Siana. Jasmin Windfeder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jasmin Windfeder
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная драматургия
Год издания: 0
isbn: 9783967130171
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kenne sie seit dem Fohlenalter, sie war noch nie die Einfachste«, meint er und lächelt dabei sanft, ehe er auflacht und meint: »Typisch Frau halt.«

      Ohne etwas zu erwidern, hebe ich die Peitsche vom Boden auf und marschiere los, um sie mit dem Kappzaum und der Longe in der Sattelkammer zu verstauen. Danach kehre ich mit Halfter und Strick bewaffnet in die Halle zurück, in der River am Boden liegt und sich ausgiebig paniert. Kay beobachtet sie etwas abseits.

      »Warum will Phelan sie kurzfristig trainieren lassen?«, frage ich, nachdem ich ihn erreicht habe. »Ihm sollte bewusst sein, dass sie nicht in zwei Wochen fit für das Turnier sein wird.«

      Ohne den Blick von der Stute abzuwenden zuckt er mit den Schultern. Ich sehe ihn von der Seite her an. Aus einem unbekannten Grund berührt es mich, wie er die Stute betrachtet. Als wäre es sein und nicht Phelans Pferd. Aber er hat ja erwähnt, dass er sie seit dem Fohlenalter kennt. Womöglich hat er eine Freundschaft zu ihr aufgebaut. Er fährt mit der einen Hand durch das schwarze kurze Haar, bevor er mich ansieht. Seine Lippen umspielt ein Lächeln, das in mir erneut die fremdartige Wärme auslöst.

      »Ihm liegt die Stute sehr am Herzen. Er würde alles tun, dass es ihr gut geht«, meint er und blickt mir direkt in die Augen.

      Das warme Gefühl verstärkt sich und ich könnte mich glatt in seinen braunen Augen verlieren, hätte nicht in diesem Moment River geschnaubt. Sofort richte ich erschrocken meinen Blick auf die Stute, die wieder steht und sich soeben kräftig den Sand aus dem Fell schüttelt.

      Kay räuspert sich.

      »Ich muss dann mal weiter. Richard wollte mir noch ein paar Arbeiten erklären, die ich in den nächsten Tagen erledigen soll.« Er schenkt mir noch ein schiefes Grinsen, bevor er zum Tor joggt.

      Ich sehe ihm verwirrt nach. Warum haben mich seine Augen so aus der Bahn geworfen? Es ist zugleich ein Schönes wie auch komisches Gefühl, das sich in meiner Bauchgegend ausgebreitet hat.

      Als das Tor zufällt, realisiere ich, dass ich noch immer an die Stelle starre, von der Kay soeben verschwunden ist. Kopfschüttelnd schlurfe ich zu River, lege ihr das Halfter an und führe sie aus der Halle. Ich bürste sie vor der Box über das nasse Fell, ziehe ihr danach eine Abschwitzdecke über und stelle sie zurück in ihre Box. Sobald sie trocken ist, darf sie zu den anderen auf die Weide, denn für heute hatte sie genug Aufregung. Unterdessen hole ich hinter der Halle unseren kleinen Traktor mit dem großen Rechen und begradige den Hallenboden, den River ganz schön aufgewirbelt hat.

      ***

      »Die Stute bereitet dir Probleme?« Richard fängt mich ab, als ich soeben von der Weide zurückkomme, zu der ich River gebracht habe.

      ›Na danke, Kay!‹

      »Sie lässt sich nicht longieren«, antworte ich nur knapp.

      Er zieht die Brauen hoch.

      »Wo ist das Problem?«

      »Das Problem ist, dass wir sie niemals in zwei Wochen fit bekommen.«

      »Das war nicht meine Frage.« Er sieht mich eindringlich an.

      Innerlich verdrehe ich die Augen.

      »Sie tickt ständig aus und lässt sich nur schwer beruhigen.«

      »Hm«, meint er nachdenklich.

      »Ich werde es morgen nochmals versuchen«, sage ich, ohne seinen Kommentar abzuwarten. »Spätestens übermorgen müssen wir mit dem Springen beginnen, sonst wird es zeitlich eng.«

      »Dann streng dich an. Phelan ist ein Kunde, wie jeder andere, auch wenn er der beste Freund meines Sohnes ist.«

      Ist das echt sein Ernst? Als würde ich sonst nie mein Bestes geben.

      »Mache ich immer«, erwidere ich.

      Seine Worte lasse ich mir dieses Mal nicht gefallen. Er sieht mich mit einem fragenden Blick an.

