Levis Augen leuchteten auf. »Krass, Alter! Wenn wir damit zur Presse gehen, sind wir die Größten. Levi und Aaron, die glorreichen Entdecker einer AlienInvasion. Und zum Beweis präsentieren wir den … wie haben sie das Ding genannt?«
»Den Raumgleiter.«
»Genau. Wir fahren dorthin, buddeln ein wenig im Sand, fotografieren ihn und schicken das grandiose Bild zum Anfixen an die Zeitung. Die werden uns fürstlich bezahlen.«
»Ich bin dabei!«, freute sich Aaron.
Mit einer Schaufel bewaffnet, machten sich die beiden Jungs noch am selben Tag auf den Weg zum Busbahnhof. Sie schilderten sich gegenseitig in den schillerndsten Farben, was sie mit dem vielen Geld anfangen würden, das man ihnen bald in Bündeln nachwerfen würde.
Knapp eineinhalb Stunden später bog der Bus in die Haltebucht vor dem Kibbuz ein. »Jetzt werde ich doch ein bisschen nervös«, gestand Aaron. »Was, wenn sie ihren Raumgleiter doch abgeholt haben?«
Levi lachte kehlig. »Du spinnst doch total! Die müssen sich am Grenzübergang registrieren lassen, dürfen nicht einfach drüber weg fliegen. Ich hatte denen klar und deutlich gesagt, dass sie ansonsten ihre Sozialhilfe in Deutschland vergessen können.«
»Hoffen wir das Beste.«
Gegen 16 Uhr erreichten sie, nachdem sie sich ein paarmal verirrt hatten, die fragliche Stelle. Beim letzten Besuch war es relativ dunkel gewesen, die Umgebung wirkte heute verändert. Nun standen die beiden fassungslos vor einer symmetrischen Bodenmulde, um deren Rand etwas Aushub und ein paar tote Steppenpflanzen zu sehen waren.
»Scheiße!«, fluchte Levi. »Das ist definitiv der Ort, an dem sie das Ding versteckt hatten. Ich erkenne den verkrüppelten Baum da drüben wieder. Diese Idioten sind doch damit weggeflogen. Der Teufel soll sie holen!«
Aaron wischte sich Schweiß aus dem Gesicht. »Ja, leider. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Wir gehen trotzdem zur Zeitung und erzählen denen unsere Geschichte. Dass wir den Aliens wochenlang geholfen und wie sie ihren fernen Heimatplaneten beschrieben haben, die Story von diesem gruseligen Holographen … und so weiter. Dann führen wir die Zeitungsfritzen hierher. Man sieht an den deutlichen Abdrücken im Sand, dass bis vor kurzem hier etwas sehr Schweres mit strukturierter Unterseite gelegen oder gestanden haben muss. Die sollen mit Messgeräten anrücken, vielleicht ist Radioaktivität oder sowas messbar. Soll ja auch andernorts nach UFOSichtungen so gewesen sein.«
Sie fotografierten die leere Bodenmulde von allen Seiten mit den Smartphones. Danach zogen sie frustriert wieder ab.
Zwei Wochen später waren Aaron und Levi erheblich reicher als zuvor, wenn auch nur an Erfahrung. Bei der großen Tageszeitung Tel Avivs waren sie als Spinner ausgelacht worden. Also hatte Levi die Bilder mit entsprechendem Kommentar ins Internet gestellt. Sie erzeugten dort jede Menge Aufmerksamkeit, allerdings hauptsächlich der negativen Art. Ein wahrer Shitstorm ergoss sich auf die jungen Männer. Sie hätten die Abdrücke ganz einfach selber in der Mulde erzeugen und ein paar Pflanzen ausreißen können, hieß es.
Freilich, es gab auch ein paar unverbesserliche Verschwörungstheoretiker, die voll auf die angebliche Begegnung der dritten Art einstiegen. Aber mit denen war eben kein Blumentopf zu gewinnen. Sie stahlen einem nur Zeit, besaßen jedoch nicht die Möglichkeit, an der Landestelle irgendwelche Messungen durchzuführen.
Allein das Restaurant Nefilim profitierte von den Gruppen, die nach den ersten Posts wochenlang zur Besichtigung des angeblichen UFOLandeplatzes anrückten. Und das sogar noch, nachdem es geregnet hatte und definitiv keinerlei Spuren mehr zu erkennen waren.
Für Aaron Rosenthal sollte die unselige AlienAffäre noch ein besonders unangenehmes Nachspiel haben. Seine überaus besorgten Eltern ließen ihn ein paar Wochen nach dem Vorfall psychiatrisch begutachten und legten anschließend größten Wert darauf, dass er Levi nicht mehr traf. Der Psychiater hatte nämlich darauf hingewiesen, dass die psychische Störung wohl hauptsächlich durch dessen Suggestionen ausgelöst worden sei.
