»Ach der.« Cobbs Haltung entspannte sich.
Der krummrückige Reiter, dem das lange Silberhaar unter dem speckigen Zylinder hervorhing, zügelte seine Mähre und stützte die Hände auf das Sattelhom. »Hallo! Was ist denn hier los? Wollt ihr die alte Farm wieder flott machen? Der Boden taugt doch nichts, Leute. Boris und ich reden manchmal auch schon davon, dass es klüger wäre, hier gar nicht erst Wurzeln zu schlagen.«
Cobb verließ die anderen und ließ die Gewehrmündung nach unten sinken. »McClure wurde ermordet.«
»Der fliegende Händler?«, staunte der Farmer.
»Ja, der.«
»Hier?« Zattig blickte sich um. »Wo ist er denn? Was ist mit seinem Wagen?«
»Nicht hier, sondern auf der Overlandstraße. Ein paar Meilen nördlich von hier.«
»Ach so. Von denen? Ich sage ja immer, einem Fremden darf man nicht über den Weg trauen. «
»Was machst du denn hier, Zattig?«, wollte der Marshal wissen.
»Wollte eben mal nachsehen, wie es dem Jungen geht, dem der Bär eins versetzte.«
»Er lebt noch«, sagte der Barbier. »Jedenfalls noch ein wenig. Der war aber auch nicht beteiligt.«
»Hatte McClure denn viel Geld?« Zattig legte den Kopf schief.
»Mindestens fünftausend Dollar«, wandte der Händler aus der Stadt ein. »Das weiß ich mit Sicherheit. Es können aber auch siebentausend, achttausend Dollar oder noch mehr gewesen sein.«
»McClure?« Zattig grinste und schüttelte den Kopf.«
»Ausgeschlossen. Der erinnerte mich noch immer an einen, der vom Betteln sein Dasein fristet. Mit soviel Geld hätte er ja wie der Herrgott in Frankreich leben können. Alt genug, um aufzugeben, war er auch längst. Nein, nein, das müsst ihr schon einem erzählen, der die Hosen mit der Zange anzieht!« Zattig kicherte, als habe er einen Witz gehört und könnte sich darüber prächtig amüsieren.
»Er besaß auf jeden Fall mehr als fünftausend Bucks allein an barem Geld« erklärte Savage mit Nachdruck.
»Und was anderes interessierte die Lumpenhunde nicht!«, setzte der Barbier wissend nickend hinzu.
»Hätte ich nie für möglich gehalten«, murmelte der Farmer erschüttert. »Damit wäre er ja praktisch ein reicher Mann gewesen. Wieso setzte er sich noch dem Risiko aus, auf der Straße überfallen, meuchlings ermordet und gefleddert zu werden?«
»Warum rackern die meisten Leute, bis sie ins Gras beißen?«, fragte der Marshal brummig zurück.
»Jaja, das sage ich zu Boris auch immer wieder.« Zattig seufzte. »Wir sollten aufgeben. Einfach alles hinwerfen, das sowieso nichts einbringt. Aber jedes Jahr versucht man es noch einmal von vorn. Dabei taugt der Boden noch nie für was anderes, als zur Rinderzucht, falls er überhaupt zu etwas nutze ist.«
»Sie wollen ernsthaft aufgeben?«, fragte der Marshal gespannt.
Zattig zuckte mit den Schultern. »Richtig entschlossen dazu bin ich natürlich nicht, Marshal. Aber halb entschlossen dazu bin ich wiederum schon seit Jahren.« Ein unglückliches Grinsen entstellte das Gesicht des Farmers. Er schaute sich um. »Können die Dollars denn hier irgendwo sein?«
»Ausgeschlossen. Wir haben alles abgesucht.«
»Dann haben die Kerle es vielleicht östlich der Straße vergraben!«, vermutete der Farmer.
»Gut möglich. Aber auf Verdacht können wir nicht alles absuchen. Die lachen sich ja krank über uns.«
»Wir holen es schon aus ihnen heraus!«, versicherte der schrankbreite Händler. »Nur abwarten.«
»Und der Verletzte?«, fragte Zattig. »Sollen Boris und ich uns um ihn kümmern?«
»Den nehmen wir mit«, entschied der Marshal. »Geht nicht anders zu machen. Los, Leute, setzt die Schleppbahre zusammen.«
Mehrere Männer betraten die Hütte.
