An Transformstörungen kommt es im Regelfall nicht zu nennenswerten Aufschmelzungen von Gestein. Hingegen sind die Mittelozeanischen Rücken die Hauptproduzenten von basischen Magmatiten, nämlich von Basalten und Gabbros. Durch die hohe Temperatur der aufsteigenden Mantelströme und die Druckentlastung nahe der Oberfläche wird Mantelgestein (Peridotit) bis zu mehr als 20 % aufgeschmolzen. Aus diesen Schmelzen entstehen die Gesteine der ozeanischen Kruste. Jährlich werden etwas über 20 km3 ozeanischer Kruste neu gebildet [Schmincke 2000]. Unter den Mittelozeanischen Rücken steigt also mehr als die doppelte Menge an Schmelzen auf als über Subduktionszonen.
Konstruktive und destruktive Plattengrenzen sind somit für die Bildung des weitaus größten Anteils magmatischer Gesteine verantwortlich. Aber auch innerhalb der Platten gibt es magmatische Tätigkeit, doch werden hier nur etwa 4 km3 an magmatischen Gesteinen im Jahr gebildet. Dieser Intraplatten-Magmatismus ist im Allgemeinen an „Heiße Flecken“ („hot spots“) gebunden (Abb. 1.5). Heiße Flecken sind punktförmige Magmaquellen im Bereich der Kontinente oder Ozeane und verdanken Manteldiapiren ihre Entstehung. Die Diapire sind heiße, aus großen Tiefen aufsteigende Finger im Erdmantel, die, unter den Platten angekommen, Schmelzbildung auslösen und über lange Zeiträume Vulkanausbrüche verursachen (Kap. 6). Sie treten auch an konstruktiven Plattengrenzen auf, häufiger aber innerhalb der Platten, und verursachen weiträumige Aufdomungen der Erdkruste.
Beispiele für kontinentale Heiße Flecken sind das Französische Zentralmassiv und die Vulkaneifel in Europa sowie das Tibestigebirge und der Ahaggar (Hoggar) in Nordafrika (Abb. 1.5). Alle diese Gebiete zeichnen sich durch jungen Vulkanismus aus. Im ozeanischen Bereich ist der heute aktive Teil des Hawaiischen Archipels das bekannteste Beispiel. Wenn Platten über einen Heißen Fleck hinweggleiten, entstehen lange Vulkanketten, an deren aktivem Ende der Heiße Fleck sitzt. Hawaii ist hierfür ein gutes Beispiel (Abb. 1.5). Oft sind Heiße Flecken auch an Grabenbrüche gebunden, die tief greifende, ganze Kontinente durchschneidende Störungssysteme darstellen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist das ostafrikanische Grabenbruchsystem mit seinen Vulkanen. Gräben sind von Bruchstrukturen begrenzte Zerrungszonen, die die Lithosphäre ausdünnen und Magmen entlang von Störungen Aufstiegswege bieten. Aus ihnen können sich bei anhaltender Zerrung neue Ozeane bilden. Ein Beispiel eines gerade entstehenden Ozeans findet sich im Nordteil des ostafrikanischen Grabenbruchsystems (Afar) und im Roten Meer (Kap. 3).
Was treibt die Platten an, was bremst sie?
Die wachsenden Plattenränder, die Mittelozeanischen Rücken, bilden immer nur ozeanische Lithosphäre neu, weil nur die basaltisch-gabbroide ozeanische Kruste durch Teilaufschmelzung direkt aus dem Mantel herausgeschmolzen werden kann (kontinentale Kruste entsteht durch wesentlich kompliziertere Schmelz- und Recyclingprozesse über Subduktionszonen – Kap. 7). Im Gegenzug kann auch nur ozeanische Lithosphäre an den Subduktionszonen vollständig in den Mantel wieder eingegliedert werden, während subduzierte kontinentale Kruste einen starken Auftrieb erfährt und sich an die unterschobene Platte anlagert. Der Bewegungsablauf der Platten wird also hauptsächlich von der Bildung ozeanischer Lithosphäre an den ozeanischen Rücken und deren Subduktion und Wiedereingliederung in den Erdmantel an anderer Stelle kontrolliert. Die ozeanische Lithosphäre ist somit der Motor für die Plattentektonik, während sich die Kontinentschollen passiv verhalten und nicht aktiv zur Dynamik der Erde beitragen.
