Mit der Plattenbewegung stehen Konvektionsströme im sub-lithosphärischen Erdmantel in Wechselbeziehung. Wie man aus dem Ausbreitungsverhalten von Erdbebenwellen weiß, liegt der Erdmantel im Wesentlichen in festem Zustand vor. Dennoch ist er zu Fließbewegungen in der Größenordnung von mehreren Zentimetern pro Jahr – dies sind jedenfalls die Geschwindigkeiten, mit denen sich die Platten bewegen – fähig. Die Fließbewegung wird durch Gleitvorgänge an Mineralkorngrenzen ermöglicht, die unter den hohen Temperaturen des Erdmantels ablaufen. Teile des Erdmantels besitzen zudem geringe Schmelzanteile, die sich unter dem herrschenden hohen Druck als dünner Film um die festen Mineralkörner legen und sie trennen. Für die unmittelbar unter der Lithosphäre folgende Asthenosphäre, eine Schicht innerhalb des Oberen Mantels mit relativ hoher Beweglichkeit, wird ein Schmelzanteil von wenigen Prozent angenommen.
Das Muster der Konvektionszellen im Erdmantel ist sehr komplex, wie aus detaillierten Untersuchungen mit Hilfe der Methode der seismischen Tomographie hervorgeht (Kap. 2). Vermutlich ist ein System von Konvektionszellen im Oberen Erdmantel (bis knapp 700 km Tiefe) von einem zweiten System im Unteren Mantel getrennt, doch stehen beide Systeme in Wechselwirkung und induzieren sich gegenseitig. Aus diesem Grund fallen auf- und absteigende Ströme in beiden Teilen des Mantels oft räumlich zusammen. Der Einfluss des Erdkerns, der vor allem aus Eisen und Nickel besteht und dessen äußere Schale in flüssigem Zustand vorliegt, auf das Geschehen im Erdmantel wird noch diskutiert. Von thermischen, möglicherweise auch stofflichen Wechselwirkungen ist aber auszugehen (Kap. 6).
Durch die Relativbewegungen der Platten werden an den Plattengrenzen Erdbeben ausgelöst. Der Gleitvorgang zwischen den Platten verläuft nicht spannungsfrei und kontinuierlich: In den bis zu einem gewissen Grad elastisch verformbaren Gesteinskörpern bauen sich Spannungen auf, die sich, wenn ein Grenzwert erreicht ist, in einem Bruch ruckartig entladen. Ein Blick auf eine Karte mit der Verteilung der Erdbeben-Epizentren (Punkte auf der Erdoberfläche direkt über den Erdbebenherden) zeigt eindrucksvoll, dass die Erdbeben auf schmale, erdumspannende Zonen konzentriert sind (Abb. 1.8). Sie zeichnen die heutigen Plattengrenzen nach. Die Verteilung der Erdbebenzentren ist bei den verschiedenen Arten von Plattengrenzen aber unterschiedlich. Tief liegende Erdbebenherde treten nur entlang der Subduktionszonen auf, flach liegende hingegen an allen Plattengrenzen. Darüber hinaus finden sich verstreute Zentren innerhalb der Platten: Sie zeigen, dass die Platten auch in ihrem Inneren nicht frei von Deformationen sind und von großen Störungszonen durchzogen werden können. Die Bewegungsbeträge an Störungszonen innerhalb der Platten sind aber, über geologische Zeiträume gemittelt, meist eine Größenordnung kleiner und liegen im Bereich von nicht mehr als wenigen Millimetern im Jahr. Man spricht von „Intraplatten-Tektonik“.
Abb. 1.8: Globale Verteilung der Erdbebenherde entsprechend ihrer Tiefenlage (erstellt mit freundlicher Unterstützung durch Agneta Schick, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover).
Die stärksten Konzentrationen von Erdbebenzentren finden sich an destruktiven Plattenrändern, wie sie vor allem rund um den Pazifik zu finden sind. Die Zonen der Epizentren sind hier relativ breit (Abb. 1.8), weil die subduzierenden Plat ten, in denen die Erdbebenherde lokalisiert sind, schräg abtauchen. Die Subduktionszonen lassen sich anhand der Beben bis in eine Tiefe von fast 700 km nachweisen. Die Plattengrenze streicht auf derjenigen Seite des Bebengürtels an der Erdoberfläche aus, auf der die Bebenherde in seichter Tiefe liegen. Bebenherde in geringer Tiefe, deren Epizentren meist nahe der Plattengrenze zu liegen kommen, können verheerende Auswirkungen haben.