Jay war heilfroh, dass das Auftauchen des Farmers die Aufmerksamkeit von ihm ablenkte. Sicher hatten sie hier schon anfangen wollen, auf ihre Art etwas aus ihm herauszuholen, wovon er nichts wusste.
»Also wenn ich gar nicht helfen kann ...?« Zattig brach ab und schaute mit gefurchter Stirn auf den Marshal.
»Haltet die Augen offen, Zattig.«
»Warum?«
»Könnte ja sein, die haben noch ein paar Kumpane.«
»Vielleicht Indianer?« Zattig beugte sich über den Pferdehals.
Die Männer starrten sich an.
»Daran dachten wir noch gar nicht«, gestand der Händler.
»Nein, Unsinn, die sind allein«, wandte der Barbier ein. »Sonst hätten sie doch den Verletzten nicht hierher geschleppt. Sie waren einfach abgebrannt. Und da kam ihnen dieser Halsabschneider in die Quere und wurde frech, weil sie keinen Zaster hatten und nicht kaufen konnten, was er los sein wollte. Wir kannten ihn doch alle!«
»Aber das ist noch lange kein Grund, ihn umzubringen und auszuplündern!«, schimpfte der Marshal.
»Sage ich ja auch gar nicht. Aber so kam das alles. McClure. wird ganz schön auf den Putz gehauen haben. Na ja, dann sagten sich die Jungens, hinterher und nichts als drauf. Vielleicht meinten sie sogar, McClures Schicksal würde keinen Menschen interessieren!«
Der Barbier wandte sich um und schaute Jay mit funkelnden Augen an. »Falsch geraten, mein Junge! Wir kümmern uns um jeden feigen Mord. Grundsätzlich.«
»Werft ihn wieder aufs Pferd!«, befahl der Stadtmarshal.
Jay wurde auf die Beine gezogen und quer über sein Pferd geworfen.
Jeff Logan wurde aus dem Haus getragen. Im Hof stellten sie die Schleppbahre ab.
»Der ist fertig«, verkündete der Farmer. »Fragt ihn doch mal aus.«
»Blödsinn, der nimmt doch nichts mehr auf«, sagte der Barbier. »Hängt die Bahre an. Und vergesst die Sättel der Halunken nicht, die verrotten hier nur!«
»Dann will ich nicht länger stören.« Zattig tippte an den alten Zylinder, wendete seine Mähre und ritt nach Westen zurück. Rasch tauchte er in den aufziehenden Dunstschleiern unter.
*
Jay Durango wurde es immer elender. Die Sonne brannte ihm in den Nacken. Blut stieg in seinen Kopf. Zudem wirbelten die Pferdehufe immer neuen Staub auf, der ihm das Atmen erschwerte. Manchmal begann sich in seinem Kopf bereits alles in wilden Kreisen zu drehen. Er meinte Feuerschweife und Funkenflug sehen zu können.
»Halt!«, rief der Barbier irgendwo in dem Zug des Aufgebots.
Jays Pferd wurde angehalten.
»Was ist los, Keach?«
»Der Junge ist tot, Marshal.«
Jay war es, als würde eine Nebelwand vor ihm zerissen. Überdeutlich hörte er von einer Sekunde zur anderen jedes Geräusch.
»Der hat den Transport nicht vertragen«, meldete sich der Barbier abermals. »Hätte ich euch vorher sagen können.«
»Sollten wir ihn da draußen liegenlassen?«, schimpfte der Stadtmarshal aufgebracht. »Ist es vielleicht unsere Schuld, dass wir die Lumpenkerle verhaften mussten?«
»Wahrscheinlich wäre er da draußen auch gestorben«, sagte der Barbier. »Aber genau wissen kann man es natürlich nicht.«
»Und nun?«, fragte der Händler.
»Am besten, wir beerdigen ihn gleich«, schlug der Schmied vor. »In der Stadt kostet es Geld.«
»Kein