sparen, enthaltsam sein, die Produktionsprozesse effizienter und weniger schädlich machen, diese Prinzipien von Nachhaltigkeit, wie wir sie heute verstehen, klingen nicht besonders attraktiv. Denn nur, wenn die Produkte und Produktionsprozesse so entwickelt und gestaltet werden, dass Verschwendung kein Problem mehr ist, und sie nicht nur weniger schädlich, sondern nützlich für Mensch und Natur sind, sind sie wirklich sinnvoll. Durch die Digitalisierung ergeben sich völlig neue Herausforderungen für Unternehmen – beispielsweise in der Herstellung und im Vertrieb von technischen Gütern und Dienstleistungen. Daher sind neue Geschäftsmodelle notwendig.“
Prof. Michael Braungart
Cradle to Cradle-Pionier
(Leuphana Universität Lüneburg;
EPEA – Internationale Umweltforschung, Hamburg)
1. VORWORT von Prof. DR. rer. nat. PETER SCHMUCK
Wenn heute Menschen im Alter um 60 ihre Lebenszeit im Zeitraffer Revue passieren lassen – und daraufhin liebevoll ihre Bücherregale oder Bücherschränke inspizieren – machen viele eine interessante und aufregende Erfahrung. Da gibt es den Strom der Zeit, der Jahrzehnte seit den 1960er-Jahren, in den das eigene Leben eingebettet war, mit Höhepunkten und dunklen Abschnitten: Unsere Eltern und Großeltern erzählten von Weltkriegen. Wir kamen im Frieden, in einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwunges zur Welt, bekamen die 1968er Flower-Power Zeit mit und danach die Ängste des Kalten Krieges in den 1980ern. Dann dessen Ende mit dem Übergang in die 1990er, die neue Aufbruchstimmung zwischen dem Brundtland-Bericht und dem Weltkongress von Rio de Janeiro 1992. Es folgten nach der Jahrtausendwende die mutmachende Erdcharta-Bewegung und die Nachhaltigkeitswissenschaft, die positive Psychologie – aber auch 9/11, viele Kriege um die Welt, zwei Finanzkrisen und immer wieder Grippewellen. In diesem Auf und Ab, vor diesen wechselnden historischen Kulissen, spielt sich unser Leben mit den endlos vielen Detailerlebnissen ab, wie sie sich in unseren Fotoalben widerspiegeln.
Schaue ich in meine Bücherregale, finde ich auch hier das Rauschen der Wälder der Geschichte – in den vielen Erzählungen, Romanen, Bildbänden und wissenschaftlichen Büchern und Beiträgen. Ich mag alle diese Bücher, die mich über Jahre und Jahrzehnte begleitet und bereichert haben. Doch auch hier gibt es Höhepunkte, ganz besondere Exemplare, welche wie Spitzen von Bergen aus dem Strom der Zeit und der Bücher weit herausragen: Rachel Carsons „Stummer Frühling“ von 1962, die „Grenzen des Wachstums“ von den Meadows, 1972, das Buch „Cradle to Cradle“ von William McDonough und Michael Braungart, die Bücher von Albert Schweitzer, Hermann Scheer, Victor Frankl, Hans-Peter Dürr, Udo Simonis oder von Mihaly Csikszentmihaly, dem Gründer der positiven Psychologie, und Gunter Pauli, dem Gründer der Blue Economy. Deren Bücher haben in meinem Schrank einen Ehrenplatz.
Und damit komme ich zu dem vorliegenden Buch von Rainer Monnet. Was Bücher aus dem Bücherstrom heraushebt, sind ein frischer Blick auf die aktuellen Ereignisse, der Mut, unabhängig vom Mainstream-Getöse mit klarem Blick zu diagnostizieren, was auf dieser Welt gerade passiert. Hinzu kommen Kreativität und Scharfsinn, welche mit bekannten Puzzleteilen aus der Rückschau und mit bekannten oder neuen Visionen Entwürfe schaffen, welche der Welt Inspirationen für die Zeit nach schlimmen Krisen bereitstellen. Dazu scheint mir das vorliegende Buch das Zeug zu haben: Rainer Monnet geht zunächst, wie viele andere kritische Autorinnen und Autoren auch, davon aus, dass eine Ökonomie-Konzeption, welche die gegenwärtigen Verwerfungen in der Weltwirtschaft hervorgerufen hat, die Probleme der Zukunft nicht lösen kann, sondern dringlichst reformbedürftig ist. Doch was seine Arbeit von der vieler Zeitgenossen abhebt: Rainer Monnet geht das Wagnis ein, bislang kaum einander berührende Teilwissenschaften und Denkströmungen zusammenzuführen: Das sind so unterschiedliche Gebiete wie die Ethik als Teil der Philosophie, die neue Strömung der positiven Psychologie, die Nachhaltigkeitswissenschaft und aktuelle Ansätze innerhalb der Ökonomie. Wesentliche Elemente daraus nimmt er zusammen und schöpft daraus eine Basis für den innovativen Entwurf eines Bilanzierungssystems einer Ökonomie der Zukunft.