Entlang von Transformstörungen sind die Epizentren der Beben viel schärfer auf die Plattengrenze konzentriert, weil die Störungszonen vertikal stehen. Wenn Transformstörungen kontinentale Kruste durchschneiden, können auch sie katastrophale Erdbeben auslösen. Dies ist auf das Aneinanderreiben der mächtigen, starren Platten zurückzuführen und unter anderem von der Bewegungsgeschwindigkeit abhängig. Beispiele sind die San-Andreas-Störung in Kalifornien und die Nordanatolische Störung in Kleinasien.
Die Mittelozeanischen Rücken weisen eine viel schwächere Bebentätigkeit auf. Aufwärts gerichtete Ströme bringen geschmolzenes Gesteinsmaterial bis an die Erdoberfläche. Dementsprechend ist die feste Schale, in der sich Spannungen aufbauen und entladen können, sehr dünn. Das heiße, gerade erstarrte Gestein ist noch zu plastischen Verformungen fähig. Es treten daher nur schwache und seicht gelagerte Beben auf. Dennoch kann man auch die konstruktiven Plattengrenzen auf der Erdbebenkarte deutlich erkennen.
Junge, tektonisch noch aktive Gebirgsgürtel wie der Alpen-Himalaya-Gürtel sind ebenfalls durch eine rege Bebentätigkeit gekennzeichnet. Durch die Kollision kontinentaler Massen entstehen breite Verformungszonen mit zahlreichen Bruchflächen. Man findet daher hier besonders breite Gürtel seichter Erdbeben (Abb. 1.8). Einzelne tiefere Beben zeugen von vorangegangener Subduktionstätigkeit.
Zwei Arten von Kontinenträndern
Fast alle heute existierenden Platten enthalten Bereiche mit kontinentaler und Bereiche mit ozeanischer Kruste. Dies gilt z. B. für die großen Platten beiderseits des Mittelatlantischen Rückens, der eine der auffälligsten Plattengrenzen darstellt und die beiden Amerikanischen Platten von der Eurasischen und der Afrikanischen Platte trennt (Abb. 1.2, 1.5). Aber auch die Indisch-Australische Platte, die Antarktische Platte und mehrere kleinere Platten enthalten beide Krustentypen. Demgegenüber besitzt die riesige Pazifische Platte, die sich westlich des Ostpazifischen Rückens bis an die ostasiatischen Inselbogensysteme erstreckt, nur in Kalifornien und in Neu seeland kleine Anteile kontinentaler Kruste. Die Philippinische, die Cocos- und die Nazca-Platte – kleinere Platten, die die Pazifische Platte umkränzen – besitzen nur ozeanische Kruste.
Daraus wird deutlich, dass es zwei Arten von Kontinenträndern gibt. Die Schelfbereiche fallen allgemein steil in die Tiefseebecken ab: Es sind dies die Ränder der Kontinente, an denen die kontinentale Kruste auskeilt. Die Kontinentränder können mit der ozeanischen Kruste im angrenzenden Tiefseebecken fest verbunden sein: Kontinent und Ozeanbecken gehören derselben Platte an. Solche Kontinentränder sind unter anderem rund um den Atlantik verbreitet. An ihnen finden nur geringe (meist vertikale) Bewegungen statt, weshalb sie auch als Passive Kontinentränder bezeichnet werden (Abb. 1.3 oben). Passive Kontinentränder stellen keine Plattengrenzen dar.
Demgegenüber sind Aktive Kontinentränder solche, bei denen zwischen Kontinent und Ozean eine Plattengrenze verläuft: Hier wird ein Plattenteil mit ozeanischer Kruste unter die Platte mit kontinentaler Kruste subduziert. An der Plattengrenze bildet sich eine Tiefseerinne. Dieser Typ von Kontinenträndern tritt vor allem entlang der Anden auf (Abb. 1.3 unten). Viele Subduktionszonen rund um den Pazifik sind aber durch Inselbogensysteme gekennzeichnet. Der Rand der Oberplatte ist in diesen Fällen durch vulkanische Inselketten ausgezeichnet, die von ozeanischer Kruste oder von kontinentalen Krustenschollen, die vom benachbarten Kontinent abgespalten wurden, unterlagert werden.
Magmatismus und Plattendynamik
Nicht nur die Bebentätigkeit, auch die Förderung magmatischer Schmelzen ist weitgehend an die Plattengrenzen gebunden. Jährlich werden etwas weniger als 10 km3 magmatischer (vulkanischer wie plutonischer) Gesteine an destruktiven Plattenrändern gebildet [Schmincke 2000]. Durch einen komplizierten Vorgang der Wechselwirkung zwischen der Asthenosphäre