Tatsächlich sind die Antriebskräfte für die Plattenbewegung unter den Mittelozeanischen Rücken und in den Subduktionszonen zu suchen. Sie greifen vor allem an den Plattenrändern an. Der Plattenantrieb wird im Wesentlichen vom Aufstieg von Magma an den Mittelozeanischen Rücken und vom Absinken spezifisch schwerer Lithosphäre in den Subduktionszonen gesteuert [Bott 1982]. Diese Prozesse werden als Rückenschub oder Rückendruck und Plattenzug bezeichnet. Der Rückenschub entsteht durch die Aufwärtsbewegung der heißen und daher spezifisch relativ leichten Gesteinsschmelzen an den Mittelozeanischen Rücken, wobei im Bereich der neu entstehenden Lithosphäre die vertikale in horizontale Bewegung umgelenkt wird und die Platten auseinander gedrückt werden. Der Plattenzug wird durch die größere Dichte der erkalteten ozeanischen Lithosphäre gegenüber dem darunter liegenden Mantel hervorgerufen. Er ist die wichtigere Antriebskraft, die noch dadurch verstärkt wird, dass in der abtauchenden Platte, bedingt durch ihre niedrige Temperatur, Umwandlungen zu dichteren Mineralen in geringerer Tiefe erfolgen als im umgebenden heißeren Mantel. Plattenschleppung, das ist das Mitführen der Platten auf den horizontalen Strömungsästen der Asthenosphäre unter der Plattenmitte, dürfte für den Antrieb der Platten hingegen keine Rolle spielen, sie wirkt sogar oft eher hemmend.
Rückenschub und Plattenzug stehen mit dem Spannungszustand im Inneren der Platten in Einklang. Sie erzeugen Kompression nahe der Mittelozeanischen Rücken und Zerrung nahe der Tiefseerinnen, was auch der Beobachtung entspricht. Bei Plattenschleppung wären die Spannungszustände umgekehrt. Auch vom thermodynamischen Standpunkt aus ist es logisch, dass das heiße aufsteigende und das kalte absteigende Material die Antriebskräfte stellen. Gestützt werden diese Überlegungen durch folgende Beobachtungen: Die Geschwindigkeiten der Plattenbewegungen sind von der Größe der Platten unabhängig. Platten mit Subduktionsrändern bewegen sich aber deutlich schneller als solche ohne Subduktionsränder, was die Bedeutung des Plattenzugs für den Antrieb unterstreicht. Platten mit großem Anteil kontinentaler Kruste, unter der die Lithosphäre mächtiger ist als unter ozeanischer, bewegen sich hingegen langsam; dies zeigt, dass die Schleppung an der Platten-Unterseite die Bewegung negativ beeinflusst, also bremst [Kearey & Vine 1990].
Kollision und Gebirgsbildung
Subduktionszonen bilden sich bevorzugt an Stellen mit gealterter, abgekühlter und daher spezifisch schwerer Lithosphäre, also am Rand großer ozeanischer Becken, wie rund um den heutigen Pazifik. Solange ein Ozeanbecken mit einem Mittelozeanischen Rücken randlich nicht von Subduktionszonen begrenzt ist, verbreitert es sich, wie dies beim heutigen Atlantik der Fall ist. Die Ausbreitungsraten der Mittelozeanischen Rücken liegen zwischen 1 und etwa 15 cm im Jahr (Abb. 1.2). Die Subduktionsrate (im Einzelfall bis zu 9 cm/Jahr – in der Vergangenheit auch höher) kann, vor allem wenn sie an gegenüberliegenden Ozeanrändern addiert wird, höher als die Ausbreitungsrate am Rücken sein. In diesem Fall verkleinert sich das Ozeanbecken, und es nähern sich die angrenzenden Kontinentmassen an. Die anhaltende Annäherung führt irgendwann zur Subduktion des Rückens und schließlich zur Kollision der kontinentalen Massen, wobei der Passive Kontinentrand der subduzierenden Platte unter den Rand der Oberplatte gezogen wird (Abb. 11.5). Durch das geringe spezifische Gewicht des subduzierten Kontinentteils kann dieser nicht beliebig tief nach unten gezogen werden. Er erfährt vielmehr einen Auftrieb in dem ihn umgebenden dichteren Mantelgestein und drängt nach dem Prinzip der Isostasie nach oben.
Auftrieb und starke Reibungskräfte nach einer Kollision zweier Kontinentmassen lassen die Subduktion der kontinentalen Kruste schließlich zum Stillstand kommen. Dies geschieht unter Bildung komplizierter tektonischer Strukturen wie Falten und Decken und unter Aufheizung der in die Tiefe verfrachteten Gesteine, die dabei metamorph verändert werden und teilweise aufschmelzen können. Nach dem Totlaufen der Konvergenzbewegung reißt die noch anhängende subduzierte ozeanische Lithosphäre unter ihrem eigenen Gewicht ab („Platten-Abriss“; Abb. 11.5). Durch Wegfallen dieses nach unten ziehenden Gegengewichts kann der isostatische Aufstieg der