Einer Ökonomie, welche die ökologischen und sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit nicht länger als kaschierendes Feigenblatt der klassischen Ökonomik behandelt, sondern sie zur Basis der Bewertung und Bilanzierung in Firmen und Organisationen macht. Dabei greift er Impulse der vergangenen Jahre auf, welche bereits in diese Richtung weisen: Etwa die Gemeinwohlökonomie und die bereits gängigen Nachhaltigkeitsstandards, - normen-, -siegel und -ratings. Auf dieser Grundlage stellt Rainer Monnet sein neues System der Wertebilanz vor.
Ich wünsche dem Buch aufgeschlossene Leser – und dass es viel Licht der Inspiration für den Aufbau einer Ökonomie der Zukunft bringen möge.
2. Einleitung
Die Welt hat sich seit Februar 2020 grundlegend verändert. Die Krise hat uns wachgerüttelt. Der Virus SARS-CoV-2 löste eine weltweite Pandemiewarnung aus. Die Fragilität unserer Zivilisation und Weltwirtschaft, der Staaten und des Lebens traten schonungslos zu Tage. Zunehmende Panik, Ohnmachtsgefühle und Existenzängste wurden zu Beginn der Pandemie präsenter mit jedem Tag der Einschränkung unserer alltäglichen Gewohnheiten. Die Regierungen haben weltweit mehr oder weniger drastisch Maßnahmen zur Eindämmung des Virus erlassen. Diese schränken unsere Grundrechte und Werte ein. Verfassungsrechtlich gesicherte Werte wie Freiheit, Würde und Autonomie, Versammlungsfreiheit, Religions- und Berufsausübung wurden zugunsten des Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit und der Sicherheit der Bevölkerung durch die eingeleiteten staatlichen Maßnahmen eingeschränkt. Auch in unserem sozialen und kulturellen Leben wurden massive Einschnitte deutlich spürbar. Der ehemalige Bundesverfassungsgerichtspräsident Prof. Hans-Jürgen Papier sagte: „Ich warne vor Tendenzen hin zu einem totalen Überwachungsstaat.“ 1 Vielen Menschen wurde der Zugang zur Arbeit verwehrt und ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt – eine soziale wie räumliche „Cocoonisierung“. Welche Auswirkung wird es langfristig auf die Humanität haben?
Was geschieht weiterhin in Pflegeheimen? Aufgrund von Überbelegungen und Versorgungsengpässen in Krankenhäusern hatten in einigen Ländern ältere Menschen bereits das Nachsehen. Die Mäßigung wurde zeitweise außer Kraft gesetzt. Durch Hamsterkäufe waren vielerorts die Regale wie leergefegt. Medizinische Artikel für Pflege, Patienten, Ärzte und Krankenhäuser waren in notwendigem Umfang mitunter nicht verfügbar.
Massive Kursschwankungen bis hin zu dramatischen Abstürzen zu Beginn der Krise waren an den Börsen die Folge einer globalen Verunsicherung. Rezession, drohende Insolvenzen eines Teils der weltweit agierenden Unternehmen sind zu befürchten. Viele mittelständische und vor allem kleine Unternehmen sind an den Rand des finanziellen Abgrundes geraten, oft auch trotz staatlicher Hilfen. Durch die Pandemie kommen wiederholte Unterlassungen von notwendigen Kurskorrekturen unseres Finanz- und Wirtschaftssystems und verdeckte Fehler mit Wucht an die Oberfläche. Die Nachwehen ziehen, trotz staatlicher Schuldenbremse, eine neue Verschuldungswelle nach sich. Hilfsprogramme spülen Geld aus ungedeckter Wert- und Geldschöpfung in die Unternehmen und über Steuererleichterungen in die Bevölkerung. Wird es eine Rückkehr zur Normalität geben oder geraten wir in einen dauerhaften Krisenmodus? Wir geben Hunderte von Milliarden, ja ein Vermögen aus, um wieder das Alte zurückzuholen, das zu großen Teilen schon lange keine Zukunft mehr hatte. Neben einem Wandel im Bewusstsein und Verhalten jedes Einzelnen brauchen wir vor allem ein neues System für die Dokumentation und Buchhaltung unserer Veränderungsfähigkeit. Zukunftsfähigkeit „meets“ Nachhaltigkeit. Mehr-Werte erhalten Eingang und Anklang in Bilanzen.
Mit dem vorliegenden Buch möge eine Erweiterung der Perspektiven zum besseren Verständnis unserer komplexen Weltlage und der drängenden Gegenwartsfragen beitragen. Es geht darum, die Welt zu wandeln und zukunftsfähiger zu machen.
ZUR GENDER-FRAGE
In diesem Buch werden eine geschlechtsspezifische Form bevorzugt beziehungsweise