      »Nennst du das in den letzten Tagen dein Bestes geben

      »Ich schlafe zurzeit -«

      »Das ist mir egal! Wenn du arbeitest, brauche ich dich zu hundert Prozent und nicht nur zu neunzig. Kapiert?«

      Ich nicke.

      Ohne ein weiteres Wort lässt er mich stehen und läuft in den Stall. Geknickt schaue ich ihm nach. Als könnte ich etwas dafür, dass die Stute ihren eigenen Kopf hat. Zugleich grummelt eine kleine Wut in meinem Bauch. Warum musste Kay petzen? Schon die zweite Ansage, die ich mir wegen ihm einkassieren musste.

      Genervt stapfe ich auch in den Stall, striegle Bajan, ziehe ihm seinen Zaum über und führe ihn raus zu der Aufstiegshilfe. Ich muss jetzt einfach raus und den Kopf frei kriegen.

      Sonst gehen mir Richards Worte an meinem Allerwertesten vorbei, die Laune schiebe ich einfach auf den Schlafmangel. Aber dadurch, dass ich zurzeit selbst kaum Schlaf bekomme, liegen meine Nerven blank. Ich sitze auf Bajans blanken Rücken, der warm und bequem ist. Er ist das beste Pferd, das ich für solche Aktionen kenne. Schnalzend gebe ich ihm das Zeichen loszulaufen, was er sogleich macht. Automatisch steuere ich ihn wieder in Richtung Wald.

      ***

      »Warst du Ausreiten?«, fragt Kay, nachdem ich die Reiterstube betrete. Der Ausritt hat mir gutgetan, doch jetzt brauche ich etwas zu trinken.

      »Ja!«

      »Wie war es?« Er beäugt mich aufmerksam.

      »Warum hast du das getan?«, will ich stattdessen wissen und lasse seine Frage unbeantwortet.

      Er blickt mich ratlos an.

      »Warum hast du Richard gesagt, dass ich mit River Probleme habe?«, hake ich energischer nach und fülle ein Glas mit Wasser.

      »Habe ich nicht. Wie kommst du darauf?« Er wirkt irritiert.

      Ich trinke das Glas aus und fülle es gleich nochmals auf.

      »Richard hat mir eine Ansage gemacht.« Wieder leere ich das Glas in einem Zug, danach stelle ich es in die Spüle.

      »Oh, das tut mir leid, aber von mir weiß er es nicht. Ehrenwort!«

      Ich beobachte ihn, wie er an seiner Tasse, die bis eben vor ihm stand, nippt. Vielleicht hat mich Richard ja beobachtet, ohne dass ich es bemerkt habe. Das hat er früher ab und an getan.

      Eine kleine Entschuldigung brummelnd setze ich mich ebenfalls an den Tisch. Wir schweigen uns an und ich lasse den Blick durch die Reiterstube schweifen. Sie ist klein und es können sich höchstens vier Leute darin aufhalten. Neben den wichtigsten Möbeln nehmen noch ein Abwaschbecken und ein Minikühlschrank den meisten Platz ein. Die Kaffeemaschine steht auf der Theke und an den Wänden hängen einige alte Pferdefotos. Eine Sammlung an Erinnerungen.

      »Seit wann arbeitest du hier?«, erkundigt sich Kay und durchbricht damit die angenehme Ruhe.

      »Seit sieben Jahren.« Als ich seinen überraschten Blick sehe, fahre ich fort. »Ich habe hier die Ausbildung als Bereiterin absolviert, danach wollte mich Richard unbedingt behalten, obwohl meine Mutter andere Pläne mit mir gehabt hätte.«

      »Und die wären gewesen?«, fragt er, trinkt dabei noch einen Schluck Kaffee, der unterdessen sicherlich kalt ist, zumindest Kays Gesichtsausdruck nach zu urteilen.

      Ein komisches Gefühl steigt in mir auf, wenn ich an die Zeit zurückdenke. Tagelang diskutierte ich mit meiner Mutter, die dagegen war, dass ich bei Richard arbeiten wollte. Sie hätte mich gerne als Anwältin oder gar Ärztin gesehen. Die Noten hätte ich locker gehabt, aber ich wollte mit Pferden arbeiten. Als sie einsah, dass sie nicht an mich rankam, versuchte sie, mir andere Stallungen schmackhaft zu machen. Warum sie so gegen Richard war, bleibt mir bis heute ein Rätsel.

      »Sie wollte, dass ich studiere«, antworte ich leise.

      »Und dein Vater?«, fragt er vorsichtig.

      »Er war auch nicht gerade begeistert, aber im Gegensatz zu meiner Mutter hat er es mir weder ausgeredet noch den Beruf