Terra, 27. November 2017 nach Christus, Montag
Solaras und Kalmes hatten ihre Anhörung bei einem Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ohne Probleme überstanden. Vorgebliche Syrer hatten es da vergleichsweise einfach. Eine begründete Furcht vor Verfolgung geltend zu machen, wenn man direkt aus einem Bürgerkriegsgebiet kommt, fällt naturgemäß relativ leicht.
Sie wohnten mittlerweile im Asylheim Freiberg in Sachsen. Heute erst war der schriftliche Bescheid über die Aufenthaltserlaubnis gekommen. Kalmes las ihn jubelnd vor. Sie durften in Deutschland bleiben.
Nun konnte es losgehen: Deutschkurs, Wohnung, Integrationsangebote und – last but not least – hatten sie endlich die Erlaubnis erhalten, sich auf dem Jobmarkt einen Arbeitsplatz zu suchen. Es ging mit Riesenschritten aufwärts. Bald schon würden sie selbstbestimmt leben und das antrainierte arabische Gehabe ablegen dürfen.
Kalmes freute sich schon darauf, sich bald in die fantasievollen terrestrischen Gewänder hüllen zu können. Selbstverständlich gedachte sie nach dem geplanten Umzug in eine eigene Wohnung nicht länger Kopftücher zu tragen, sondern sich in punkto Kleidung voll der deutschen Bevölkerung anzupassen. Die reiche Auswahl an Farben und Schnitten in den Bekleidungsgeschäften erschien ihr paradiesisch.
Zwischenzeitlich hatten die frisch gebackenen Asylanten gleichwohl bemerkt, dass in Deutschland auch nicht alles Gold war, was glänzte. Die Schere zwischen Arm und Reich klaffte sehr weit auseinander. Es gab Neid, Missgunst, Bürokratie, viel schlechte Laune und sogar islamistische Anschläge in diesem wunderhübschen Land voller grüner Wälder.
Die Tiberianer konnten beim besten Willen nicht verstehen, wieso sich manche ihrer Mitflüchtlinge intolerant und sogar gewalttätig verhielten. Es wurde geprügelt und vergewaltigt. Einige der Asylsuchenden sprengten sich gar als Selbstmordattentäter selber in die Luft, rissen unschuldige Zufallsopfer mit in den Tod. Aber hätten diese, zumeist jungen, Männer nicht froh und dankbar sein müssen, der lebensbedrohlichen Situation in ihrem Heimatland entronnen zu sein? Dass sie von der demokratischen Regierung dieses Landes, und das wohlgemerkt ohne jegliche Gegenleistung, neben Schutz ein Dach über dem Kopf, Essen und sogar ein wenig Taschengeld gestellt bekamen?
Als halbwegs verständliche Reaktion auf die vielen negativen Vorkommnisse mit Flüchtlingen schlugen den Freiberger Heimbewohnern Vorurteile und manchmal auch purer Hass der ortsansässigen Bevölkerung entgegen. Darunter hatten auch Solaras und Kalmes zu leiden. Scheele Blicke der Anwohner waren noch das Harmloseste, was sie erdulden mussten.
»Wenn ich daran denke, dass wir Tiberianer an diesen ganzen durch religiöse Ansichten verursachten Konflikten schuld sind, könnte ich wahnsinnig werden. Jesus hat kläglich versagt«, ging Solaras oft hart mit sich ins Gericht.
Kalmes pflegte ihn in solchen Phasen zu trösten. »Wir haben den Menschen auf Terra durch die Propheten Jesus von Nazareth und Mohammed nur das Angebot gemacht, sich an sinnvollen Wertvorstellungen zu orientieren. Pervertiert und ins Gegenteil verkehrt haben sie die Lehren selbst. Im Übrigen sind nicht alle Terraner schlecht. Dieser falsche Eindruck wird nur durch die einseitige, sehr negative Berichterstattung genährt. Wie kann man nur den Planeten, auf dem man lebt, in einem derart üblen Licht darstellen?«
Als Solaras sich sechs Monate später einen lange gehegten Herzenswunsch erfüllen und seine Kalmes ehelichen wollte, erlebte er auf dem Standesamt eine böse Überraschung. Man hatte das Paar in Passau versehentlich als Mutter und Sohn alHaruni registriert. Da die beiden keine Originalurkunden aus ihrem Heimatland vorweisen konnten, war es nicht möglich, diesen fatalen Irrtum aufzuklären. Ein Gentest verbot sich, denn der hätte das Paar sofort als mutmaßlich Außerirdische in die Schlagzeilen gebracht. Tiberianische DNS